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Still ruht die Baustelle auf dem Hauptstadtflughafen BER.

© Patrick Pleul/dpa

Umstrittene Beschaffenheitsvereinbarung: Architekten wollen nicht für alle Mängel einstehen

Der Verein fairtrag wehrt sich gegen „unfaire“ Verträge der öffentlichen Hand und reicht Klage ein. Architekten sollen demnach auch für Fehler von Subunternehmern haften.

Dass die öffentliche Hand sich bemühen will, bei künftigen Großprojekten die Kosten in den Griff zu bekommen, ist angesichts der Horrormeldungen um den Hauptstadtflughafen BER, die Berliner Staatsoper und die Hamburger Elbphilharmonie überaus verständlich - und auch bei kleineren Vorhaben nachvollziehbar.

Doch wie das geschehen soll, sorgt bei Architekten für Kopfschütteln. Denn sie sollen für sämtliche Kostensteigerungen verantwortlich gemacht werden können.

Das Instrument dafür sind die Musterverträge des Bundes und nachfolgend der Länder und Kommunen. Von den Architekten wird verlangt, dass sie Verträge unterschreiben, die eine „Beschaffenheitsvereinbarung“ enthalten. Das heißt, sie müssen mit ihrem Honorar und ihrer Versicherung für alle Mängel des Bauwerks einstehen, insbesondere für Kostensteigerungen. Die Schuld- oder Verursacherfrage interessiert den Auftraggeber nicht.

Nun ist dem Käufer eines Automobils auch gleichgültig, wer das Versagen eines Getriebes zu verantworten hat, er zieht den Hersteller zur Rechenschaft. Und der wiederum den Zulieferer, den er beauftragt hat. Bei einem Bauwerk soll der Architekt jedoch auch für Mängel haften, die Firmen oder Fachplaner verursachen, die er gar nicht beauftragt hat und auf die er folglich weder Zugriff noch Einfluss hat. Und die womöglich zwischenzeitlich pleite gegangen sind.

Viele Architekten überschauen das Risiko nicht und unterschreiben

Derartige Knebelverträge sind oft bereits Bestandteil der Ausschreibungen von Wettbewerben und von VOF-Verfahren. Das heißt, durch Teilnahme hat man bereits zugestimmt. Oft werden die Verträge auch erst nach dem gewonnenen Wettbewerb im VOF-Verfahren präsentiert. Dann entsteht eine besondere Marktmacht, die die Vertragsnehmer besonders unter Druck setzt. Und die Beschaffenheitsklausel ist – wie von Betroffenen zu hören – als „nicht verhandelbar“ deklariert.

Viele Architekten überschauen das Risiko nicht und unterschreiben in der Euphorie, ein Bauprojekt an Land gezogen zu haben, blauäugig und arglos. Manche sind bereits von öffentlichen Auftraggebern in den Konkurs getrieben worden.

Die stark strukturierte "weiße Haut" im großen Saal der Elbphilharmonie soll ein optimales Klangerlebnis garantieren.
Die stark strukturierte "weiße Haut" im großen Saal der Elbphilharmonie soll ein optimales Klangerlebnis garantieren.

© REUTERS/Fabian Bimmer

Da die Bundesarchitektenkammer als Standesvertretung sich zunächst aus dem Disput herausgehalten hatte, weil sie auch die Kollegen im Staatsdienst vertritt, hatten erzürnte Architekten den Verein fairtrag gegründet, um gegen den Mustervertrag eine Verbandsklage einzureichen. Inzwischen ist auch die Architektenkammer beim zuständigen Abteilungsleiter im Ministerium vorstellig geworden.

Dort jedoch ist man angesichts der Klage verschnupft und hat den Kontakt abgebrochen. Die Verbandsklage richtet sich gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Bauwesen BBR, und hat zum Ziel, die die Kostenobergrenzen festlegenden Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Musterverträgen zu Fall zu bringen.

Generalverantwortung sollten Generalplaner oder Projektsteuerer übernehmen

Denn „die Klausel verlagert Risiken auf den Auftragnehmer, die dieser weder beherrschen noch beeinflussen kann“, heißt es in der Klageschrift, das sei eine unfaire und unzumutbare Benachteiligung der Planer.

Ein Architekt, dessen Projekt – von wem auch immer – in ein finanzielles Desaster getrieben wurde, muss mit Insolvenz und jahrelangen Prozessen rechnen. Wenn die öffentlichen Auftraggeber sich dadurch aus der eigenen Verantwortung stehlen, dass sie den schwächsten in der Kette der Akteure den schwarzen Peter zuschieben, ist das schlicht unlauter, aber auch unklug, denn derlei Rechtsstreitigkeiten führen zu Kostenerhöhungen und Terminverschiebungen.

Die restaurierte Saaldecke der Staatsoper Unter den Linden. Damit der Klang länger nachhallt, wurde die Decke angehoben - eine der Ursachen für die erheblichen Mehrkosten.
Die restaurierte Saaldecke der Staatsoper Unter den Linden. Damit der Klang länger nachhallt, wurde die Decke angehoben - eine der Ursachen für die erheblichen Mehrkosten.

© Paul Zinken/dpa

Die Entwicklung ist insofern ziemlich absurd, als sie mit der Tendenz einhergeht, den Architekten mehr und mehr Kompetenzen zu entziehen und sie auf eine Dienstleistungsfunktion zu reduzieren. Generalverantwortung kann aber nur aufgebürdet bekommen, wer auch Generalplaner und Projektsteuerer ist. Der Bauherr öffentliche Hand macht es sich einfach, wenn er zwar die Beauftragung verästelt, die Verantwortung aber bündeln will.

Schließlich haben die problematisch verlaufenden Bauvorhaben der letzten Jahre gezeigt, dass die Fehlerketten bereits bei der Beschlussfassung im politischen Raum beginnen, die in aller Regel ohne hinreichend konkrete Projektvorplanung, realistische Kostenschätzung und Risikobewertung herbeigeführt wird.

Wenn diese Kostenannahmen in die Verträge einfließen, sind die Risiken für die Planer nicht mehr beherrschbar. Rainer Hascher, der Vorsitzende des Vereins fairtrag und die Rechtsanwälte sprechen von guten Erfolgsaussichten für die Klage gegen den Mustervertrag. Doch danach wird es für den zügig wachsenden Verein, dessen Mitgliederzahl inzwischen die 250 überschritten hat, noch mehr zu tun geben.

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