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Unterstützer der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ schwenken Fahnen bei der Übergabe der gesammelten Unterschriften für einen Volksentscheid zur Enteignung von großen Immobilienunternehmen.

© dpa/Christophe Gateau

Wohnungsbau in Berlin: Grün-linke Stadtentwicklung – ein Scherbenhaufen

Die Wahlwiederholung in Berlin sollte einen Paradigmenwechsel bringen. Die Baupolitik von Grünen und Linken hat genug Schaden angerichtet.


Seit der letzten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus haben wir endlich wieder einen Bausenator. So nennt sich der Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen Andreas Geisel (SPD) auf Twitter und zu seinen ersten Amtshandlungen gehörte, das noch von seiner Vorvorgängerin Katrin Lompscher aus der Amtsbezeichnung gestrichene „Bauen“ dort wieder prominent hervorzuheben. Ein Paradigmenwechsel.

Am 12. Februar 2023 hat Berlin nun unverhofft erneut die Wahl. Viele aus dem Umfeld der Grünen und Linken proklamieren, dass wir zu einer Stadtentwicklungspolitik der letzten Legislaturperiode zurückkehren müssen. Das vor allem auch von der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey ausgegebene Mantra „Bauen, bauen, bauen“ sei falsch, vielmehr sei auf den Schutz des Bestands zu setzen. Sie sehen Berlin als „Closed Shop“ für all diejenigen, die bereits hier sind und sie daher auch wählen können. Man könnte das eine protektionistische Klientelpolitik nennen.

Sieben Urteile dokumentieren gescheiterte Gesetzgebungen

Eine solche sollte aber niemals das Ziel des politischen Handelns sein, zumindest wenn es nach Verfassung und Gesetzbüchern geht. Egal ob Mietobergrenze, Mietendeckel, Vorkaufpraxis, kündbare Abwendungsvereinbarungen, nichtige Umwandlungsverbotsverordnung, nichtige Mietpreisbegrenzungsverordnung: für die grün-linke Stadtentwicklung setzt es eine juristische Klatsche nach der anderen. Sieben Urteile und Beschlüssen liegen bereits vor, teilweise rechtskräftig. Ein Scherbenhaufen.

Es soll noch doller kommen: 59,1 Prozent wollen Deutsche Wohnen & Co. enteignen. Dabei geht es im Wesentlichen um die Bestände, die der rot-rote Senat 2004 selbst verkauft hat. Seitdem wurde aus einem von Überversorgung und Leerstand geprägtem Berliner Markt mit preisgünstigem Wohnraum ein sehr angespannter.

Enteignungen schaffen keine neuen Wohnungen

Enteignungen können jedoch nicht zur Lösung beitragen, schaffen sie doch, ebenso wie die Mietpreisbremse linker Ausprägung, keine einzige neue Wohnung. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hat daher die Sozialisierung zu Recht als rote Linie bezeichnet, die sich nicht überschreiten wird. Gleichwohl kann Volkes Wille nicht missachtet werden. Bei einem aktuellen Börsenwert von rund 8,3 Milliarden Euro (minus 47 Prozent in 2022) kann und sollte sich der Senat bemühen, das Unternehmen „Deutsche Wohnen“ und somit die Wohnungen einfach zu kaufen und damit die Enteignungsphantasien zu befrieden.

Der Senat sollte sich bemühen, das Unternehmen „Deutsche Wohnen“ und somit die Wohnungen einfach zu kaufen und damit die Enteignungsphantasien zu befrieden

Mathias Hellriegel, Rechtsanwalt und Tim Renner, SPD- und Kultur-Politiker

Es bleibt die Frage, wie Entspannung auf dem Wohnungsmarkt erreicht werden kann. Sämtliche Neubauziele werden seit Jahren verfehlt und aktuell haben Lieferengpässe, Baukostensteigerungen und die Zinsentwicklung den Neubau fast vollständig zum Erliegen gebracht. Die ambitionierten Neubauziele lassen sich aber nicht allein durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften erreichen, sondern erfordern einen Schulterschluss mit der privaten Immobilienwirtschaft.

Diese benötigt im Gegenzug verlässliche Rahmenbedingungen: konnte in den 10er Jahren der Markt noch das immer stärkere Anziehen der Regulierungsschraube durch die Preisentwicklung kompensieren, muss nun sichergestellt sein, welche Anforderungen für das Bauen bis zu den nächsten Wahlen 2026 bestehen.

Die Immobilienwirtschaft muss ihren sozialen Beitrag leisten

Umgekehrt muss die Immobilienwirtschaft ihren sozialen Beitrag leisten. Das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung mit einer Sozialwohnungsquote von 30 Prozent ist in die aktuellen Projekte eingepreist. Das ist, wie auch Hamburg zeigt, der richtige Weg. Parallel muss die Branchen denjenigen unter ihnen, die Flächen einfach nur immer wieder weiter weiterverkaufen, ohne für sie und die Allgemeinheit einen Mehrwert geschaffen zu haben, in ihren Verbänden die Rote Karte zeigen. Viele von denen werden ob der aktuellen Zinspolitik jetzt ohnehin ins Straucheln kommen.

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Millionen Menschen leben in Paris, auf der gleich großen Fläche Pankows sind es 410.000

Flächen für den Neubau stehen übrigens überall ausreichend zur Verfügung: neben brach liegenden Industriegebieten und nicht mehr benötigten Eisenbahnarealen bieten sich gerade in Berlin und auch in den dichtesten Bezirken eingeschossige Ladenflächen und ehemalige Parkhäuser für eine Nachverdichtung an.

Berlin, 16.06.2020

Protest am Alexanderplatz vor dem Roten Rathaus gegen den Kauf ihr Wohnräume durch Deutsche Wohnen (Archivbild von 2020).
Berlin, 16.06.2020 Protest am Alexanderplatz vor dem Roten Rathaus gegen den Kauf ihr Wohnräume durch Deutsche Wohnen (Archivbild von 2020).

© Florian Boillot / Florian Boillot

Platz gibt es, auch bei knappem Bauland, vor allem in der Vertikalen. Nur um es besser einordnen zu können: Paris und Pankow haben fast exakt dieselbe Fläche. In Paris wohnen 2,161 Millionen Menschen, in Pankow 410.000.

Berlin fehlt der politische Wille

Wir haben kein Problem der Möglichkeiten, wir haben in vielen Bezirken und Behörden ein Problem des politischen Willens. Mutig und schnell müssen die erforderlichen Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden und man darf nicht vor jedem Einwand kapitulieren. Bürgerbeteiligung sowie Arten- und Denkmalschutz sind naturgemäß wichtige Belange, aber Einwendungen sind nach dem Baugesetzbuch abzuwägen.

Berlin wächst, weil es attraktiv ist. Wir haben drei Möglichkeiten, damit umzugehen: Die Menschen in den Speckgürtel verbannen – wo mittlerweile aber auch die Preise explodieren -, der Stadt ihre Attraktivität nehmen, oder wie ein Bausenator denken und jede Menge bezahlbaren Wohnraum schaffen.

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