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Im Havelufer-Quartier in Spandau-Hakenfelde entstehen seit September 1.800 Mietwohnungen, gut 300 davon sozial gefördert. Entwickelt wird das Projekt von Patrizia und Kauri Cab.

© Grafik: Kauri Cab

Berlins kooperative Baulandentwicklung: Neubaumieten sind für die Mittelschicht zu teuer

Studie von Bulwiengesa: Quote für Anteil bezahlbarer Mietwohnungen verteuert frei finanzierten Wohnungsbau

Nun ist es zwar nicht amtlich, doch immerhin eine durch Studien abgesicherte Erkenntnis: Die kooperative Baulandentwicklung privater Grundstücke über städtebauliche Verträge verteuert das Bauen und Wohnen, ohne einen wesentlichen Mehrwert für die Stadtentwicklung und Nachhaltigkeit zu liefern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die bauland- und bodenpolitischen Instrumente mit Kriterien und Anforderungen überfrachtet werden. Was Baulandmodelle nutzen, hat Bulwiengesa, ein unabhängiges Beratungs- und Analyseunternehmen für die Immobilienbranche, im Auftrag von Pandion für Berlin, Düsseldorf, Hamburg und München untersucht. Pandion ist ein Immobilienunternehmen mit Sitz in Köln.

Baulandmodelle verteuern Mieten und Kaufpreise

Das Ergebnis: Baulandmodelle verteuern Mieten und Kaufpreise im frei finanzierten Anteil der Projekte, weil die Kosten für Erschließung, Grünanlagen, ggf. auch Kitas oder Schulen der von ihnen errichteten Wohnanlagen und Quartiere umgelegt werden müssen. Die Förderung des sozialen Wohnraums unterstützt aber lediglich die Kosten der Gebäudeerstellung selbst. Preisgedämpfte Wohnungen werden in der Regel gar nicht gefördert.

Berlin, Düsseldorf und München verfehlen die Ziele ihrer Baulandmodelle

Beide Wohnungstypen haben je nach Baulandmodell in den analysierten Städten einen Anteil von 30 bis 60 Prozent am Gesamtprojekt. Erreicht wird dies laut Studie bei der Bautätigkeit annähernd in Hamburg. Etwa 21 Prozent der zwischen 2007 und 2021 fertiggestellten Wohnungen waren dort Sozialwohnungen. In Berlin waren es im gleichen Zeitraum nur acht Prozent. In Düsseldorf sind es annähernd zehn, in München 13 Prozent. Diese Städte verfehlen damit ein wesentliches Ziel ihrer Baulandmodelle.

Die Infrastruktur dieses Anteils muss von den frei finanzierten Wohnungen quersubventioniert werden. Dies steigert die Kaufpreise der frei finanzierten Wohnungen um bis zu zwölf und die Mieten um bis zu 17 Prozent, fand Bulwiengesa heraus.

Die Indices neugebauter Eigentumswohnungen (ETW) bzw. Ein- und Zweifamilienhäuser (EZFH ) erklimmen neue Höchstwerte. Im 2. Quartal 2022 liegen neugebaute ETW 2,1% über dem Niveau des letzten Quartals, neugebaute EZFH liegen 2,8% darüber. 

© IMAGO/Sabine Gudath

In den letzten zehn Jahren haben die Neubaumieten deutschlandweit um 43% zugelegt, fand das unabhängige wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Forschungs- und Beratungsinstitut Empirica (Berlin) heraus. In den kreisfreien Städten um 43% und in den Landkreisen um 44%. Im Top-10-Ranking rückte Berlin auf den zweiten Rang hinter München vor. Es folgen Frankfurt, Stuttgart, Freiburg und Düsseldorf.

Bei Mietern liegen Bestandsmieten weit unter Neuvertragsmieten. Der Umzug in eine kleinere Wohnung senkt daher nicht die Wohnkosten, oft stiegen sie sogar. 

Reiner Braun, Vorstand und Geschäftsführer Empirica AG

Nach Angaben des Internetportals Immowelt aus dem August zahlen Mieter einer beispielhaften Neubauwohnung mit 3 Zimmern und 80 Quadratmetern in Berlin monatlich 260 Euro mehr als für eine vergleichbare Bestandswohnung. Allerdings: Mieter von Neubauwohnungen sparen dank oftmals besserer Dämmung bei den Heizkosten, was angesichts der rasant steigenden Energiepreise einen großen finanziellen Vorteil bedeuten kann.  Bei Mietern liegen Bestandsmieten weit unter Neuvertragsmieten. Der Umzug in eine kleinere Wohnung senkt daher nicht die Wohnkosten, oft stiegen sie sogar, sagt Empirica-Chef Reiner Braun zur Entwicklung.

Die Erschwinglichkeit von Wohnraum wird weiter sinken

Hinzu komme aktuell der Preisanstieg der freifinanzierten Einheiten durch hohe Inflationsraten, hohe Projektentwicklungskosten und hohe Zinsen; selbst für Normalverdiener werde es nun schwierig, eine Neubauwohnung zu mieten oder zu kaufen. „Die Erschwinglichkeit von neuem Wohnraum wird weiter sinken“, heißt es in der Analyse von Bulwiengesa.

„Solange Bauland Mangelware bleibt, weil die Kommunen zu wenig und zu langsam Bauland ausweisen, wird es keine gerechte Bodenpolitik und keine Lösung des Wohnraummangels geben“, hatte zuletzt der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen gewarnt: „Akuter Wohnraummangel muss daher zu einer Planungspflicht der Kommunen führen. Wer stattdessen zusätzliche dirigistische Eingriffe der Kommunen empfiehlt, verwechselt Ursache und Wirkung und setzt damit falsche Schwerpunkte.“

Haushalte mit vier Personen können sich Neubaumieten nur leisten, wenn sie zur oberen Mittelschicht gehören, folgert Bulwiengesa aus den Untersuchungsergebnissen: „Diese Haushalte wandern bereits jetzt in die Speckgürtel der Städte ab. Diese Entwicklung wird sich weiter verstärken, weil Projektentwickler ebenfalls ins Umland oder in andere Nutzungsarten ausweichen.“ Deshalb sollten die Bundesländer die Fehlbelegungsabgabe nutzen, um die Verteilung geförderten Wohnraums gerechter zu gestalten, empfiehlt das Institut.

In Berlin hatte das neugeschaffene „Bündnis für Wohnungsbau und bezahlbares Wohnen“ am 20. Juni eine neue Vereinbarung zum „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ beschlossen. Zukünftig sind 30 Prozent im unteren, geförderten und 20 Prozent im mittleren, preisgedämpften Segment als Mietwohnungen zu schaffen. Vorher lag die Quote des geförderten Wohnraums bei 30 Prozent der Geschossfläche nach ursprünglich einmal 25 Prozent aller Wohnungen.

Mieten und Kaufpreise stiegen verhältnismäßig am stärksten in Berlin

Die Mieten und Kaufpreise stiegen zwischen 2007 und 2021 in allen vier untersuchten Städten, am stärksten aber in Berlin: Berlin verzeichnet mit rund 26 Prozent seit 2016 den stärksten Anstieg bei den Mieten. Die durchschnittliche Neubaumiete von 16,20 Euro/qm liegt Ende 2021 allerdings deutlich unter dem Münchener Niveau von 20,80 Euro/qm.

Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen im Erstbezug stiegen stärker als die Mieten. Zwischen 2016 und 2021 lagen die Zuwachsraten zwischen rund 26 Prozent in München und 35 Prozent in Berlin. Allerdings ist das Niveau in der Hauptstadt mit durchschnittlich 6.650 Euro/qm immer noch vergleichsweise niedrig, schreiben die Verfasser der Studie von Bulwiengesa. Zwischen 2007 und 2020 wurden pro 1.000 Einwohner in Berlin 3,0 Wohnungen genehmigt und 1,7 Wohnungen fertiggestellt. Der Fertigstellungswert ist der niedrigste aller vier betrachteten Städte.

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