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Flüchtlinge beim Lernen.

© dpa

Integrationsprogramm der Metall- und Elektroindustrie: 100 Praktika-Plätze für Flüchtlinge

Um Flüchtlingen einen Berufsstart zu ermöglichen, bezahlt der Verband der Metall- und Elektroindustrie das Gehalt während der Praktika. Ziel ist der Wechsel in eine reguläre Ausbildung.

Janod Al Janoud hat wache Augen, schwarze Locken und einen Vollbart, er teilt seine WG mit drei Frauen aus verschiedenen Ländern. Ungewöhnlich ist das noch nicht in Berlin. Ungewöhnlich ist allerdings, wie gut der 29-Jährige Deutsch spricht. Die Sätze kommen fließend, der Satzbau ist durchaus anspruchsvoll, eine beachtliche Leistung für einen, der bis vor 22 Monaten noch in Syrien gelebt und dort nie ein Wort deutsch gelernt hat.
Aber seine Sprachkenntnisse sind ein Grund dafür, dass er seit März ein Praktikum im Berliner Ausbildungszentrum des ABB-Konzerns absolvieren darf. Technische Berufe werden dort geschult, das ideale Berufsfeld für einen, der in Syrien Informatik studiert und anschließend mit Software gearbeitet hat. Al Janoud ist einer von 24 Flüchtlingen, die seit März vom Programm „ME Starter“ profitieren. Initiator des Projekts ist der Landesverband Berlin-Brandenburg der Metall- und Elektroindustrie (VME), der damit die Integration von Flüchtlingen fördern will. „Ausbildung und Arbeit sind der beste Weg, um geflüchtete Menschen zu integrieren. Wir wollen diesen Menschen dabei helfen, sich eine gesicherte Existenz aufzubauen“, sagt Christian Amsinck, der Hauptgeschäftsführer des VME. Er stellte das Projekt mit Vertretern von VME-Mitgliedsunternehmen vor.

Die Flüchtlinge gehen auch in die Berufsschule

Hinter Amsincks Sätzen steht eine Zahl: 100. So viele Plätze wollen Unternehmen aus der Metall- und Elektroindustrie für Flüchtlinge bereit stellen, die dann finanziell unterstützt werden. Der VME übernimmt sechs Monate lang die Vergütung, einen anderen Teil des Gehalts bezahlt die Bundesagentur für Arbeit. Insgesamt erhält ein Flüchtling dann 470 Euro pro Monat. Die Ausgewählten lernen den Alltag in einem Betrieb und die wichtigsten Aufgabenfelder in Metall- und Elektroberufen, außerdem gehen sie in die Berufsschule. Sechs bis zwölf Monate dauern diese Praktika. Zudem hilft der Verband den Unternehmen, passende Bewerber zu finden und die bürokratischen Anforderungen zu bewältigen. In den meisten Fällen kommen die Bewerber über die Bundesagentur für Arbeit zu den Firmen. Dass derzeit nur 24 von 100 Plätzen besetzt sind, führt Gerd Woweries vom ABB-Ausbildungszentrum auch auf bürokratische Vorgaben zurück. So hätten entsprechende Verträge für Flüchtlinge, die für 2016 wirksam sind, bis Ende Februar unterzeichnet werden müssen. VME-Hauptgeschäftsführer Amsinck ist allerdings zuversichtlich, dass 2017 alle Plätze belegt sein werden. Zudem rechnet er damit, „dass 90 Prozent aller Bewerber eine reguläre duale Ausbildung absolvieren werden“.

Ziel ist der Wechsel in eine reguläre Ausbildung

Das ist das Hauptziel dieses Programms: Die Flüchtlinge sollen so qualifiziert werden, dass sie anschließend eine reguläre Ausbildung absolvieren können. Im Bereich des VME kann man zum Beispiel Technischer Modellbauer, Fluggeräte-Mechankiker, Elektroniker oder Mechatroniker werden. Der Syrer Al Janoud möchte später als Elektroniker für Automatisierung arbeiten. Und wenn er so weitermacht wie bisher, ist das auch kein Problem. Gerd Woweries jedenfalls ist sehr zufrieden mit seinem Mitarbeiter. „Im Moment läuft es darauf hinaus, dass er bei uns einen Ausbildungsvertrag erhält.“ Alaa Ismail ist auf dem gleichen Weg, allerdings bei der Tornado Antriebstechnik GmbH. Der 17-jährige Libanese ist seit einem Jahr und drei Monaten in Deutschland, arbeitet seit zwei Monaten für Tornado und kam von ABB. Dort hatte er so lange und hartnäckig nach einem Praktikum gefragt, dass ABB ihm den Kontakt zu den Kollegen von der Antriebstechnik hergestellt hat. Ismail möchte gerne eine Ausbildung zum Zerspannungsmechaniker machen. „Er arbeitet sehr zuverlässig. Man sieht, wie sorgfältig er mit dem Material umgeht“, sagt Tornado-Geschäftsführer Norbert Mensing. Alaa Ismail, der 17-Jährige mit den schwarzen Haaren, die an den Seiten extrem kurz geschoren sind, der so schüchtern neben Mensing sitzt, verkörpert jenen Typus von Auszubildendem, den sich Mensing wünscht.

Gesucht werden lernwillige Bewerber

Denn das Programm „ME Starter“ hat nicht bloß einen sozialen, integrativen Aspekt. „Es geht hier um auch betriebswirtschaftliche Punkte, das muss man knallhart sagen“, erklärt Mensing. Knallhart sagt Mensing auch, „dass die Qualität der Auszubildenden in den vergangenen Jahren schlechter geworden ist“. Es fehle der Lernwille, es fehle die Bereitschaft, sich auf ein Unternehmen einzulassen, es fehle mithin schlicht die Bereitschaft, sich gut ausbilden zu lassen. Einer wie Ismail sticht da positiv heraus. „Die Betriebe suchen händeringend nach guten Auszubildenden“, sagt Mensing.
Mit den Flüchtlingen, die einen der Plätze erhalten, dürften die Unternehmen wohl keine qualitativen Probleme bekommen. „Diese Menschen sind per se lernwillig“, sagt Amsinck. Ein Problem könnte eher mit den persönlichen Perspektiven den Flüchtlinge entstehen. Denn deren Asylverfahren läuft, sie haben noch keine Zusage, dass sie in Deutschland bleiben dürfen. Allerdings versucht der VME, die Unsicherheit so gering wie möglich zu halten. Deswegen werden für das Programm in den allermeisten Fällen Flüchtlinge berücksichtigt, die eine große Chance haben, nicht abgeschoben zu werden. Sie kommen aus Ländern wie Syrien, dem Irak oder auch dem Libanon wie Ismail.
100 Plätze seien eine realistische Zahl, sagt Amsinck. Der VME ist durchaus darauf vorbereitet, dass die Zahl der geeigneten Bewerber höher wird. „Ich denke schon“, sagt der Verbands-Hauptgeschäftsführer, „dass wir dann flexibel reagieren werden.“ Im Klartext: Die Zahl der Plätze würde dann steigen.

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