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Wirtschaft: Internet-Adressen: Streit um die virtuellen Ländereien

Es war wie im Goldrausch. Als die New Economy im Internet das große Geld entdeckte, wollte plötzlich jeder ein Stück Land.

Es war wie im Goldrausch. Als die New Economy im Internet das große Geld entdeckte, wollte plötzlich jeder ein Stück Land. Gut 350 Millionen Netz-Adressen - nach dem englischen Wort für Grundbesitz treffend "Domains" genannt - wurden weltweit bislang verteilt. Aber Gold-Nuggets fanden nur wenige. Jetzt herrscht eher eine Atmosphäre wie in der Laubenpieper-Kolonie. Wer reich erntet, muss mit dem Neid der Nachbarn rechnen. Der Zoff um die Domains nimmt zu.

Gerichte führen über die Anzahl der Domain-Streitfälle zwar keine Statistik; nach Auskunft von Richtern der zuständigen Kammern an Land- und Kammergericht in Berlin war im letzten Jahr jedoch ein deutlicher Zuwachs an Domain-Prozessen zu registrieren. Und die werden meistens teuer: Allein in erster Instanz sind Verfahrenskosen von mehr als 10 000 Mark möglich.

Oberster Verwalter der virtuellen Ländereien ist die internationale Vereinigung "Icann". Sie vergibt die so genannten "Top-Level-Domains". Das sind Domain-Endungen wie ".com", ".net" oder ".org". Sie kennzeichnen, ob der Inhaber wirtschaftliche Interessen verfolgt oder ob es sich etwa um eine Behörde handelt. Daneben gibt es auch Endungen, die die Landeszugehörigkeit regeln. Darum kümmern sich nationale Vergabestellen. In Deutschland ist es die Denic( www.denic.de ). Auch sie meldete im Februar einen neuen Rekord: die viermillionste ".de"-Domain, immerhin Platz zwei im internationalen Ranking.

Langsam wird es knapp. Der Fantasie für neue Namen sind zwar keine Grenzen gesetzt. Aber Alltagsbegriffe sind endlich. Selbst der "Duden" hat nur rund 200 000 Wörter. Andererseits ist mittlerweile fast jede Firma darauf angewiesen, sich auch über einprägsame Domains zu vermarkten. Angesichts der häufigen Namensgleichheit von Firmen bleiben jedoch für viele keine geeigneten Domains übrig. Das Ausweichen auf andere Endungen wie ".com" oder ".net" führt nicht weiter. Meist sichert der erste Anmelder sie gleich mit. Außerdem geben die Nutzer etwa in Deutschland regelmäßig nur ".de" ein, um ein Unternehmen hier zu Lande aufzuspüren.

Im Streit um die Domains verfügt das Internet über keine eigenen Gesetze. Auseinandersetzungen werden in Deutschland über das Marken- und das Wettbewerbsrecht ausgetragen. Dabei ergeht es der Rechtsprechung oft wie dem Hasen, der mit dem Igel um die Wette läuft. Immerhin, einige wichtige Fragen wurden früh geklärt: Unzulässig ist zum Beispiel das so genannte "Domain-grabbing", also das Sichern populärer fremder Unternehmensnamen wie " Siemens.de ". In dieser Fallgruppe stehen die Gerichte einheitlich auf Seiten der Firmen. Bloße Geschäftemacherei, sagen sie, ist sittenwidrig. Selbst ein Herr Shell, der sich zeitig die Adresse " shell.de " gesichert hatte, verlor gegen den gleichnamigen Konzern (OLG München, Az: 6 U 4557 / 98).

Das Bürgerliche Gesetzbuch sagt zwar eindeutig, dass niemand am Gebrauch seines Namens gehindert werden kann. Doch die Richter argumentieren so: Für die Firmen bestehe ein so bedeutender Image- und kommerzieller Wert an den Domains, dass das an sich legitime Einzelinteresse dahinter zurücktreten müsse. Gleiches gilt übrigens für Städtenamen oder Namen bedeutender Persönlichkeiten. Hier wird man regelmäßig den Kürzeren ziehen.

Im Brennpunkt der Rechtsprechung stehen zurzeit "Gattungsbegriffe" wie " Buecher.de " oder "Mitwohnzentrale.de". Die Meinungen über ihre Zulässigkeit gehen auseinander. Im Fall " Mitwohnzentrale.de " hielt das Oberlandesgericht Hamburg (Az: 3 U 58 / 98) die Wahl der Domain für unzulässig. Andere Mitwohnzentralen würden dadurch an dem Angebot ihrer Dienste gehindert. Anders hat gerade wieder das Landgericht München I zu "Autovermietung.com" entschieden (Az: 4 HK O 13251 / 00). Wenn ein solcher Gattungsbegriff direkt mit dem Produkt oder der Dienstleistung identifiziert werde und viele Nutzer gerade dieses Wort bei ihrer Suche im Internet eingeben würden, finde eine unzulässige Kanalisierung statt. Im Extremfall könnte sie in ein Netz-Monopol münden.

Branchen entwickeln sich schnell

Das ist etwa bei Mitwohnzentralen so. Kaum ein Unternehmen dieser Branche ist in der breiten Öffentlichkeit mit seinem Namen bekannt. Bei Autovermietungen liegt die Sache anders. Hier haben viele Vermieter einen hohen Bekanntheitsgrad. Der Verbraucher wird es im Netz daher eher mit " Sixt.de " oder " Avis.de " versuchen, als nun gerade mit dem Wort "Autovermietung". Die anstehende Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs zu "Mitwohnzentrale.de" wird hier wegweisend sein - und nötig, denn Grenzen werden schwer zu ziehen sein. Branchen entwickeln sich schnell, und mit ihnen große Namen.

Verschärft wird das Problem durch diejenigen, die mit dem Mangel Geld verdienen wollen. Sie sichern sich auf Vorrat die letzten verbliebenen Adressen. Allein die Firma " namezero.com " hält mehr als 500 000 Domains. Das treibt die Preise hoch. Rekordhalter ist die Domain " biz.com ", die im Jahr 2000 zu einem Preis von mehr als zehn Millionen Dollar den Inhaber gewechselt haben soll. Mitbieten kann dabei übrigens jeder. Die bekanntesten Domain-Börsen gibt es natürlich im Internet, etwa bei " sedo.de " oder " deutsche-domainboerse.de ". Der internationale Handel läuft beispielsweise bei " greatdomains.com ".

Der Streit um die Domains wird weitergehen. Der neueste Trend: "Marken-grabbing". Der clevere Geschäftsmann sucht im Internet nach vergebenen Domains, die jedoch keine offiziellen Firmen-, Personen- oder Markennamen sind. Anschließend sichert er sich die gleichlautende Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt. Juristisch trickreich, aber eine kleine Erpressung: Der Marken-Inhaber kann jetzt vom Domain-Inhaber die Herausgabe der Domain verlangen - oder eben die Marke an den Domain-Inhaber verkaufen. Das ist zwar nicht die feine Art, macht das Vorgehen aber nicht unzulässig, sofern das Geschäft nicht sittenwidrige Elemente aufweist. Welche diese Elemente sind, wird der Bundesgerichtshof entscheiden - irgendwann.

Jörg Hennig

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