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Wirtschaft: Internet-Branche: Der Goldrausch im Silicon Valley ist vorbei

Was, so fragen Leute mit unverhohlener Schadenfreude dieser Tage im kalifornischen Silicon Valley, kommt heraus, wenn man Schafe mit Lemmingen kreuzt? Die Antwort: Venture Capitalists - auch VCs genannt.

Was, so fragen Leute mit unverhohlener Schadenfreude dieser Tage im kalifornischen Silicon Valley, kommt heraus, wenn man Schafe mit Lemmingen kreuzt? Die Antwort: Venture Capitalists - auch VCs genannt.

Die Zunft der Wagniskapitalgeber musste sich in den vergangenen Wochen eine Menge Schelte gefallen lassen. Einst gehandelt wie Superstars, die ihren Investoren dreistellige Gewinnmargen bescherten, bekamen auch die VC mit dem Einbruch der New Economy in den USA einen raueren Wind zu spüren. Niemand prophezeit einen totalen Kollaps der Branche. Auch hat sich noch kein VCs an der Sand Hill Road im kalifornischen Menlo Park, wo die bekanntesten und größten Firmen angesiedelt sind, aus dem Fenster gestürzt. Was wegen der zwei- bis dreistöckigen Gebäude, so ulkt Zukunftsforscher Paul Saffo, "auch nicht viel Sinn macht". Dennoch die "Zeit irrationaler Überschwänglichkeit", wie die Wagniskapitalgeberin Ann Winblad die vergangenen Jahre in Anlehnung an ein Wort Alan Greenspans nennt, sind erst einmal vorbei.

Während in den vergangenen drei Jahren neue VC-Firmen wie Pilze aus dem Boden schossen - zwischen 1997 stieg ihre Zahl von rund 500 landesweit auf etwa 725 -, wird 2001 wahrscheinlich die Spreu vom Weizen trennen. Nicht nur werden sich die etablierten Firmen mit geringeren Margen zufrieden geben müssen, neuere und unerfahrenere Firmen werden die Auslese nicht überleben.

Denn es wird für alle schwieriger, Geld bei Investoren - Privatleuten wie Institutionen gleichermaßen - locker zu machen. Während die VCs zuvor einen Milliarden-Fonds nach dem anderen aus der Taufe hoben, und im ersten Quartal 2000 eine Milliarde Dollar pro Woche investierten, machte sich schließlich Ende des dritten Quartals eine gewisse "Knausrigkeit" bemerkbar. Die schlechten Nachrichten an der Börse, das Dot.com-Sterben und eine generelle Unsicherheit über die wirtschaftliche Lage der High-Tech- und Internet-Branche haben dies nur noch verstärkt. Hinzu kommt, dass viele Start-ups ihren Börsengang verschieben mussten, oder gar dank fehlender Anschlussfinanzierung nun verzweifelt nach einem Käufer Ausschau halten, bevor ihnen entgültig das Geld ausgeht. Ein Albtraum für manchen Investor. Allein vergangenen Dezember gingen über 10 000 Arbeitsplätze in der Internet-Industrie durch Pleiten verloren.

Auf der Seite der Risikokapitalgeber wiederum dürften viele VCs den Tag verfluchen, an dem sie fette Schecks für Jungunternehmer unterschrieben, die außer einem cleveren Businessplan weder Produkt noch Profit in Aussicht stellten. Vor allem in der B2C (Business-to-Consumer)-Branche, wo Entrepreneurs mit dem Online-Verkauf von Hundefutter und Humus den Risikokapital-Gebern Reichtümer vorspiegelten, müssen die VCs ihre Investitionen in den Wind schreiben. "Es war total verrückt vor einem Jahr", meint ein Anleger, der die Anonymität vorzieht. "Fast alles wurde finanziert. Es wurde kein Unterschied zwischen guten und mittelprächtigen Investitionen gemacht. Jeder wollte am Goldrausch teilnehmen."

Nicht viel besser sieht es im B2B-(Business-to-Business) Sektor aus. In beiden Branchen rissen sich die Risikokapitalgeber noch vor einem Jahr um jeden Unternehmer. Denn ein satter Gewinn war zumindestens bis Mitte des Jahres garantiert, wenn beim Börsengang die Kurse in den Himmel schossen. Ende des vergangenen Jahres sah es dagegen nicht mehr so lukrativ aus. Nach einer Statistik des "San Jose Mercury News" lag Ende 2000 der Aktienkurs von nur zehn der 87 Start-ups, die in Silicon Valley in den vergangenen zwölf Monaten den Börsengang wagten, über dem Ausgabekurs. Da sich sich die Investoren nun auf "negative Gewinne", sprich Verluste, einrichten müssen, überdenken viele Institutionen, wie Pensionsfonds oder Universitäten, die kräftig in die New Economy investiert haben, bereits ihre Strategie.

Eine Auslese erwarten Beobachter auch unter den Inkubatoren, die junge Unternehmen fördern und ihnen in der Start-up-Phase mit Managementunterstützung, Finanzmitteln und Infrastruktur unter die Arme greifen.

Und wo es Pleiten gibt, lauern auch schon die Geier, die schlingernden Start-ups mit "Rettungsfonds" unter die Arme greifen. Gegen eine substantielle Beteiligung, versteht sich. Diese VCs, auch "Vulture (Geier) Capitalists" genannt, haben die Auswahl: Schätzungsweise 350 Dot.com-Unternehmen sind in Gefahr, die nächsten Monate nicht zu überstehen.

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