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ZUR PERSON: „Jedes Jahr ohne BBI ist ein verlorenes Jahr“

Lufthansa-Bereichsvorstand Garnadt über Zukäufe, unfairen Wettbewerb und den neuen Flughafen in Berlin

Herr Garnadt, verschläft die Lufthansa die neue Übernahmewelle in der Luftfahrt?

Nein. Lufthansa ist durchaus bereit und in der Lage, andere Fluggesellschaften zu kaufen und erfolgreich zu integrieren. Das haben wir schon einige Male bewiesen, sei es bei der Swiss oder bei Air Dolomiti. Für uns ist aber auch klar, dass wir keine finanziellen Risiken eingehen, die unsere erfolgreiche Bilanz gefährden.

Andere sind aktiver, etwa Air Berlin.

Wir sind gut beraten, in dieser sehr zyklischen Industrie Akquisitionsthemen mit Bedacht anzugehen. Wir lassen uns nicht in Abenteuer treiben. Die Konsolidierung wird im Luftverkehr kommen, und wir werden uns auch aktiv beteiligen – aber nur so, dass die Risiken beherrschbar sind. Schauen Sie sich die USA an: Schlecht gemachte Übernahmen können dazu führen, dass auch große Fluggesellschaften vom Markt verschwinden.

Die italienische Alitalia und die spanische Fluggesellschaft Iberia stehen zum Verkauf. Haben Sie keine Angst, dass andere Ihnen die wegschnappen könnten?

Hier ist keine Eile geboten. Aber natürlich ist es immer wichtig, den Markt zu beobachten, vorbereitet zu sein – und zu handeln, wenn es an der Zeit ist. Seien Sie sicher: Das Interesse und die Fähigkeiten auf Seiten der Lufthansa sind da.

Im Zuge von Open Sky, dem neuen Luftverkehrsabkommen zwischen Europa und den USA, werden mehrere europäische Fluglinien mit amerikanischen kooperieren. Was macht der deutsche Marktführer?

Was Delta und Air France jetzt groß verkündet haben, ist mit unserem Partner United Airways seit mehreren Jahren gelebte Praxis. So vermarkten wir zum Beispiel United-Flüge aus London unter einer Lufthansa-Flugnummer.

Was bringt Ihnen das neue Abkommen?

Open Sky erleichtert uns die Zusammenarbeit mit unseren Partnern der Star Alliance, etwa bei der Abstimmung der Flugpläne. Ansonsten warten wir ab, wie sich der Markt hier entwickelt. Die Grundregeln für erfolgreichen Langstreckenverkehr, etwa ein starkes Drehkreuz, werden sich deswegen nicht ändern.

Haben Sie eigentlich Angst vor Wettbewerbern aus dem Nahen Osten?

Wettbewerb sind wir gewohnt, er sollte aber unter gleichen Bedingungen stattfinden. Deswegen lehnen wir auch eine Ausweitung der deutschen Verkehrsrechte für die Fluggesellschaft Emirates ab.

Warum soll die Emirates nicht zusätzlich zu den bisherigen Zielen Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt und München auch Berlin oder Stuttgart direkt anfliegen dürfen?

Es besteht jetzt schon ein Ungleichgewicht. Zusätzliche Flugziele für Emirates würden eine Schwächung deutscher Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften sowie die Umleitung von Passagieren bedeuten. Die Bundesregierung muss sich überlegen, wo sie Arbeitsplätze haben will: in Hamburg, Frankfurt oder Dubai.

Worin besteht das Ungleichgewicht?

Die Fluggesellschaften der Vereinigten Arabischen Emirate verfügen heute bereits über liberalste Verkehrsrechte in Deutschland. Die Flughafengebühren in Dubai betragen ein Zehntel von dem, was wir bezahlen müssen. Unsere Mitarbeiter zahlen Steuern, die der Emirates nicht.

Haben Sie Angst, Emirates macht Ihnen die Preise kaputt?

Wir sind für Wettbewerb, auch mit Emirates, aber unter vergleichbaren, fairen Wettbewerbsbedingungen.

Sie sind für die Planung des Streckennetzes verantwortlich. Worauf konzentrieren Sie sich dabei besonders?

Unser Angebot orientiert sich an den Anforderungen der Geschäftsreisenden. Ziel ist, möglichst Direktverbindungen anzubieten. Für Interkontinentalverbindungen geht dies über unsere Drehkreuze Frankfurt und München mit entsprechenden Zubringerverkehren und dort, wo es sich rechnet, auch nonstop, etwa von Düsseldorf nach New York.

Ist Berlin für die Lufthansa wirtschaftlich uninteressant, oder warum vernachlässigen Sie die Hauptstadt bisher?

Berlin hat in der Tat, verglichen mit München, Frankfurt oder Düsseldorf, einen deutlich geringeren Anteil an Geschäftsreisenden. Aber das ist eine Frage der Zeit. Berlin lebt davon, dass es als Destination extrem attraktiv ist. Heute ist Berlin sehr stark touristisch orientiert, aber mit der Öffnung Osteuropas wird die Hauptstadt auch für Geschäftsreisende gerade der Dienstleistungs- oder IT-Branche interessant werden.

Der Zubringerverkehr ist auch in Düsseldorf nicht riesig – dennoch fliegen Sie ab 2008 von dort aus Langstrecken.

Das Einzugsgebiet von Düsseldorf ist fast so groß wie London und Paris. Da kann man das Risiko eingehen, auch ohne ein großes Zubringersystem Langstrecke zu fliegen. In Berlin unter den heutigen Bedingungen – mit drei Flughäfen und kaum Möglichkeiten zur Bündelung – sehen wir derzeit noch keine Chancen.

Ändert sich das mit dem Flughafen BBI?

Die Entscheidung für BBI ist wichtig und richtig. Ich glaube, dass Berlin perspektivisch – damit meine ich einen Zeitraum von zehn, zwanzig Jahren – eine Weltmetropole werden wird und damit auch ein bedeutender Luftverkehrsstandort.

Wann werden Sie von hier aus Direktflüge in die USA anbieten?

Wann die Zeit reif für Langstreckenverbindungen ab Berlin ist, kann man heute nicht konkret sagen. Nur so viel: Wenn BBI erst zur Verfügung steht, werden wir anders agieren können als heute. Eine gute Infrastruktur zieht auch Geschäfte an. Die Europäische Zentralbank wäre nicht nach Frankfurt gekommen, hätte dort nicht ein Weltflughafen existiert.

Würde Berlin Ihnen durch weitere Verzögerungen zu kompliziert?

Wir müssen akzeptieren, dass in einer Demokratie Planungen dauern. Dennoch rate ich jedem, der in Berlin Einfluss hat, BBI schnell voranzutreiben. Jedes Jahr, das der Flughafen später öffnet, ist ein verlorenes Jahr für die Entwicklung des Luftverkehrs in Berlin.

Mit Air Berlin wächst Ihnen zunehmend starke Konkurrenz heran. Wird es schwieriger, gutes Personal zu bekommen?

Wir haben keine Nachwuchsprobleme: Jährlich gehen fast 100 000 Bewerbungen bei uns ein. Alleine in diesem Jahr haben wir schon 3000 Mitarbeiter eingestellt.

Gilt das auch für Piloten?

Weltweit wachsen die Flugzeugflotten, der Bedarf an Piloten steigt. Aber wir haben keinen Mangel zu verzeichnen.

Das Gespräch führte Juliane Schäuble.

DER MANAGER

Karl Ulrich Garnadt (50) ist seit Januar 2007 Mitglied des Bereichsvorstandes der Lufthansa. In dieser Funktion leitet er das Ressort Service und Personal der Lufthansa Passage Airlines. Der gelernte Luftverkehrskaufmann ist verantwortlich für das Personal am Boden und in der Kabine sowie das Management der Lufthansa-Drehkreuze Frankfurt, München und der dezentralen Flughäfen, darunter Berlin.

DAS UNTERNEHMEN

Die Deutsche Lufthansa ist Marktführer in Deutschland und die drittgrößte Fluggesellschaft in Europa. Das Unternehmen mit Sitz in Köln beförderte 2006 rund 53 Millionen Menschen weltweit. Tsp

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