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Höher, schneller, weiter. Laufwettbewerbe wie der 32. Berliner Halbmarathon, der heute in der Hauptstadt stattfindet, werden bei Freizeitsportlern immer beliebter. Die Sportartikelhersteller stellen sich auf den Trend ein.

© picture alliance / dpa

Joggen, Walken und Marathon: Für die Sportindustrie läuft es gut

Die Deutschen sind laufbegeistert wie nie. Sportartikel-Hersteller wollen die Freizeitsportler mit neuen Trends und Produkten bei Kauflaune halten.

Wenn Gerald Liese an diesem Sonntag den Startschuss zum 32. Berliner Halbmarathon hört, ist er Teil eines milliardenschweren Geschäfts. „Schuhe, Jacke, Hose, mehr brauche ich eigentlich nicht zum Laufen“, sagt der 48-Jährige. Doch um die Startnummer und das T-Shirt vor dem Start abzuholen, wurden er und die anderen 27 999 angemeldeten Halbmarathonläufer einmal quer über die Messe Berlin Vital auf dem Flughafen Tempelhof geschickt - vorbei an Koffein-Gel aus der Tube, durchblutungsfördernden Strümpfen und pinkfarbenen Trinkflaschengürteln.

Ihre potenziellen Kunden so mit der Nase auf ihre Produkte zu drücken, hat die Laufindustrie dabei gar nicht nötig. Im Segment Laufen und Nordic Walking haben die Sportfachhändler ihren Umsatz laut einer GfK-Studie im vergangenen Jahr um zehn Prozent gesteigert. Und das, obwohl die Sportartikelbranche 2011 im Gesamtbild mit einem Umsatzrückgang von fünf Prozent schwächelte.

Als Nike Ende März ein überraschend gutes Quartalsergebnis vorstellte, freute sich der Sportartikel-Riese vor allem über die Laufsparte: Sie habe in den vergangenen acht Quartalen zweistellige Wachstumsraten geschafft. Beim Marktführer Asics wuchs das Laufschuh-Segment von Januar bis September 2011 um 21 Prozent. Auch der Sportschuh-Spezialist Runners Point vermeldete für 2011 eine Umsatzsteigerung von 12,9 Prozent auf 166 Millionen Euro; 20 bis 30 neue Filialen sind für dieses Jahr geplant. Und unter dem Label Laufexperten sollen in den nächsten fünf Jahren deutschlandweit 30 bis 40 neue Spezialläden entstehen.

Die Branche profitiert davon, dass immer mehr Leute die Laufschuhe schnüren. Zudem versteht sie es, die Kunden mit neuen Trends bei Laune zu halten.

„Die Menschen werden immer älter, sie wollen fit bleiben und Herz-Kreislauf trainieren“, sagt Klaus Jost, Chef des Sporthändler-Verbunds Intersport. Rund eine Milliarde Euro Umsatz mache der deutsche Laufsportmarkt inklusive Nordic Walking derzeit im Jahr. „Und die Verkaufszahlen steigen“, sagt Jost. In den letzten zehn Jahren sei der Umsatz mit Laufschuhen um 50 Prozent gestiegen.

Die Hemmschwelle, in den Sport einzusteigen, liegt niedrig: Mehr als ein Paar Schuhe braucht es nicht. Jeder kann überall joggen, ohne Geräte, Öffnungszeiten oder Eintrittsgelder. Seit 2004 machen immer mehr Menschen bei Laufwettbewerben mit. „Wir haben jedes Jahr mehr angemeldete Teilnehmer bei den Volksläufen“, sagt Eberhard Vollmer vom Deutschen Leichtathletik Verband. Die Startplätze für den Berliner Halbmarathon waren bereits Mitte Januar alle vergeben.

Neue Trends und Produkte halten die Sportler bei Kauflaune.

Eine vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie der Universität Mainz kommt zu dem Ergebnis, dass ein Viertel der Bevölkerung über 16 Jahren zumindest ab und zu laufen geht. Durchschnittlich 180 Euro im Jahr legt jeder dieser Läufer laut Befragung im Jahr für seinen Sport hin, ob für Schuhe, Kleidung, Startgebühren oder Fahrtkosten zu Wettbewerben. Hochgerechnet kommt die Studie so auf mehr als 3,2 Milliarden Euro, die jährlich in Deutschland rund um das Laufen ausgegeben werden. 77,6 Milliarden Euro sind es für Sport insgesamt.

Dabei sind die 180 Euro nur ein Durchschnittswert. Kathy Jackszis läuft seit fünf Jahren Marathon, rund 400 Euro gibt sie jährlich dafür aus. „Ich kaufe ungefähr zwei Paar neue Laufschuhe im Jahr“, sagt die 45-Jährige. Auf der Messe Berlin Vital hat sie sich an einem Stand von einem Schnürsystem überzeugen lassen, das verspricht, in Sportschuhe wie in Pantoffeln schlüpfen zu können. „Das will ich mal ausprobieren“, sagt Jackszis. Mit ihren schmalen Füßen habe sie Probleme, Schuhe richtig fest zu binden. Die Industrie hat eine Lösung parat.

Mit neuen Trends versteht es die Branche, ihre Umsätze zusätzlich zu steigern. Der letzte Coup gelang den Laufschuhherstellern mit den sogenannten „Natural Runnern“: extrem leichte Schuhe mit dünnen Sohlen. Durch die fehlende Dämpfung wird ein natürlicherer Laufstil gefördert. Nike machte 2004 mit dem Modell „Free“ den Anfang. Mittlerweile haben alle großen Hersteller eine entsprechende Reihe im Sortiment.

Viele Läufer nutzen die leichten Schuhe, um ohne stützende Polsterung ihre Fußmuskeln zu trainieren. Längere Strecken bestreiten sie dann in den dicksohligeren Modellen. „Natural Runner werden als Zweitschuh gekauft“, sagt Klaus Jost von Intersport. Auf zehn Prozent schätzt er ihren Anteil am Umsatz der Hersteller. „Das hört sich wenig an, aber wenn man noch vor fünf, sechs Jahren bei null war, ist das eine Menge“, sagt Jost. Und vor allem: „Der Umsatz kommt ’on top’ und nicht ’anstatt’.“

Bei Adidas will man auch in diesem Jahr verstärkt auf leichte und flexible Schuhe setzen. „Wir erleben den Trend, dass immer mehr Athleten und Sportbegeisterte eher minimalistische Produkte bevorzugen, die den natürlichen Bewegungsablauf des Körpers unterstützen“, heißt es im Geschäftsbericht. Der im vergangenen Jahr eingeführte „adipure Trainer“, ein sockenähnlicher Gummischuh, soll zur Reihe erweitert werden.

Bei Puma sieht man den neuen Schuhtrend als Chance, das Laufsegment zu stärken. 2011 hatte das Unternehmen mit der „Faas“-Kollektion eigene Leichtgewichte auf den Markt gebracht. In den vergangenen Jahren ist das Unternehmen verstärkt zur Lifestyle-Marke geworden. Mit Natural Running habe man einen Trend gefunden, der auch für Puma gut funktioniert, heißt es.

Das mag auch daran liegen, dass diese Schuhe oft in leuchtenden Farben hergestellt werden. Viele Käufer greifen zu für den Hingucker am Fuß. Ob sie am Ende auch damit auf die Laufstrecke gehen, zählt für die Branche nicht. Der Umsatz steigt trotzdem.

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