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Wirtschaft: Kampf um Duty-Free

DÜSSELDORF .Gerhard Schröder hat sein Ohr am Volk.

DÜSSELDORF .Gerhard Schröder hat sein Ohr am Volk.Es könne nicht angehen, sagte der neue Kanzler vergangene Woche, "daß EU-Diplomaten zollfrei einkaufen können, aber der Oma ihre Butterfahrt genommen wird".Deshalb werde er sich für den Erhalt der Duty-Free-Regelung in Europa einsetzen.Die Sprecherin des Brüsseler Steuerkommissars Mario Monti stellte zwar eilig klar, daß die Begünstigung der Diplomaten, die auf die internationale Konvention von Wien zurückgeht, und die Abschaffung des Duty-Free-Handels in der EU zum 1.Juli 1999 "überhaupt nichts miteinander zu tun haben".Doch gibt diese neue, etwas klassenkämpferisch gefärbte Debatte der Duty-Free-Lobby Auftrieb.Der deutsche Verband verweist darauf, daß sich auch der französische Regierungschef Lionel Jospin für eine Fortsetzung von Duty-Free (DF) einsetze, genauso wie die Regierungen von Irland, Belgien, Spanien und Griechenland.

Doch diese Unterstützung wird der DF-Branche wohl nichts mehr nützen.Denn die Initiative für eine Verlängerung des Steuerprivilegs müßte von der EU-Kommission ausgehen.Der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister könnte Brüssel zwar auffordern, die Initiative zu ergreifen.Dazu wäre aber Einstimmigkeit nötig, und die ist nicht zu erwarten.

Die Kommission vertritt in dieser Sache ohnehin eine klare ordnungspolitische Position: Beim steuerfreien Einkauf - vor allem Spirituosen, Tabakwaren und Parfums - handele es sich um versteckte Staatsbeihilfe, die zu Wettbewerbsverzerrungen führe.Das Geld sollte in gezielte Beschäftigungsinitiativen gesteckt werden.Die Branche müsse ihre Verkaufsstrategie ändern.Dazu habe sie genug Zeit gehabt.

Das ist richtig.Schon 1991 wollten die EU-Finanzminister Duty Free abschaffen - zum Beginn des Europäischen Binnenmarktes 1993.Doch auf Drängen der Lobby und der EU-Parlamentarier gestanden sie der Branche eine großzügige Übergangszeit zu.

Ab 1.Juli kommenden Jahres werden diese Vergünstigungen voraussichtlich Geschichte sein: Im DF-Laden im Flughafen muß der Kunde bislang keine Verbrauchsteuern auf Alkohol und Tabakwaren zahlen, kauft er im Flugzeug, entfällt zusätzlich auch noch die Mehrwertsteuer.Für Reisende mit Ziel außerhalb der EU sollen diese Vergünstigungen erhalten bleiben.Mit den Prinzipien des Binnenmarktes sind sie laut Brüsseler Kommission und vielen Fachleute nicht vereinbar.Die alten Steuerbefreiungen im Reiseverkehr sind nur bei Überschreitung von Steuergrenzen sinnvoll.Die Ausfuhr wird danach nicht besteuert, nur die Einfuhr.So werden Doppelbesteuerungen vermieden.Innerhalb eines Binnenmarktes aber gibt es keine Ein- und Ausfuhren.

Dagegen meint die DF-Lobby, einen steuerlichen Binnenmarkt gebe es in Europa nicht.Allein bei der Mehrwertsteuer existierten über 200 Ausnahmen.Wenn Brüssel Duty Free dennoch abschaffe, seien EU-weit 140 000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt in Gefahr, in Deutschland 10 000, davon 5700 in den Küstenländern.Die Ausflugstouristik auf der Nord- und Ostsee würde eingestellt, die Flughäfen müßten die Start- und Landegebühren anheben, weil ihnen Pachteinnahmen der DF-Shops fehlten.Deshalb würden Charterflüge um 5 bis 10 Prozent teurer.Hinzu komme der Umsatzverlust.DF setzt allein in Deutschland 1,5 Mrd.DM um.Der normale Einzelhandel würde hingegen keinen neuen Arbeitsplatz schaffen.

Beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels räumt man ein, daß die regulär zu versteuernden Geschäfte nicht alle gestrichenen Jobs in DF-Läden ausgleichen könnten.Erst jetzt gebe es Ansätze für eine Umstrukturierung, etwa Fabrikverkäufe auf Fähren oder noch mehr exklusive Händler im Frankfurter Flughafen, die genauso hohe Mieten zahlten wie DF-Geschäfte.Daß an der deutschen Küste wenig passiert ist, um den Verlust beim DF-Handel auszugleichen, gibt man im Kieler Wirtschaftsministerium zu.Schleswig-Holstein und seine Nachbarn wollten "alle Register ziehen, um eine Verlängerung zu erreichen".

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