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KARRIERE Frage: an Jürgen Hesse Büro für Berufsstrategie

Wie kann man Chefs abwehren?

Ich arbeite als Assistentin der Geschäftsführung in einem mittelständischen Berliner Unternehmen und habe ein großes Problem. Mein Chef kommt mir körperlich zu nah. Er stellt sich oft dicht vor mich, um mir Anweisungen zu geben oder legt mir die Hand auf die Schulter. Ich habe ihn bereits deutlich darauf hingewiesen, dass ich das nicht mag. Aber es wird eher schlimmer als besser. Was kann ich tun?

Unterhalb eines Meters Abstand beginnt unsere Intimsphäre. Wer sich in diese begibt, muss schon einen guten Grund haben, so lässt sich das etwa beim Fahrstuhl fahren nicht vermeiden, was auch deshalb viele als äußerst unangenehm erleben. Weitaus stärkere Empfindungen löst die direkte körperliche Berührung aus. Händeschütteln geht noch. Und schon dabei ist die Nähe, das Heranziehen und länger als drei Sekunden festhalten oder schütteln eine Grenzüberschreitung, die als unangemessen, schnell als zuwider erlebt wird.

Es gibt Situationen im Arbeitsleben, da steht man notgedrungen dichter beieinander (zum Beispiel bei Ansprachen oder Feiern). Das was Sie beschreiben, hat jedoch nichts damit zu tun. Hier versucht Ihr Chef, Sie zu dominieren oder – so wie Sie es beschreiben und erleben – sich Ihnen bewusst sexuell zu nähern. Diese massive Annäherung ist eine Form der sexuellen Belästigung, der Einhalt geboten werden muss. Nur wie? Wehret den Anfängen: Wenn Sie sich hier nicht klar genug abgrenzen, deutlich Nein sagen und Ihr Missfallen äußern, werden Ihre Probleme eher größer.

Nun berichten Sie, das bereits getan zu haben, ohne Erfolg. Und auch ein Anschreien und das Wegschlagen der Hand wird Sie womöglich vor neuen Attacken nicht schützen. Der nächste Schritt wäre zum Vorgesetzten Ihres Vorgesetzten zu gehen, um in sachlicher, klarer Form Beschwerde vorzutragen. Eine andere Variante ist es, den Betriebsrat einzuschalten. Vielleicht bekommen Sie auch von dieser Seite Unterstützung. Natürlich wäre es gut, Sie hätten Zeugen für diese Vorfälle. Vielleicht bekommen Sie sogar heraus, dass andere Mitarbeiterinnen vor Ihnen auch schon dieses Problem mit dieser Person gehabt haben. Das könnte Ihre Ausgangssituation stärken.

Falls nicht, sollten Sie sich überlegen, einen Anwalt Ihres Vertrauens zu beauftragen und – so leid es mir tut, Ihnen das in aller Klarheit sagen zu müssen – sich schon mal nach einem neuen Job umzuschauen. Denn so bitter es für Sie klingen muss, die Situation ist schwierig und Ihre Position äußerst schwach, es sei denn andere Betroffene oder Beobachter der Situation sind bereit, entsprechend auszusagen. Dies gilt besonders dann, wenn es keine Chefs über Ihrem jetzigen gibt.

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Redaktion.Beruf@tagesspiegel.de

an Jürgen Hesse

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