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Weiterbildung: Die Welt im Blick

Manager, die auf nachhaltiges Wirtschaften setzen, können sich das nötige Know-how in Weiterbildungskursen aneignen. Das kostet – macht sie aber zu gefragten Experten

Der schwedische Textilhersteller H&M bietet inzwischen Kleider aus Bio-Baumwolle an, Tengelmann schraubt energiesparende Leuchten in seine Regale, Daimler und Coca-Cola werben mit dem Siegel „Fair Company“ um Mitarbeiter.

Es ist in der Wirtschaft längst angekommen, dass umweltschonendes, soziales Handeln und wirtschaftlicher Erfolg sich nicht ausschließen. Zahlreiche Studien belegen vielmehr das Gegenteil: Es werden weniger Ressourcen verbraucht die Kosten gesenkt. Die Reputation eines Unternehmens und damit auch dessen Wettbewerbsfähigkeit steigt – und am Ende steht sogar mehr Gewinn und ein höherer Unternehmenswert. Angeschoben wird der Prozess dadurch, dass auch Verbraucher, Großanleger und Kreditgeber immer lauter fordern, was in der Fachsprache „Corporate Social Responsibility“ (CSR) heißt: Firmen sollen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.

Unternehmen, die mit Nachhaltigkeit dagegen wenig im Sinn haben, gehen beträchtliche Risiken ein. Das zeigten etwa die Rückrufaktionen des Spielzeugherstellers Mattel für Millionen von Produkten, die bei chinesischen Zulieferern mit giftigen Materialien hergestellt wurden. Die US-Bekleidungskette Gap hatte Waren vom Markt nehmen müssen, als herauskam, dass sie in Kinderarbeit in Indien hergestellt worden waren.

Stefan Schaltegger ist seit langem davon überzeugt, dass ökologisch und sozial agierende Firmen auf lange Sicht die besseren Karten haben. Vor sieben Jahren gründete der Professor an der Universität Lüneburg den weltweit ersten MBA-Studiengang „Sustainability Management“. Damit wollte er ein Grundproblem lösen: „Studierende der Wirtschaftswissenschaften entwickeln in einem Wahlfach natürlich eine Ahnung von Nachhaltigkeit. Aber das reicht nicht, um in der Praxis etwas zu verändern“, sagt er. Absolventen der klassischen Umweltstudiengänge wiederum hätten Schwierigkeiten, in Manager-Positionen zu gelangen.

Der Studiengang richtet sich an Führungskräfte mit einem ersten Hochschulabschluss und mindestens zwei Jahren Berufserfahrung. Innerhalb von vier Semestern kann er berufsbegleitend absolviert werden. Im Vollzeitstudium dauert er zwei Semester. Neben dem betriebswirtschaftlichen Rüstzeug eines Managers und Softskills lernen die Teilnehmer anhand von Fallbeispielen, Nachhaltigkeitskonzepte zu entwickeln und wie man sie in Unternehmen umsetzt. Dazu braucht es oft großer Überzeugungskraft. Daher wird im Studium viel Wert auf die Vermittlung rhetorischer Fähigkeiten gelegt. Der überwiegende Teil des Stoffs wird im Fernstudium erlernt, fünf- bis achtmal im Jahr finden Präsenzveranstaltungen statt.

Als sich die Politologin Anja Rawe vor sechs Jahren als eine der ersten für den Studiengang bewarb, fürchtete die Berlinerin zunächst, dass sie dabei vor allem auf „weltfremde Idealisten“ treffen würde. Doch die Sorge war unbegründet. „Die Teilnehmer kommen aus den unterschiedlichsten Richtungen“, berichtet der Vorsitzende des Lüneburger Alumni-Clubs, Hans-Albrecht Wiehler. Von Naturwissenschaftlern, Soziologen und Architekten über IT-Experten bis hin zu Volkswirten reiche das Spektrum. Sogar Theologen und Theaterwissenschaftler seien darunter. Sie alle verbindet das Interesse für ökologische und soziale Belange. Dennoch sehen sie sich nicht als „Gutmenschen“. Eher als Realisten, die auf einen Markt mit Zukunft setzen. Bisher haben sich 350 Interessenten für den Studiengang eingeschrieben. Die meisten sind zwischen 30 und 45 Jahre alt. Die Kosten schrecken sie nicht ab. Insgesamt fast 12 000 Euro müssen die angehenden Weltverbesserer für das Studium zahlen. Immer öfter würden Unternehmen ihre Mitarbeiter finanziell unterstützen, sagt Professor Schaltegger.

Der Wille zu mehr Nachhaltigkeit sei häufig da, allerdings mangele es vielen Entscheidungsträgern an dem richtigen Know-how, um ökologische und soziale Aspekte effizient zu managen, sagt die Politologin Rawe. Wie zum Beispiel kann sichergestellt werden, dass in der langen Herstellungskette einer Ware alle Beteiligten zu fairen Bedingungen arbeiten? Oder dass anfallende Chemieabfälle am Produktionsstandort in Fernost nicht einfach im Meer verklappt werden? Wer koordiniert die gesellschaftlichen Engagements innerhalb einer Firma? Und wie kann der Produktionsprozess so optimiert werden, dass Emissionen reduziert und Ressourcen geschont werden? Das sind nur einige der Fragen, mit denen sich Nachhaltigkeitsmanager befassen.

Anke Steinbach schloss den MBA im Jahr 2007 ab. „Ich merkte damals, dass es in diesem Bereich noch sehr viel Wissens- und Erklärungsbedarf gibt“, sagt die selbstständige Unternehmensberaterin. In den letzten Jahren habe ihr Arbeitsgebiet enorm an Bedeutung gewonnen. Zu ihren Kunden zählen große Unternehmen wie der Ölkonzern BP Deutschland und der Telefonanbieter o2. Für die europaweite Einführung von Kleidung aus Bio-Baumwolle in den Läden der Textilkette C&A erarbeitete sie ein umfassendes Kommunikationskonzept für Kunden, Medien, Nichtregierungsorganisationen und Mitarbeiter.

In vielen Firmen werden Aspekte der Nachhaltigkeit nicht systematisch in die Unternehmensstrategie und die Geschäftsprozesse integriert. Meist sind Aktivitäten zur ökologischen und sozialen Verantwortung planlos auf mehrere Abteilungen verteilt. Hier ergeben sich neue Berufschancen. „Je nach Branche und Unternehmen können entsprechende Kenntnisse einen Karrieresprung bedeuten“, sagt Schaltegger. „Viele Unternehmen sind froh, wenn sie über Fachkräfte verfügen, die in diesem relativ neuen Bereich kompetent sind.“

Sina Tschacher

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