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Jobs im Politikbetrieb: Aus der zweiten Reihe

Parteien, Ministerien und Lobbyistenverbände bieten in Berlin spannende Jobs.

Am heutigen Wahlabend werden wie üblich die Spitzenkandidaten der Parteien ins Rampenlicht treten und die Hochrechnungen kommentieren. In den Parteizentralen sieht man dann jubelnde oder niedergeschlagene Wahlhelfer, die gebannt der Übertragung folgen. Doch die Eindrücke, die Fernsehkameras auf die Bildschirme bringen, liefern kaum eine Vorstellung davon, was das politische Tagesgeschäft vor allem ausmacht: dem ständigen Abgleich einer Vielzahl von Interessen.

Einer, der weiß, wie es läuft, ist David Simon. Der 31-Jährige leitet das Büro des Parteivorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir, und ist einer von rund 2100 Beschäftigten, die in den Berliner Büros der deutschen Parlamentarier tätig sind. Als Strategen, Schreibkräfte, Sekretärinnen oder wissenschaftlicher Mitarbeiter halten sie den Politkbetrieb in Gang.

Doch nicht nur in den Parteien wird Politik gemacht. Auch in den Ministerien und Lobbyistenverbänden arbeiten Tausende von Mitarbeitern an politischen Themen. Die Berufsbilder sind vielfältig, genauso wie die Ausbildungswege, die dort hinführen. Die Chancen, hier mitzumischen, sind in der deutschen Hauptstadt besonders gut. Und: Nach der Wahl dürfte es wieder Bewegung geben auf dem Arbeitsmarkt des Polit-Business.

David Simon ist so etwas wie die rechte Hand von Cem Özdemir. Er schreibt Reden, plant Veranstaltungen, macht die Pressearbeit und bereitet Gremiensitzungen vor. Bei der Bundestagswahl tritt Özdemir als Direktkandidat für den Wahlkreis Stuttgart an, Simon sitzt für ihn im Wahlkampfstab der Grünen. In der zweiten Reihe fühlt er sich wohl, sagt er. Er ist direkt daran beteiligt, wenn die Partei ihr Programm entwickelt. Besonders reizvoll sei die schnelle Kommunikation, gerade in Wahlkampfzeiten: „Ein Thema kommt auf, wir reagieren darauf und entwickeln die grüne Antwort. Oder wir setzen selbst etwas auf die Agenda. Darauf reagieren dann die politischen Gegner und die Medien.“

Ein solcher Job erfordert ein hohes Maß an Belastbarkeit und Flexibilität. Die meisten von Simons Kollegen sind denn auch nicht viel älter als 30. „Trotzdem sollte man eine gewisse politische Erfahrung besitzen, sollte die Partei kennen oder vorher zumindest schon einmal reingeschnuppert haben“, sagt er. „Ein Parteibuch zu haben ist keine Pflicht. Eine starke Identifizierung mit den Inhalten der Grünen sehr wohl.“ Dass er mitten in der Politik landen würde, war Simon vor wenigen Jahren noch nicht klar. Der Job als Wahlkämpfer war eigentlich nur als Ausgleich zu seiner Promotion in Geschichtswissenschaft gedacht. Doch Özdemirs Vorgänger Reinhard Bütikofer erkannte sein strategisch-planerisches Talent – und machte ihn kurzerhand zum Büroleiter.

Auch die Bundesministerien bieten Karrierechancen. Für gut ausgebildete, junge Akademiker ist vor allem eine Laufbahn im höheren Dienst interessant. Hier sind nahezu alle Fachrichtungen vom Juristen bis zum Geistes- oder Naturwissenschaftler vertreten. Insgesamt 20 000 Referenten sind in den Ministerien in Berlin und Bonn beschäftigt. Beamtenstatus und Einstiegsgehälter um die 40 000 Euro locken eine Vielzahl von Interessenten an, die Auswahlverfahren sind entsprechend anspruchsvoll.

Sehr begehrt ist etwa eine Laufbahn im höheren Auswärtigen Dienst. Jährlich bewerben sich 1500 Akademiker für die 14-monatige Attaché-Ausbildung, die zum Einsatz in aller Welt befähigt. Wer in die engere Auswahl kommt, wird auf Kenntnisse in Völker-, Europa- und Staatsrecht, Wirtschaftswissenschaften, Geschichte und Politik geprüft, auf sehr gute Englischkenntnisse sowie Kenntnisse in einer weiteren Sprache der Vereinten Nationen. Zum Auswahlverfahren gehört auch ein psychologischer Test, denn nicht jeder ist dafür gemacht, einen Großteil seines Berufslebens auf häufig wechselnden Posten im In- und Ausland zu verbringen, mal in New York, in Kabul oder in der Berliner Zentrale.

„Ganz wichtig sind Flexibilität, Versetzungsbereitschaft und interkulturelle Kompetenz“, sagt Jutta Wolke, die Leiterin der Akademie Auswärtiger Dienst. „Klima, Sicherheitslage und Gesundheitsversorgung entsprechen in vielen Ländern nicht den deutschen Standards. Darauf muss man sich einstellen können.“ Zwischen 35 und 45 Bewerber würden jährlich für die Attaché-Ausbildung zugelassen. Die Jungdiplomaten wohnen und lernen im altehrwürdigen Rahmen: auf dem Gelände der Villa Borsig auf der Halbinsel Reiherwerder im Tegeler See.

Neben Parteien, Ministerien, Bundestag und Berliner Abgeordnetenhaus gibt es für Politikinteressierte auch die Möglichkeit, in Lobbyistenverbänden mitzumischen. Etwa 2000 sind in der Hauptstadt aktiv, dazu eine Vielzahl von Anwälten und PR-Beratern. Ihr Einfluss auf die Politik wird oft kritisch beurteilt – zu Unrecht, findet Astrid von Rudloff, Deutschland-Chefin der PR-Agentur Weber Shandwick. „Politik ist so komplex geworden, dass sie den Menschen besser erklärt werden muss.“

Mit den steigenden Anforderungen habe sich die Branche professionalisiert, so von Rudloff. Für Berufseinsteiger sei es weniger das klassische, auf persönlichen Kontakten basierende Lobbying, das Karrierechancen biete. Für die breit angelegten Polit-Kampagnen, die die Agentur primär im Auftrag von Unternehmen, Verbänden und auch Organisationen durchführt, würden eher Leute mit guter Allgemeinbildung, strategischem Talent und einem sicheren Gespür für gesellschaftliche Veränderungen gesucht. „Dafür muss man nicht unbedingt Politik studiert oder bei einem Abgeordneten gearbeitet haben“.

Berufseinsteiger absolvieren bei Weber Shandwick zunächst ein 15-monatiges Volontariat. Das Berliner Team hat seinen Sitz in der Kulturbrauerei und ist in so unterschiedlichen Themenbereichen wie IT, Energie, Verbraucherschutz, Ernährung, Bildung, Familie und Gesundheit tätig. Wer hier mit seiner Arbeit politisch etwas verändern will, braucht einen langen Atem. Diese Eigenschaft sollte allerdings jeder besitzen, der im Berufsfeld Politik tätig werden will.

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