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Verglüht. Wer immer wieder Namen, Telefonnummern oder Unterlagen vergisst, macht etwas falsch. Foto: ddp

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Gedächtnistraining: So geht Ihnen ein Licht auf

Ab Mitte 20 wird es schwerer, Fakten zu behalten. Mit Merktechniken und Konzentration lässt sich das Erinnerungsvermögen verbessern

Eben auf dem Flur, der mit den dunklen Haaren aus der Rechnungsabteilung, das war doch ... Leere, keine Idee, einfach vergessen, den Namen von dem Kollegen, der einem gestern erst vorgestellt wurde. Typisch ist das, sagen die Experten. „Erinnern ist immer mit Emotionen verknüpft“, erklärt Hans Georg Nehen, Vorsitzender des Bundesverbandes Gedächtnistraining. Zum Beispiel könne fast jeder die Frage, wo er am elften September 2001 gewesen ist, spontan beantworten. „Die Menschen sind betroffen über die Terroranschläge, negative Ereignisse vergessen wir nicht so leicht“, sagt er.

Die meisten Gedächtnisschwächen hätten ihre Ursache in Aufmerksamkeitsdefiziten und Konzentrationsstörungen. „Viele nehmen einen Namen gar nicht bewusst wahr, und schon ist er weg“, sagt Ulrich Bien, der Autor des Ratgebers „Einfach. Alles. Merken.“ Heutzutage müssten Menschen mit einer großen und ständigen Informationsflut klarkommen, die Anforderungen und Ablenkungen hätten zugenommen. Beispiel: Eine Präsentation muss vorbereitet, nebenher Telefonate geführt und auf E-Mails reagiert werden – „vieles auf einmal erledigen zu wollen, geht nicht“, sagt Nehen. So werde man unkonzentriert und vergesse Dinge oder gerade erhaltene Informationen. Stattdessen solle man gezielt seine Aufmerksamkeit auf eine Aufgabe lenken, Prioritäten setzen und die Konzentration wahren. Wird man abgelenkt, können Listen helfen. Gleiches gelte beim Lernen.

Seit 20 Jahren beschäftigt Nehen sich mit dem Merken und Vergessen. Auch der 61-Jährige hat Probleme damit, Namen zu behalten, gibt er zu. Aber mittlerweile hätte er, der Leiter der Klinik für Geriatrie und der Memory-Clinic des Elisabeth-Krankenhauses in Essen, seine eigene Strategie, um Namen nicht sofort wieder zu vergessen. Denn es ist trainierbar, das Gedächtnis, allerdings nicht pauschal für jeden mit den gleichen Merktechniken.

Eine richtige Methode gibt es nicht, jeder muss für sich selbst herausfinden, welche Strategien und Eselsbrücken funktionieren. Das kann schon am Schreibtisch anfangen: Reicht es mir schon, Post-its an den Bildschirm zu kleben, um mich an etwas zu erinnern? Auch hier betont Nehen wieder: „Das ist individuell sehr unterschiedlich – jedes Gehirn ist anders.“

Trotzdem liefern die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Gehirn und Gedächtnis allgemeine Anhaltspunkte. Junge Menschen können sich Details sehr gut merken und schneller von einer Situation auf eine andere umstellen. Mit Mitte 20 nimmt diese Fähigkeit ab, man sieht mehr das große Ganze, hat einen reicheren Erfahrungsschatz und ist besser im strukturellen Denken – aber Details werden vergessen oder gar nicht aufgenommen. Wichtig ist aber, diese Fähigkeit nicht zu vernachlässigen, sondern stets zu trainieren. Nach einem Seminar oder durchgelesenen Ratgeber ist die Gedächtnisarbeit also nicht zu Ende, sondern hat gerade erst angefangen. Beim Verfestigen helfe auch Sport: „Kombiniert mit Bewegung wird das Erinnern noch besser“, sagt Nehen. Auch Schlaf solle wirken: Nach dem Lernen ohne neue Reizaufnahme ins Bett gehen – das neue Wissen werde so im Gedächtnis langfristig gespeichert.

Es gibt viele Möglichkeiten, die Gedächtnisleistung zu verbessern, ob Seminare, Computerspiele oder Ratgeberbücher. Gerade was Letzteres angeht, ist Nehen allerdings skeptisch: Bevor jemand so etwas durcharbeite, weil demnächst wieder eine Prüfung, Fortbildung oder Präsentation anstehe und man immer so schlecht alles behalten könne, halte er es für effektiver, sofort mit dem Lernen anzufangen. Geht es wieder schief, könne man danach seine Merktechniken hinterfragen und dort ansetzen. Unspezifisch Erinnerungsstrategien zu studieren sei eher nicht wirksam. Stattdessen rät er: „Am Anfang sollte immer eine Analyse stehen, was will ich verbessern, wo sind meine Stärken und Schwächen beim Lernen oder behalten von Informationen“, rät Hans Georg Nehen.

An solch einer Analyse erkenne man auch seriöse Gedächtnistrainer, die mit wissenschaftlichen Hintergründen Kurse anböten. Wer auf Nummer Sicher gehen will, kann sich über den Bundesverband Gedächtnistraining über Seminarleiter informieren. Der Verein bietet auch Kurse an und bildet aus. Vorsicht sei geboten bei völlig überteuerten Kursen – die Qualität sei nicht am Preis messbar.

„Die Gruppe muss klein und homogen sein, damit ein einheitliches Ausgangsniveau da ist“, sagt der Klinikleiter. In der Gruppe lerne es sich außerdem leichter und effektiver. Der Grund sei das Gemeinschaftserlebnis, das motiviere und man fühle sich wohler als vielleicht alleine mit Spiel oder Ratgeber.

Allerdings ist so ein Training nur sinnvoll, wenn es Spaß macht. „Es ist wesentlich leichter, sich Paragraphen oder Vokabeln zu merken, wenn es nicht langweilig oder lästig ist“, sagt Nehen. Positive Emotionen sind die wichtigsten Verstärker beim Erinnern. Auch Autor Bien appelliert daran. Er gibt seinen Seminarteilnehmern – vorwiegend Führungskräfte und Unternehmer – oft die Aufgabe, sich 30 Farben zu merken. In der Regel klappe das nicht gut. Mit Angst oder Widerwillen im Kopf hätte man große Mühe, die Informationen tatsächlich zu behalten. Oder mit der falschen Strategie. Panische Angst lähmt. „Nach dem Training gehen die Teilnehmer anders an die Aufgabe ran, weil sie gelernt haben, wie sie sich so etwas besser merken können“, sagt Bien.

„Es muss einem wichtig sein, die Sachen zu erinnern“, bringt es der Klinikleiter Nehen auf den Punkt. Hilfreich sei es, sich die Ziele vor Augen zu halten, warum ist das Erinnern so bedeutsam, was bringt es einem am Ende. Damit stärke man die Emotion und die Motivation, und das Behalten gelinge besser. Bien rät, generell bewusster durchs Leben zu gehen, sich immer wieder anzuregen und auf das Nichtwissen im Alltag aufmerksam zu machen. Und die Übungen zu variieren, um sich nicht zu langweilen.

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DAS PROBLEM:

Jedes Gehirn ist anders, eine richtige Methode für das Erinnern gibt es nicht, ein Ingenieur denkt anders als ein Graphiker. Der erste Schritt ist die Analyse, wo liegen die Schwächen und Stärken. Meist mangelt es an Konzentration und Aufmerksamkeit. MERKTECHNIKEN:

Der wichtigste Faktor für das Erinnern sind Emotionen. Außerdem hilft es, sich Daten und Fakten über Assoziationen zu merken. So lassen sich Zahlen durch Bilder oder Konsonanten ersetzen. Auch Eselsbrücken helfen, sich bestimmte Dinge zu merken, zum Beispiel um die Planetenfolge zu erinnern: „Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel.“ Dabei steht jeder Anfangsbuchstabe für einen Planeten.

INFOS UND ÜBUNGEN:

http://www.bv-gedaechtnistraining.de/ sdw

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