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Tengelmann und Edeka werden wohl nicht zusammenkommen - jedenfalls nicht so, wie beide es sich wünschen.

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Der Kampf um Tengelmann/Kaiser's: Kaufland und Rewe - die Rivalen von Edeka

Nach dem drohenden Veto des Bundeskartellamts gegen eine Übernahme durch Edeka ist das Rennen um Kaiser’s und Tengelmann neu eröffnet.

Es war eine harte Woche für Markus Mosa. Erst beschied das Bundeskartellamt dem Chef der Edeka-Zentrale am Dienstag, dass er sein ehrgeiziges Ziel, den Marktführer noch ein Stück größer zu machen, wohl erst einmal beerdigen muss. Die geplante Übernahme der 451 Filialen von Tengelmann Kaiser’s durch Edeka sei so nicht zu machen, warnte die Wettbewerbsbehörde. Einen Tag später brachte sich dann auch noch Mosas schärfster Wettbewerber auf dem deutschen Lebensmittelmarkt als Retter für die 16 000 Mitarbeiter in den Tengelmann- und Kaiser’s-Märkten ins Gespräch. „Rewe würde im Falle einer Übernahme von Kaiser’s Tengelmann alle Arbeitsplätze sichern“, versicherte Rewe-Chef Alain Caparros. Dass Rewe nun statt Edeka Tengelmann übernimmt, ist jedoch nicht sonderlich realistisch. Die Attacke dürfte eher ein Fußtritt gegen den Branchenprimus sein. Die Atmosphäre zwischen Mosa und Caparros sei eisig, heißt es in der Branche, „tiefste Gefriertruhe“.

Denn genauso wenig wie Edeka kann sich auch Rewe nicht wirklich Hoffnung auf eine Übernahme aller Tengelmann- und Kaisers-Läden machen. Zwar wären die Läden für den Branchenzweiten (Marktanteil bundesweit knapp 15 Prozent) eine willkommene Gelegenheit, Boden auf den Branchenersten Edeka (Marktanteil rund 25 Prozent) gut zu machen. Das umso mehr, als sich Tengelmann auf Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin konzentriert. Viele Märkte sind in attraktiven Lagen angesiedelt. Das gilt auch für die rund 150 Kaiser’s-Läden in Berlin und Umgebung.

Auch Rewe würde zu mächtig

Doch was gegen Edeka spricht, spräche auch gegen Rewe: die allzu große Marktmacht. Schon heute haben die großen Vier im Lebensmitteleinzelhandel, Edeka (Edeka, Netto, Reichelt), Rewe (Rewe, Penny), Aldi und die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), einen Marktanteil von zusammen 85 Prozent. Wenn Tengelmann als eigenständige Kette wegfiele, blieben in vielen Regionalmärkten oder Stadtbezirken nur noch Edeka und Rewe als Nahversorger mit einem umfassenden Warensortiment und einem hohen Anteil von Markenartikeln, kritisiert das Bundeskartellamt – ein Argument, das sich nicht nur gegen Edeka, sondern genauso gut auch gegen Rewe richtet. Gleiches gilt für die Bedenken der Wettbewerbshüter, dass mit der Übernahme von Tengelmann die Lieferanten einen wichtigen Absatzmarkt verlieren.

Bis Donnerstag nächster Woche hat das Bundeskartellamt Edeka und Tengelmann Zeit gegeben, ihre Pläne zu ändern, um das drohende Veto abzuwenden. Eine Fristverlängerung haben die Unternehmen bislang nicht beantragt, aber das dürfte noch kommen. Denn Mosa muss nun ausloten, wie er doch noch zum Ziel kommt. Und das ist nicht leicht.

Statt alle Tengelmann-, Kaiser’s-Märkte zu übernehmen, könnte Mosa auf einzelne Filialen verzichten und diese Wettbewerbern überlassen. Ähnlich ist man bereits 2008 vorgegangen, als Edeka die Tengelmann-Tochter Plus übernehmen wollte. Das drohende Veto des Bundeskartellamts konnten die Partner seinerzeit umgehen, indem sie zahlreiche Filialen Dritten überließen, allen voran Rewe. Auch für die Kaiser’s- und Tengelmann-Filialen gibt es neben Rewe Interessenten. „Wir haben durchaus Interesse an einzelnen Kaiser's-, Tengelmann-Filialen“, sagte eine Sprecherin von Kaufland dem Tagesspiegel. Zu konkreten Standorten wolle man aber keine Angaben machen.

Caparros

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Gegen Kaufland spricht: Das Unternehmen gehört zur Schwarz-Gruppe. Den Wettbewerbshütern wäre es sicherlich deutlich lieber, wenn die Kaiser’s- und Tengelmann-Filialen an keinen der großen vier gingen. Ideal wäre etwa die Schweizer Migros, die 2013 bei der Supermarkt–Kette Tegut eingestiegen ist. Ob sie Interesse haben, ihr Deutschland-Geschäft auszuweiten, wollen die Schweizer nicht sagen. Brancheninsider sind jedoch skeptisch. Migros habe noch genug mit Tegut zu tun.

Discounter brauchen Flächen

Auch Discounter scheiden nach Meinung von Experten als Käufer einzelner Filialen aus. Statt Kaiser’s- oder Tengelmann-Märkte mit deren Markensortiment fortzuführen, würden Aldi oder Lidl lieber darauf warten, dass die Flächen frei werden und dann eigene Märkte dorthin setzen. Zudem mischt Lidl zunehmend unter eigener Flagge den Markt auf. Erst vor wenigen Tagen verkündete der Discounter eine Qualitätsoffensive, mit der er die klassischen Supermärkte bedrängen will.

Auch dass Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub notfalls allein weitermacht, hält man in der Branche für unwahrscheinlich. Gewinne im Lebensmittelhandel macht man nämlich meist über die Menge, weniger über die Marge. Mit einem Marktanteil von 0,6 Prozent kann Tengelmann im Wettbewerb der Großen aber nicht mithalten. Um seine Läden vom Massengeschäft abzugrenzen, ihnen ein exklusiveres Image zu geben, müsste Haub investieren. Doch der Unternehmer steckt sein Geld lieber in Online-Beteiligungen.

Sollte Mosa keine Lösung finden, die das Kartellamt akzeptiert, bliebe nur ein letzter Ausweg: die Ministererlaubnis. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) könnte den Deal genehmigen, wenn überragende Interessen der Allgemeinheit dafür sprächen.

Dass der Edeka-Chef eine solche Lösung schon vor einiger Zeit in Betracht gezogen haben dürfte, legt eine Aktion aus dem Oktober nahe. Zahlreiche Abgeordnete bekamen damals, kurz nach Bekanntgabe der Übernahmepläne, einen Brief, in dem Mosa dafür warb. Der Edeka-Chef verwies auf den harten Wettbewerb im Handel und die Vorteile für den Verbraucher, die 16 000 Arbeitsplätze bei Tengelmann und betonte, Edeka sei kein zentral gesteuerter Konzern, sondern ein genossenschaftlicher Zusammenschluss.

Mosa

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Wettbewerbsexperten haben jedoch Zweifel, ob diese Strategie aufgeht. „Eine Ministererlaubnis hat geringe Chancen“, sagte Hans-Peter Schwintowski, Professor für Bank-, Versicherungs- und Wettbewerbsrecht, dem Tagesspiegel. Das Arbeitsplatzargument zieht nach Meinung des Professors, der an der Berliner Humboldt-Universität lehrt, nicht. Wenn eine Ministererlaubnis mit der Auflage erlassen werde, dass alle Arbeitsplätze erhalten bleiben, müsse jeden Tag kontrolliert werden, dass es keinen Stellenabbau gibt. „Eine laufende Verhaltenskontrolle ist aber unzulässig“, weiß der Experte. Gleiches gelte für den Preiswettbewerb. „Gabriel kann doch keine Ministererlaubnis erlassen, nach der Edeka aufgetragen wird, billiger zu sein als die Konkurrenz.“

Verbraucherschützer loben das Bundeskartellamt

Auch Deutschlands oberster Verbraucherschützer, Klaus Müller, hält nichts von diesem Weg. „Wir haben mit der Ministererlaubnis nicht wirklich gute Erfahrungen gemacht“, sagte der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen dem Tagesspiegel. „Die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel ist bereits sehr hoch“, gibt Müller zu bedenken, weitere Konzentrationsprozesse solle man daher nicht unterstützen. „Das Urteil des Bundeskartellamts ist von hoher Qualität, fachlich gut begründet und berücksichtigt auch die Interessen der Verbraucher“, meint der Verbraucherschützer.

Und: Mit seinem Vorpreschen hat auch Rewe-Chef Caparros mögliche Hoffnungen auf eine Ministererlaubnis gedämpft. Sein Angebot, Tengelmann zu übernehmen und alle Jobs zu erhalten, könnte gegen Edeka ins Feld geführt werden.

Edeka und Tengelmann äußern sich zum laufenden Verfahren nicht. Stattdessen meldete Edeka am Freitag, dass die Edeka-Zentrale als „Top Arbeitgeber 2015“ ausgezeichnet worden ist. Eine Botschaft an die Politik? Oder reiner Zufall?

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