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Wirtschaft: Keine Angst vor der Deflation

FRANKFURT ."Es wird nicht geklingelt, wenn die Deflation kommt", warnte Gerhard Fels.

FRANKFURT ."Es wird nicht geklingelt, wenn die Deflation kommt", warnte Gerhard Fels.Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschafts in Köln stellte fest, daß keinesfalls schon jetzt Deflation herrsche - schließlich stiegen die Preise hierzulande noch.Für den Fall der Fälle indes brauche man eine Reserve, etwa eine Zinssenkung.

Weltwirtschaftskrise? Tohuwabohu der Finanzmärkte? Deflation? Das waren einige der Fragen, denen sich Wissenschaftler und Praktiker von Bundesbank, privaten Banken, Unternehmen und Ministerien während des ersten Wirtschaftspolitischen Symposiums der Herbert-Giersch-Stiftung in Frankfurt (Main) widmeten.Die Stiftung, die der langjährige Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel ins Leben rief, versammelte einige der bekanntesten deutschen Ökonomen: Neben Giersch und Fels war mit Olaf Sievert ein weiterer ehedem Weiser aus dem Sachverständigenrat gekommen."Das Thema ist nicht Deflation, das Thema ist das ungenügende Wachstum", konstatierte Stefan Collignon vom Bundesfinanzministerium.Damit überraschte er die Zuhörer, und überhaupt fand er die Debatte "weniger kontrovers als erwartet".Allerdings wendete er sich gegen eine Arbeitsmarktpolitik des Heuerns und Feuerns, die er für die Vereinigten Staaten diagnostizierte."Das europäische Modell ist ein anderes als das amerikanische."

Mehr Vertrauen in den Markt zu setzen - das empfahl Carl Christian von Weizsäcker von der Universität zu Köln.Sein Rat gilt auch für die zwischenzeitlich turbulenten Kapitalmärkte.Sie seien zwar mit "starken Fehlern" behaftet.Aber Weizsäcker zufolge trifft dasselbe für jegliche Regulierung der Märkte zu.Damit nahm der Ökonom die internationalen Kapitalmärkte gegenüber den diskutierten staatlichen Eingriffen - Kontrollen und festeren Wechselkursen beispielsweise - in Schutz: Märkte müßten das Versagen der Regierungen ausgleichen, zum Beispiel, wenn im politischen Willensbildungsprozeß kurzfristige Ziele gegenüber langfristigen favorisiert würden.Auf den Märkten, so ist Weizsäcker überzeugt, handelten die Akteure mit einer längerfristigen Orientierung.Schließlich müßten Politiker schnell den Erfolg ihrer Politik erreichen, nämlich vor der nächsten Wahl.Zu der Hektik an den Finanzmärkten, die zu raschen Kursveränderungen in hohem Ausmaß führten, prognostizierte Weizsäcker, sie lasse im Laufe der Zeit nach: Denn die Spezialisierung nehme zu, die Vermögensverwaltung werde professioneller.

Damit freilich erntete Weizsäcker Kritik: Gerhard Illing von der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt (Main) verwies darauf, daß die kurze Sicht der Akteure nicht allein ein Problem der Politik sei: In der Vermögensverwaltung tauche die gleiche Schwierigkeit auf - die der Delegation."Die Delegierten handeln immer kurzfristig - gleichgültig, ob es sich um einen Volksvertreter handelt oder um einen Vermögensverwalter." Mit Blick auf die hochspekulativen Hedge-Fonds gab Illing zu bedenken, daß die Professionalisierung der Vermögensverwaltung nicht unbedingt die Hektik aus dem Markt nehme.Vielmehr orientierten sich die Fachleute an ihren Wettbewerbern, so daß es durchaus zu einem Herdenverhalten kommen könne.Viele Beobachter hatten den Hedge-Fonds eine Mitschuld an den Finanzturbulenzen in Asien gegeben.

Und die Folgen? Holger Schmieding, Chef-Volkswirt Europa der US-Investmentbank Merrill Lynch in London, hält zwei Veränderungen für grundlegend: Das Weltfinanzsystem insgesamt sei instabiler geworden, und die Investoren seien von Risikofreude zur Risikoscheu umgeschwenkt.Das Problem der Finanzmärkte werde immer die unvollkommene Information bleiben.Sie verursache die hohen Schwankungsbreiten - die sich im übrigen auch durch einen beschränkten Kapitalverkehr nicht ausräumen ließen.Schmieding hält die Probleme in Japan für keineswegs überwunden.Derzeit erhole sich das Land - an der Börse legten die Aktienkurse in den vergangenen drei Tagen zu, der Nikkei-Index verbesserte sich um fast sieben Prozent auf 14 894 Punkte.Aber, so Schmieding, es handele sich lediglich um eine "kurzfristige Scheinbesserung": Solange nämlich die Strukturen nicht reformiert würden, könne es keinen dauerhaften Aufschwung geben.Ob das gelingt, bezweifelte Thomas Mayer, Chefvolkswirt von Goldman Sachs in Frankfurt (Main): Er fürchtet, weil die sparsamen Japaner kaum auf internationales Kapital angewiesen seien, stünden sie unter einem geringeren Anpassungsdruck als die reformfreudigeren Tigerstaaten.

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