zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Konjunkturprognose: Forschungsinstitute fordern Zinssenkung

Die sechs großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben sich den Forderungen an die Europäischen Zentralbank (EZB) angeschlossen, den Leitzins zu senken. Im Frühjahrsgutachten heißt es, eine Senkung des Leitzinses um 50 Basispunkte sei gerechtfertigt.

Die sechs großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben sich den Forderungen an die Europäischen Zentralbank (EZB) angeschlossen, den Leitzins zu senken. Im Frühjahrsgutachten heißt es, eine Senkung des Leitzinses um 50 Basispunkte sei gerechtfertigt. Statt 2,7 Prozent sagen sie ein Wachstum von 2,1 Prozent für 2001 voraus. Deshalb wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt erst mit Verzögerung entspannen.

Das Gutachten, das dem Handelsblatt vorliegt, wird heute vorgestellt. Mit ihrer Forderung nach einer Zinssenkung um 50 Basispunkte gehen die Institute über die Erwartungen der Finanzmärkte für die Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwoch hinaus. Nach einer Umfrage von Bloomberg rechnen 13 von 21 befragten Bankvolkswirten nur mit einer Leitzinssenkung um 25 Basispunkte. Zwei Banken erwarten ein Minus von 50 Basispunkten. Derzeit liegt der Leitzins im Euro-Raum bei 4,75 Prozent. Die Institute begründen die Forderung nach einer Leitzinssenkung damit, dass sich das Geldmengenwachstum verlangsamt habe. Auch werde sich die Inflation im Euroraum im Laufe des Jahres zurückbilden und 2002 unter zwei Prozent sinken. Grafik: Die Konjunktur schwächelt immer mehr Die Erwartung einer Zinssenkung wird ein wenig gedämpft durch die deutsche Erzeugung, die im Februar unerwartet stieg. Getrieben durch eine gute Entwicklung am Bau kletterte die Industrieproduktion saisonbereinigt um 0,6 Prozent gegenüber Januar. Erwartet worden war unter Volkswirten ein Minus von 0,8 Prozent. Auch die Erzeugung im verarbeitenden Gewerbe fiel mit einem Minus von nur 0,2 Prozent besser aus als erwartet. Hingegen korrigierte auch der Bundesverband des Groß- und Außenhandels seine Erwartungen für 2001 nach unten. Der Export werde in diesem Jahr nur noch um zwölf Prozent zulegen, nach 17 Prozent im vergangenen Jahr, erwartet er.

Die Institute prognostizieren in ihrem Gutachten, dass die Wirtschaft im Euroraum 2001 und 2002 real um 2,6 Prozent wächst. Damit haben die Institute ihre Prognose kaum gesenkt; im Herbst hatten sie mit 2,8 Prozent für dieses Jahr gerechnet. Für Deutschland erwarten die Forscher ein Wachstum von 2,1 Prozent in diesem und von 2,2 Prozent im kommenden Jahr. Das ist eine kräftige Revision der noch im Herbst prognostizierten 2,7 Prozent. Die Institute warnen die Politik aber vor einem "hektischen Aktionismus". Sie lehnen zusätzliche Ausgabenprogramme ab. Es bestehe aber auch kein Anlass, jetzt vermehrt zu sparen, weil die Defizite der öffentlichen Haushalte konjunkturbedingt höher ausfielen. Die Lohnpolitik sollte ihren moderaten Kurs der Vergangenheit fortsetzen.

Vor allem wegen der langsameren Konjunktur wird sich der Beschäftigungsanstieg verlangsamen. Im Jahresschnitt 2001 erwarten die Forscher 350 000 Erwerbstätige mehr. Die Zahl der Arbeitslosen soll im Laufe des Jahres um gut 180 000 Personen auf 3,62 Millionen im vierten Quartal sinken. Ein Jahr später werde die Zahl der Arbeitslosen 3,37 Millionen betragen. Damit werde die Arbeitslosenquote von 9,2 Prozent im vergangenen Jahr auf 8,2 Prozent im Jahr 2002 sinken. Diese Besserung wird sich allerdings auf Westdeutschland beschränken.

Obwohl die Konjunktur stärker als erwartet an Fahrt verloren habe, wird es nach Einschätzung der Institute nicht zu einer ausgeprägten Konjunkturschwäche oder gar einer Rezession kommen. Der Exportboom gehe allerdings zu Ende. Die Abschwächung der weltwirtschaftlichen Expansion und die abklingenden stimulierenden Effekte der Euro-Abwertung werde die Auslandsnachfrage langsamer steigen lassen. Im Jahr 2002 dürften sich die Perspektiven wieder aufhellen, wenn die Ertragserwartungen bei moderaten Lohnerhöhungen und niedrigen Zinsen günstig bleiben.

Ausgabenprogramme in Folge der Konjunkturabschwächung lehnen die Institute ab. Bund, Länder und Gemeinden sollten aber auch nicht stärker sparen oder Abgaben erhöhen, weil die Defizite konjunkturbedingt höher ausfielen, als noch vor einigen Monaten erwartet. Stattdessen plädieren die Institute für eine Haushaltskonsolidierung, die sich weniger an den Defiziten, sondern an einem mittelfristigen Ausgabenpfad orientiere. Dazu gehöre, dass zusätzliche Ausgabenwünsche nur erfüllt werden könnten, wenn zugleich Einsparungen an anderer Stelle erfolgten. Auf Grund der Steuerreform gingen von der Finanzpolitik in diesem Jahr erhebliche Impulse auf die Konjunktur aus. Die um die UMTS-Erlöse bereinigte Defizitquote werde in diesem Jahr von einem auf 1,7 Prozent steigen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false