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Braunkohletagebau Hambach.

© Christophe Gateau/dpa

Ronald Pofalla: Krach in der Kohle-Kommission

Ronald Pofalla prescht mit einem Zeitplan zum Kohleausstieg vor – und verärgert so seine Kollegen. Welches Ziel verfolgt der Bahnvorstand?

Er gilt als Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Wenn Bahnvorstand Ronald Pofalla (CDU) Pläne vorstellt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie vorher in Merkel-Kreisen abgestimmt wurden oder ihrer Zustimmung im Nachgang sicher sind. So dürfte es auch mit dem jüngsten Vorschlag von Pofalla sein: jener zum Ausstieg Deutschlands aus der Kohleverstromung. Pofalla ist einer von insgesamt vier Vorsitzenden der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, ein Expertengremium, das den Ausstiegspfad formulieren soll.

Das Magazin „Der Spiegel“ berichtete am Wochenende darüber, dass Pofalla ein Konzept im Bundesumweltministerium vorgelegt hat, wonach die letzten Kohlekraftwerke zwischen 2035 und 2038 geschlossen werden sollen. Bis 2020 sollen zudem fünf bis sieben Gigawatt Kohle aus dem System gehen. Die Zahlen lagen bereits bei den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition auf dem Tisch. Sie waren auch ein Grund dafür, dass das Bündnis nicht zustande gekommen ist.

Und nun soll es wider Erwarten doch geklappt haben? Laut „Spiegel“-Artikel hat Pofalla den Kohle-Kompromiss zusammen mit anderen Kommissionsmitgliedern erarbeitet. Auf Nachfrage dementiert ein Kommissionsvorsitzender heftig. „Es gibt keinen fertigen Vorschlag“, heißt es. Auch unter den Teilnehmern findet sich niemand, der eingebunden war. Am Sonntagnachmittag wird ein Brief öffentlich, in dem sich zehn Kommissionsmitglieder vom Kompromiss Pofallas distanzieren. „Wir kennen keinen Vorschlag von Herrn Pofalla“, so lautet auch der klare Kommentar der in der Kommission vertretenen Umweltverbände BUND und Greenpeace. Auch dass er die Verbände überredet haben soll, in jedem Fall in der Kommission zu verbleiben, sei „vollkommen absurd“.

Anders als auf den ersten Blick zu vermuten wäre, befürworten die Klimaschützer den Vorschlag von Pofalla nicht. Für die Einhaltung der Klimaschutzziele wäre ein Ausstieg 2030 vernünftig, dabei bleibe man, ist aus Kreisen der Umweltverbände zu hören. Bei Pofallas Vorschlag sei zudem gar nicht klar, ob die fünf bis sieben Gigawatt zusätzlich zur bereits vereinbarten Sicherheitsreserve für alte Kraftwerke vom Netz gehen würden.

Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, der die Interessen der Energieversorger in der Kommission vertritt, soll erst aus dem „Spiegel“ vom Vorschlag Pofallas gehört haben.

Kritik kommt auch aus dem Bundesumweltministerium: „Ministerin Svenja Schulze rät allen Beteiligten, die Debatte nicht über die Medien zu führen, sondern dies der Meinungsbildung innerhalb der Kommission zu überlassen.“ Man werde sich nicht zu Fragen eines konkretes Ausstiegspfades und eines Enddatums äußern.

Bahnvorstand Ronald Pofalla.
Bahnvorstand Ronald Pofalla.

© Hendrik Schmidt/dpa

Die ostdeutschen Braunkohleregionen können dem Pofalla-Vorschlag erwartungsgemäß rein gar nichts abgewinnen. „Wir sind überhaupt nicht bereit, über Ausstiegsdaten zu reden, solange nicht klar ist, wie das Gesamtkonzept aussieht“, so Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) sagte, die Kohle-Kommission sei obsolet, wenn es Vorfestlegungen gebe. Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) forderte, dass es zunächst um den Strukturwandel gehen solle, bevor ein Weg aus der Kohle organisiert werde. Die ostdeutsche Lausitz wird vom Kohleausstieg besonders betroffen sein. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verwies auf seine bisherige Position. Demnach kann der Ausstieg aus der Kohleverstromung erst nach 2030, aber möglicherweise vor 2045 erreicht werden.

RWE nennt Pofallas Vorschlag "inakzeptabel"

Warnungen vor dem angeblichen Kohle-Kompromiss kamen auch von Michael Vassiliadis, Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Pofalla kappe „fahrlässig das zarte Pflänzchen des Vertrauens, das sich in dem Gremium gerade erst gebildet hatte“, weil er mit Ausstiegsdaten „jongliere“. Vassiliadis vertritt in der Kohle-Kommission die Interessen der 20 000 Kohlekumpel sowie die der Beschäftigten der energieintensiven Industrien.

Die Kohlekraftwerksbetreiber weisen den Pofalla-Vorschlag, bis 2038 aus der Kohle auszusteigen, ebenfalls zurück. Der Konzernbetriebsrat des Lausitzer Energieunternehmens Leag forderte Pofalla sogar auf, die Kommission zu verlassen. Der Vorschlag sei „nicht akzeptabel“ kommentierte der Energiekonzern RWE.

Wenn weder Vorsitzende noch Mitglieder der Kommission vom Vorschlag Pofallas im Vorfeld gewusst haben, welches Ziel verfolgt der Bahnvorstand? Die Einschätzungen der Mitglieder fallen unterschiedlich aus. Pofalla habe Positionen sondiert und daraus vorschnelle Schlüsse gezogen, lautet eine. „Er will die Kommission sprengen“, eine andere. Freilich schadet Pofalla der Kommission nun mehr, als dass er ihr nützt.   

Dass der Pofalla-Vorschlag ausgerechnet in eine Zeit fällt, in der im Rheinischen Braunkohlerevier erbittert zwischen Klimaschützern und dem Energiekonzern RWE gestritten wird, dürfte aber Zufall sein, so die Einschätzung von Kommissionsmitgliedern.

Die Kohle-Kommission wird am kommenden Dienstag wieder zusammenkommen, um über den Weg aus der Kohle zu beraten. Die Moderation übernimmt Kommissionsvorsitz Matthias Platzeck. Aufklärung zum „Spiegel“-Bericht muss die Kommission wohl ohne den dafür Verantwortlichen betreiben. Mitgliedern zufolge hat sich Pofalla aufgrund einer wichtigen Veranstaltung bei der Deutschen Bahn schon vom Termin abgemeldet. „Das wird keine erfreuliche Sitzung werden“, so ein Kommissionsmitglied.

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