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Kommt noch was? Ein Arbeiter kontrolliert eine Gasleitungsstation an der russisch-ukrainischen Grenze.

© dpa

Krise in der Ukraine: RWE liefert Gas nach Kiew

Das europäische Gas ist rund ein Fünftel günstiger als das russische. Geliefert wird über Polen und die Slowakei.

Der zweitgrößte deutsche Energieversorger hilft der Ukraine in ihrem Bemühen, unabhängiger von russischem Gas zu werden. Wie RWE am Dienstag mitteilte, werde man demnächst mit der Lieferung von bis zu zehn Milliarden Kubikmeter Gas beginnen. Das Geschäft basiert auf einem Fünf-Jahres-Rahmenvertrag, den der Essener Konzern bereits 2012 mit der staatlichen Gasgesellschaft Naftogaz of Ukraine geschlossen hat. Bereits im vergangenen Jahr hatte RWE eine Milliarde Kubikmeter Richtung Kiew geliefert. Die Ausweitung des Geschäfts hat einen simplen Grund – der Preis: Das Gas von RWE ist bis zu 20 Prozent günstiger als das Gas der Russen.

Der Moskauer Staatskonzern Gazprom hatte in den vergangenen Wochen den Preis für die Ukraine auf rund 480 Dollar je 1000 Kubikmeter erhöht. Das auf den westeuropäischen Märkten gehandelte Gas gibt es derzeit aber für weniger als 400 Dollar. Die Russen können den höheren Preis auf Grundlage eines Vertrages aus dem Jahr 2009 verlangen. Dieser Vertrag koppelt den Gaspreis noch an den Ölpreis. Auf den Weltmärkten ist das inzwischen anders, da vor allem durch den Schiefergas- Boom in den USA (Fracking) Gas deutlich günstiger wurde. Die großen deutschen Gasunternehmen – neben RWE ist das vor allem Eon – hatten sich jahrelang mit Gazprom über die Verträge gestritten und schließlich Kompromisse erzielt, die für die deutschen Konzerne Milliarden wert waren. RWE/Eon kaufen heute zu deutlich geringeren Preisen bei Gazprom als noch vor zwei Jahren. Es ist somit auch nicht ausgeschlossen, dass RWE jetzt Gas von Gazprom kauft und dann an die Ukraine weiterverkauft. Gewiss mit Gewinn. RWE bezieht sein Gas neben Russland vor allem aus Norwegen und den Niederlanden.

Die nun angepeilte Liefermenge von bis zu zehn Milliarden Kubikmetern ist durchaus enorm: Der gesamte Gasverbrauch in Deutschland liegt – je nach Witterung – bei 80 bis 90 Milliarden Kubikmeter im Jahr, in der Ukraine sind es rund 55 Milliarden Kubikmeter.

Das RWE-Gas für die Ukraine fließt erstmal durch eine relativ kleine Pipeline, die über Polen führt. Größere Mengen müssten durch eine andere, größere Leitung über die Slowakei gepumpt werden, „sofern in den nächsten Wochen Lösungen für politische und technische Transportbeschränkungen an der Grenze zwischen der Slowakei und der Ukraine gefunden werden“, hieß es bei RWE. Der größte deutsche Energiekonzern, Eon, hat aktuell keine Geschäfte mit der Ukraine im Sinn: „Wir haben keine Verträge“, hieß es auf Anfrage.

RWE wiederum veröffentlichte den politisch bemerkenswerten Gasvertrag mit der Ukraine einen Tag vor der Hauptversammlung. Am heutigen Mittwoch muss Vorstandschef Peter Terium den Aktionären in Essen erklären, warum er die Dividende halbieren und wie er den Konzern durch die Energiewende steuern will. Ebenso wie Eon hatte RWE Abschreibungen in Milliardenhöhe auf konventionelle Kraftwerke vornehmen müssen, weil sich vor allem Gas- und Steinkohlekraftwerke nicht mehr rechnen.

Gleichzeitig wehren sich die Konzerne gegen die Politik: Eon fordert Schadenersatz für die Zwangsabschaltung seiner Atomkraftwerke Unterweser und Isar 1 nach der Fukushima-Katastrophe 2011. Die Größenordnung liege bei etwa 250 Millionen Euro, bestätigte ein Eon-Sprecher einen Bericht der „Rheinischen Post“. Die Entschädigungen seien gegenüber Niedersachsen und Bayern sowie dem Bundesumweltministerium geltend gemacht worden. Nach dem Reaktorunglück in Fukushima 2011 waren die ältesten Kernkraftwerke binnen weniger Tage auf Betreiben des Bundes stillgelegt worden. RWE hatte sich mit einer Klage gegen die Stilllegung seines AKW in Biblis (Hessen) im März 2011 letztinstanzlich durchgesetzt: Das Bundesverwaltungsgericht entschied im Januar 2014, dass die Abschaltung rechtswidrig gewesen sei. RWE steht damit der Weg einer Zivilklage gegen Hessen offen. Der mögliche Schadenersatz wird im Fall Biblis auf rund 200 Millionen Euro geschätzt. Am Montag hatte das Finanzgericht Hamburg den Betreibern von Atomkraftwerken einen Anspruch auf die Rückerstattung von 2,2 Milliarden Euro Brennelementesteuer zugesprochen. mit dpa

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