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Von Krise keine Spur: Besucher auf der "C3 Cryptoconference"

© Jacop Kapler

Kryptokonferenz: Zocker und Weltverbesserer

Trotz des Kurseinbruchs von Bitcoin & Co. hoffen auf einer Kryptokonferenz in Berlin viele Teilnehmer auf Millionengewinne. Doch es gibt auch Selbstkritik.

Es dauert keine fünf Minuten, bis zum ersten Mal die Zauberworte erklingen. „Das ist ein ganz leichter Weg, um Geld zu verdienen“, verspricht mit russischem Akzent eine von drei Hostessen in enger schwarzer Hose und knappem Top. Sie verteilt Werbezettel für ein soziales Netzwerk mit „interner Kryptobank“. Die Nutzer sollen dort an den Werbeeinnahmen beteiligt werden und können so die eigenen Digitalwährung, den Me-Token erhalten. 300 000 Menschen machen angeblich schon bei All.me mit. In den nächsten drei Monaten soll die Zahl durch „aggressives Marketing“ auf eine Million steigen, erklärt Manager Oleg Arzamasov. Entwickelt wird die App vor allem in Russland. Das Hauptquartier liegt in Irland und nun hat sich das Unternehmen noch auf den Seychellen registriert. Die dortigen Finanzbehörden sehen das aktuelle Finanzierungsprojekt wohl lockerer: Dabei sollen in gut einer Woche die Token an Anleger verkauft werden, bis zu 100 Millionen Dollar wollen die Macher dadurch verdienen.

Betrüger verhaftet

Das ist ziemlich optimistisch, denn der große Hype um das Digitalgeld ist vorbei. Die Kurse fast aller Kryptowährungen sind in den vergangenen Wochen so rasant abgestürzt, wie sie zuvor gestiegen waren. Der Preis des Bitcoin sank von fast 20 000 auf unter 7000 Dollar. Weltweit sind viele Staaten gegen den Handel vorgegangen oder drohen es an. Facebook und Google wollen keine Werbung für Kryptowährungen mehr schalten. Und einige Betrüger sind inzwischen aufgeflogen: In den USA wurden kürzlich die Herausgeber des Centra-Coins verhaftet, der von Stars wie dem Boxer Floyd Mayweather beworben worden war.

Doch davon ist in der früheren Eisenbahnhalle am Gleisdreieck wenig zu spüren. Hier in der „Station“ kommen am Donnerstag und Freitag etwa 1500 Besucher zur „C3 Cryptoconferenz“, einer der bisher größten Veranstaltungen zum Thema in Berlin. „Dafür, dass der Markt gerade so mies dasteht sind verdammt viele Leute da“, sagt Organisator Dennis Weidner. Er glaubt jedoch auch, dass es doppelt so viele wären, hätte der Boom noch länger angehalten.

Fast alle der zahlreichen Start-ups hier bereiten gerade die Ausgabe eigener Kryptowährungen vor und trommeln für anstehende Initial Coin Offerings (ICOs), wie der Verkauf der Coins und Tokens an Anleger genannt wird. Sebastian Korbach will es sogar möglich machen, dass Leute sich am Geldautomaten an solchen ICOs beteiligen. Er hat dazu gerade eine Vereinbarung mit einem Hersteller von Bankautomaten aus Brasilien geschlossen. In vielen Ländern stehen schon solche Maschinen, an denen Bitcoins und andere Digitalwährungen gekauft werden können. Hierzulande sucht man sie vergeblich - noch. „Wir wollen im Oktober oder November die ersten Automaten in Deutschland aufstellen“, sagt Korbach. Derzeit kümmere er sich mit einer Partnerfirma um die dafür nötigen Genehmigungen.

Kryptogeld für Virtual-Reality-Pornos.

© Kai Uwe Heinrich

Auf dem Display des Prototypen leuchten die Logos von vielen Projekten, die sich hier präsentieren. Die neuen Währungen sollen beispielsweise in Virtual-Reality-Pornos eingesetzt werden oder um virtuelles Land in Computerspielen zu kaufen. Direkt neben der Werbung für digitales Land neben dem Eiffelturm stehen ein paar Italiener und bieten ganz reale Häuser an. Die Immobilie in Ligurien können Interessenten mit Kryptogeld erwerben. Das sei ein guter Weg für Investoren, um ihr Digitalgeld wieder in echte Werte umzuwandeln. Wer 200 000 Euro in Kryptowährungen hat, könne oder wolle die an den Internethandelsplätzen oft nicht so einfach in reales Geld auszahlen lassen, sagt Davide Scola. Hier seien die Wohnungen eine praktische Alternative.

"Das Zockerimage des Kryptomarktes schadet uns allen"

„Es gibt einige Anbieter hier, bei denen ich hoffe, dass sie kein Geld bekommen“, sagt Fabian Spielberger, Mitgründer des auf Blockchain spezialisierten Investmentfonds Catena Capital. Auch andere sehen die Entwicklungen in der Szene mit Sorge. „Das Zockerimage des Kryptomarktes schadet uns allen“, sagt Yassin Hankir, Gründer der App Savedroid. Damit sollen Nutzer ab dem Sommer Geld in Kryptowährungen anlegen und sparen können. Doch der Frankfurter steckt in einem Dilemma, denn natürlich befeuert auch sein Unternehmen das Interesse an dem Thema und profitiert davon.

In einem sind sich aber alle Besucher einig: Langfristig werden Kryptowährungen und die dahinter liegende Blockchain-Technologie enorme Veränderungen in vielen Branchen erzeugen. In den Diskussionsrunden und Vorträgen wird immer wieder eine neue, dezentrale Welt beschworen. Denn Blockchains sind letztlich nichts anderes als eine Kette von Datenblocks, in denen Informationen gespeichert werden. Unzählige Kopien davon liegen auf den Rechnern aller Nutzer. So entsteht eine riesige verteilte Datenbank, bei der es unmöglich ist, Informationen zu manipulieren. Dadurch wird Vertrauen hergestellt und mithilfe von Eintragungen in der Blockchain könnten Menschen untereinander verschiedenste Güter handeln. „Dabei muss aber noch viel Grundlagenforschung betrieben und die Lücke zu den Alltagsanwendern geschlossen werden“, sagt Peter Grosskopf, Technikchef der Berliner Solarisbank. Er sagt, der Bitcoin sei die Dampfmaschine der Blockchainwelt: Sehr teuer und mit einem enormen Energieverbrauch. Mit den Blockketten der nächsten Generation wie Ethereum werden nun Motoren entwickelt. „Durch den Hype haben viele Start-ups viel Geld bekommen und können in den nächsten Jahren ihre Technologien entwickeln“, sagt Grosskopf. Während viele Jungunternehmen im Onlinehandel eher von BWLern gegründet wurden, seien es nun vor allem „Techies“, deren Ideen finanziert wurden. Wer jetzt Geld einsammelt, hat es schwerer – und das womöglich noch eine Weile. Die Unternehmen müssen jetzt einen „Kryptowinter“ durchstehen, sagt Investor Spielberger.

Wie geht es nach dem Kurssturz weiter? Teilnehmer der Kryptokonferenz in Berlin.

© Kai Uwe Heinrich

Welt-der-Wunder-Macher bringt Kryptowährung heraus

So auch Hendrik Hey, der in T-Shirt und blauem Sakko rauchend auf der Terrasse steht. Bekannt geworden ist er in den Neunziger Jahren als Moderator der Wissensshow „Welt der Wunder“. Inzwischen hat Hey einen gleichnamigen Fernsehsender gestartet und nun gibt auch der TV-Produzent eine eigene Kryptowährung heraus. Mit seinem Projekt will er den Handel mit TV-Beiträgen aufmischen. „Es gibt viele kleine Produzenten, die es schwer haben ihre Inhalte zu verkaufen und gleichzeitig kleine Sender, die immer günstige Beiträge suchen“, sagt Hey. Daher hat er eine Plattform entwickelt, auf der solche Rechte angeboten und gekauft werden können. Mit der Blockchain-Technik sollen dann automatisch die Verträge dafür geschlossen werden können. „Die Plattform ist dann wie ein Notariat“, sagt Hey.

Er hofft, mit der Ausgabe seines Tokens 20 Millionen Euro einzunehmen, wenn aber nur fünf Millionen zusammenkommen, sei das auch gut. Hey sieht das als neuen Finanzierungsweg für Mittelständler, denn an der Börse Geld aufzunehmen sei für viele zu teuer. „Erst kamen die Start-ups, dann die Glücksritter und Betrüger und jetzt muss die Industrie übernehmen“, sagt Hey. Schließlich werden Kryptowährungen künftig immer öfter eingesetzt werden.

Vielleicht kann man damit irgendwann auch Kaffee kaufen. Auf der Konferenz brauchte man dafür natürlich auch Coins. Das waren allerdings blaue und gelbe Plastikchips. Bezahlbar ausschließlich mit Euro.

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