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Unter Tage. Durch die frühere Mine zieht sich eine 14 Meter breite und 1,3 Kilometer lange Betonstraße. Hunderte Bitcoin-Rechner laufen rund um die Uhr.

© R. Obertreis

Kryptowährung: Fjordwasser für grüne Bitcoins

In einer norwegischen Mine schürfen Rechner die Kryptowährung – gespeist von Ökostrom, mitfinanziert von deutschen Investoren.

Zu hören ist nur ein Surren. Leicht gleitet die „Eidsfjord“ über das Wasser, obwohl sie mehrere Lkw, Busse und Pkw trägt. Nach knapp zehn Minuten hat die weltweit erste vollelektrische Autofähre das andere Ufer des 110 Kilometer langen und bis zu knapp 600 Meter tiefen Nordfjords erreicht – ohne auch nur ein Gramm CO2 in die Atmosphäre abgegeben zu haben. Bei jedem Stopp werden die Akkus der Fähre aufgeladen. Das gefällt Moritz Jäger, der sich oben auf dem Deck den Wind um die Nase blasen lässt. Nur eines fehlt: Dass man die Fahrt mit der „Eidsfjord“ auch mit Bitcoin bezahlen kann.

Deshalb ist der 32-jährige Software-Experte rund 500 Kilometer nordwestlich der norwegischen Hauptstadt Oslo unterwegs. Moritz Jäger ist im Vorstand des jungen Frankfurter Unternehmens Northern Bitcoin für Technik, Hard- und Software verantwortlich. Die kleine Firma setzt, wie der Name verrät, auf die weltweit wichtigste Kryptowährung.

Im Sprachgebrauch der Branche ist Northern Bitcoin ein Miner. Solche Miner betreiben extrem leistungsfähige Rechner, die pausenlos in aufwendigen Prozessen neue Bitcoins schürfen und damit ihr Geld verdienen. Das ist umstritten, weil diese Prozesse extrem viel Strom verbrauchen. Schätzungen zufolge verschlingen die Bitcoin-Rechner im laufenden Jahr weltweit den Stromjahresbedarf von Argentinien, etwa 130 Terrawattstunden. Die Rechner, über die Jäger wacht, gehören dazu.

Der gigantische Strombedarf ist an sich schon problematisch. Er ist, sofern die Energie aus fossilen Rohstoffen oder Atomkraft gewonnen wird, auch alles andere als umweltfreundlich. Deshalb steuert Jäger mit der elektrischen Fähre klimaneutral auf einen Ort zu, der dies vermeidet: Auf die Lefdal Mine am nördlichen Ufer des Nordfjords.

Kaltes Wasser, kein Staub, kein Schmutz

Versteckt an der Straße liegt zwischen sattgrünen Wiesen, den typischen bunten Holzhäusern und bis zu 1000 Meter hohen, auch im Hochsommer noch von Schneeresten gezierten Bergen der Eingang zur Mine, die heute ein Daten- und Rechenzentrum ist.

„Von 1971 bis 2009 wurden hier Olivin-Erze abgebaut“, sagt Lefdal-Chef Jørn Skaane. Olivin dient der Herstellung von hitze- und feuerbeständigen Gläsern und Materialien sowie von Eisenerzpellets. Jahrelang stand die Mine mit einer Fläche von 120 000 Quadratmetern leer. „Sie war nur noch ein dunkles Loch.“ Bis weitsichtige Investoren eine neue Idee hatten: Das Bergwerk als Daten- und Rechenzentrum zu nutzen. Schließlich bietet es ideale Bedingungen. Die Temperatur in der bis zu 100 Meter tiefen Mine mit ihren fünf Ebenen liegt konstant bei sieben bis acht Grad. Es gibt keinen Staub und Schmutz. Gekühlt werden können die Rechner mit dem sieben Grad kalten Wasser aus dem Nordfjord. Strom kommt aus einem Wasserkraftwerk. „Wir arbeiten zu 100 Prozent sauber und klimafreundlich“, sagt Skaane. Weiterer Vorteil: Der wichtige Hochseehafen Måløy ist nur rund 25 Kilometer entfernt, Container können verschifft und per Lkw in die Mine transportiert werden. Es war und ist die „norwegische Lösung“, wie Lefdal wirbt.

Dabei ist das Projekt eigentlich international. So ist an der Mine auch der deutsche Unternehmer Friedhelm Loh mit seiner Rittal-Gruppe aus dem mittelhessischen Herborn mit einem Drittel beteiligt. Das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro und rund 11 500 Beschäftigten stellt Schaltschränke und Container her. Aber Loh weiß, dass er mehr bieten muss als nur Stahlkästen. Rittal hat Software- und Datendienstleister übernommen und bestückt jetzt selbst Container mit Rechnern und Computern, wie für Northern Bitcoin, in Herborn und bietet Lefdal als idealen Standort an. Die Nachfrage nach industrialisierten Rechenzentren wird deutlich zunehmen, ist man bei Rittal überzeugt.

In der Mine sind kaum Menschen anzutreffen

30 Millionen Euro haben die Eigentümer – neben Loh der norwegische Energiedienstleister SFE und Investoren aus der Region – in den Ausbau der Mine gesteckt. Zum Beispiel für eine 14 Meter breite und 1,3 Kilometer lange Betonstraße, auf der schwere Lkw fahren können. Für Stromkabel, Beleuchtung und zwei Rohrleitungssysteme für die notwendige Kühlung der Rechner. Oder für Kammern, bis zu 75 Meter breit und 17 Meter hoch, in die zwölf 40-Fuß- Container passen, jeder etwa zwölf Meter lang. Über ein Rohrleitungssystem wird Salzwasser aus dem Fjord in die Mine geleitet. Dort gibt es die Kälte über einen Wärmetauscher an ein zweites System mit Frischwasser weiter. Das wiederum kühlt die Rechner.

„Wir verbrauchen hier kein Wasser“, betont Jørn Skaane. Das Salzwasser fließt auf 14 Grad erwärmt in den riesigen Fjord zurück. Weiterer Vorzug: Der Strom ist günstig. Vier bis fünf Cent kostet die Kilowatt Stunde, sagt Jäger. In Deutschland liegt der Preis für Geschäftskunden bei 15, für private Haushalte sogar bei 29 Cent. Da rechnen sich das Verschiffen der Container nach Norwegen und die Miete der Kammer in der Mine.

Diese Vorteile haben Jäger und Mathis Schulz, der 34-jährige Vorstandschef von Northern Bitcoin, erkannt. An diesem Sommertag hat sich Jäger einen Pullover übergezogen und ist 60 Meter tief hinunter in die mit grünlichem Licht ausgeleuchtete Mine gefahren. Dann steht er vor der Kammer, in der Northern Bitcoin Ende Mai 15 Container – jeweils drei übereinander – hat platzieren lassen. Moderne Minen in einer alten Mine. Jäger öffnet die Tür eines Containers, die mit jeweils 210 Bitcoin-Rechnern – die sogenannten Antminter S9 – vollgepackt sind. Es ist laut. Die Lüfter der Rechner surren. „Hier auf dieser Seite saugen sie 15 Grad kühle Luft an“, sagt Jäger. Am Ende des Ganges öffnet er eine weitere kleine Tür, die auf die andere Seite der Antminer führt. „Hier kommt die auf 35 Grad erwärmte Luft heraus und wird abgesaugt“, erklärt er.

Nur im Abstand von Wochen ist Jäger kurz in Norwegen. Ohnehin sind in der Mine kaum Menschen anzutreffen, die Systeme werden dezentral überwacht. Daten werden per Glasfaser-Kabel in die Northern-Zentrale nach Frankfurt am Main übertragen. Und damit auch das Ergebnis der Schürferei: die Bündelung von Bitcoin- Zahlungen, ihre Verschlüsselung und die sichere und unveränderbare Speicherung in einer Blockchain. Belohnt wird die Schaffung eines neuen Kettenglieds mit 12,5 Bitcoins. Diese werden Minern wie Northern Bitcoin gutgeschrieben.

Hohe Nachfrage nach solchen Orten

Alle zehn Minuten errechnen die Miner weltweit einen neuen Bitcoin. Da deren Menge von den Erfindern auf 21 Millionen begrenzt wurde und mittlerweile rund 17,1 Millionen geschürt wurden, wird es immer komplexer und aufwendiger, neue Bitcoins zu schürfen. In spätestens zehn Jahren sind alle Bitcoins in Umlauf. Dann sollen Miner für die Transaktionen, die sie in Blockchains zusammenfassen, eine Gebühr erhalten.

Experten schätzen die Kosten für das Schürfen eines Bitcoins in Südkorea auf gut 26 000 Dollar, in Deutschland auf rund 14 300 und in Norwegen auf 7800 Dollar. Einen Container mit Antminer hat Northern Bitcoin in Frankfurt im Industriepark Höchst platziert. Die Stromkosten liegen pro Jahr bei etwa 1800 Euro. In der Lefdal-Mine dagegen sind es nur etwa 600 Euro.

Dass Schultz und Jäger von Bitcoins überzeugt sind und die wichtigste und in ihren Augen sicherste und seriöseste Kryptowährung Zukunft hat, versteht sich von selbst. Dass er eine Pizza mit Bitcoin bezahlt, wie neulich in Südtirol, wird nach Überzeugung von Jäger in nicht allzu ferner Zukunft Alltag sein. Den Vorbehalten gegen die Kryptowährung, die viele nur für ein überbewertetes Spekulationsobjekt halten, wollen sie auch mit dem Schürfen in der Lefdal-Mine begegnen. „Bitcoins können nachhaltig produziert werden“, betont Jäger. Die Lefdal-Mine sei in dieser Hinsicht ein echter Quantensprung.

Deshalb wollen Jäger und Schultz auch einen Mining-Pool bilden und anderen Minern gegen Gebühr die Nutzung ihrer sauber betriebenen Rechner erlauben. Auch darauf fußt das Geschäftsmodell der Aktiengesellschaft, die an der Börse München gelistet ist (Wertpapierkennnummer: A0SMU8).

In Lefdal wird und soll Northern Bitcoin nicht der einzige Kunde bleiben. Noch sind die meisten der 75 Kammern unbesetzt. Die Nachfrage aber sei groß nach solchen umweltfreundlichen Orten – nicht nur von Bitcoin-Minern, sagt Skaane. Und erneuerbare Energie in der Region gebe es mehr als reichlich.

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