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Schwere Last. Das Urteil zum Nachtflugverbot in Frankfurt am Main kam nur Tage vor dem Start des Winterflugplans. Foto: dpa

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Wirtschaft: Lufthansa fährt Autobahn

Die Frachttochter Cargo verlagert den Nachtbetrieb von Frankfurt nach Köln. Das kostet viele Millionen

Berlin - Ein hessisches Gerichtsurteil von vergangener Woche zwingt das größte deutsche Luftfrachtunternehmen Lufthansa Cargo dazu, einen Notflugplan einzurichten. Um weiterhin auch nachts alle Fracht befördern zu können, sieht sich der Logistiker genötigt, Teile seiner Basis vorläufig vom Frankfurter Flughafen nach Köln/Bonn zu verlagern. Das sei mit extrem hohem logistischen Aufwand und Millionenkosten verbunden, sagte Lufthansa-Cargo-Chef Karl Ulrich Garnadt am Donnerstag in Berlin.

Vergangene Woche hatte der hessische Verwaltungsgerichtshof überraschend entschieden, dass ab dem vom 30. Oktober an geltenden Winterflugplan in Frankfurt zwischen 23 Uhr und fünf Uhr keine Flieger mehr starten und landen dürfen. Hintergrund ist die Erweiterung des größten deutschen Flughafens um eine neue Landebahn, die am heutigen Freitag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeweiht wird. Mit dem Ausbau sollten noch 17 Nachtflüge erlaubt sein, zehn davon sollte Lufthansa Cargo abwickeln.

„Das Nachtflugverbot zwingt uns zu einem Flugplan, der ökonomisch und ökologisch teilweise absurd ist“, sagte er. Fünf Crews pro Woche fliegen demnach am Abend mit den beladenen Maschinen 19 Minuten lang von Frankfurt nach Köln, wo die Flugzeuge drei bis vier Stunden später in Richtung China abheben – wenn der russische Luftraum frei sei und die zugewiesenen Landezeiten in Fernost erreicht werden. Da die Besatzungen es nach diesem Zwischenstopp nicht mehr im Rahmen ihrer Dienstzeit nach Fernost schaffen würden, müssten sie abgelöst werden und per Auto die 160 Straßenkilometer nach Frankfurt zurückfahren. Ein Teil der Fracht müsse zudem per Lkw auf der Autobahn nach Köln befördert werden.

Im vergangenen Geschäftsjahr hatte die Frachtsparte bei einem Umsatz von 2,795 Milliarden Euro ein operatives Ergebnis von 310 Millionen Euro verbucht. „Wir erwarten nun Ergebniseinbußen im bedeutenden zweistelligen Millionenbereich“, sagte Garnadt. Die Zahl gelte allerdings nur für den Fall, dass dieser Zustand ein Jahr anhält, fügte Garnadt hinzu. Zumindest dürfte er einige Monate anhalten. Denn die nächste Instanz, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, will sich erst innerhalb des ersten Quartals des kommenden Jahres mit der Rechtmäßigkeit des plötzlich Nachtflugverbots befassen. Einen konkreten Termin gibt es noch nicht.

Garnadt äußerte die Vermutung, dass das Gericht sich der Tragweite seines Urteils nicht bewusst gewesen ist: Deutschland sei Logistik- und Exportweltmeister, 40 Prozent des Exportwertes werde per Luft befördert, 70 Prozent davon über Frankfurt. Man sei darauf angewiesen, dass auch nachts geflogen werde.

Sollte das Verbot Bestand haben, würden der Frankfurter Airport und die Rhein-Main-Region die Auswirkungen unmittelbar zu spüren bekommen, drohte der Lufthansa-Cargo-Chef weiter. Das Unternehmen habe geplant, fünf für 2013 bestellte Frachtmaschinen vom Typ Boeing 777 in Frankfurt zu stationieren und den Standort in einem Umfang auszubauen, der bis zu eine halbe Milliarde Euro Investitionen auslösen würde. „Die Entscheidungen kommen nun auf den Prüfstand“, kündigte er an.

„Wenn das Flugverbot erst mal drei Monate in Kraft ist, werden wir ja sehen, wer tatsächlich hier abgewandert ist“, sagte Ingrid Kopp, Sprecherin des Bündnisses der Bürgerinitiativen vor Ort, dem Tagesspiegel. „Wir freuen uns nun auf unsere Nachtruhe“. Die Initiativen würden weiterkämpfen für eine Flugruhe zwischen 22 und sechs Uhr – zwei Stunden länger als vom Gericht verlangt. Das entspreche der gesetzlichen Nachtruhe. „Und die steht uns zu, denke ich“, sagte Kopp.

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