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Mehdorn

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Deutsche Bahn: Mehdorn zweifelt am Börsengang

Der Streit in der Koalition könnte zum Ende der Privatisierungspläne führen, weiß auch Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. Scheitert der Börsengang, könnte die Bahn zerschlagen werden.

Als die Diskussion um die Zukunft der Deutschen Bahn ans Eingemachte ging, saß der Konzernchef im Flugzeug. Indien ist das Ziel für Hartmut Mehdorn in dieser Woche – der Bahn- Chef begleitet Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihrer viertägigen Reise und will dort die Kooperation mit der indischen Eisenbahn voranbringen. Wie es mit seinem Konzern im eigenen Land weitergeht, ist dagegen unklar.

Nach der Ankunft in Neu-Delhi zog Mehdorn schon eine erste Bilanz zum Thema Privatisierung. „Die Zeichen sind eher kritisch, ob das überhaupt noch geht“, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Reuters. „Die Beschlüsse sind schon ziemlich eng. Wir müssen jetzt alle gut überlegen, welche Lösung es da gibt.“ Das tut er auch gemeinsam mit Merkel – er werde die Reise nutzen, um sich mit ihr zu beraten, hieß es.

Schließlich steht seine Strategie der vergangenen Jahre komplett auf dem Spiel. Ins internationale Geschäft will er, die Bahn zu einer Top-Adresse im internationalen Logistikgeschäft ausbauen, zudem den Einfluss von Bund und Ländern zurückdrängen. Dazu braucht er Geld – hat aber nach seinem Modernisierungskursknapp 18 Milliarden Euro Schulden.

„Das Börsenmodell der Bahn ist durch den Beschluss der SPD vom Tisch“, verlautete aus dem Bahn-Aufsichtsrat. Denkbar sei zwar, dass sich die Koalition doch noch auf ein gemeinsames Modell einige. Aber falls es nun gar nicht zu einer Privatisierung komme, stelle sich die Frage, ob der Bund überhaupt einen integrierten Logistikkonzern unterhalten – und finanzieren – wolle. Im Klartext: Scheitert der Börsengang, könnte die Bahn zerschlagen werden. Und Mehdorns Zukunft wäre sehr unsicher – das wird auch im Aufsichtsrat nicht bestritten.

Die Opposition im Bundestag weiß genau, was zu tun ist. „Herr Mehdorn muss jetzt schnell einen Plan B für die Deutsche Bahn vorlegen“, forderte Fritz Kuhn, Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen, im Gespräch mit dieser Zeitung. „Hat er keinen Plan B, ist er der falsche Mann an diesem Platz.“ Das Management solle „die Energie, die es zuletzt auf den Börsengang verwendet hat, nun auf die wichtigen naheliegenden Fragen“ richten: „Wie bekommt man mehr Verkehr auf die Schiene, wie kann der Service besser werden, wie kann man das Netz ausbauen?“ Eine „weltumspannde Globalbahn“ müsse die Bahn nicht werden. Kuhn attestierte Mehdorn „eine leichte ideologische Verblendung“.

Das sieht der Bahn-Chef selbst naturgemäß anders. Was er mit dem Geld aus einer Teilprivatisierung machen will, hat er vor einigen Monaten an den SPD-Verkehrsexperten Uwe Beckmeyer geschrieben. Investitionspläne von bis zu zwölf Milliarden Euro sind in dem Schreiben aufgelistet, das dem Tagesspiegel vorliegt – der überwiegende Teil davon außerhalb von Deutschland. Man wolle „in den sich öffnenden Eisenbahnverkehrsmärkten in Europa sowie auf den sich öffnenden Märkten in Asien und Amerika eine wichtige Rolle ... spielen“. Die vollständige Übernahme osteuropäischer Staatsbahnen gehöre ebenso dazu wie maritime Verladeterminals oder der Ausbau einer Schienenstrecke nach Asien, um eine Alternative zum Schiff zu bieten. Auch neue ICE-Züge, die in Frankreich fahren können, Zukäufe von internationalen Logistikfirmen oder Nahverkehrsunternehmen in europäischen Großstädten böten „erhebliche Wachstumschancen“. Das meiste Geld für diese Projekte könne man aus laufenden Mitteln erwirtschaften, es bleibe aber eine „Deckungslücke von ca. zwei bis drei Milliarden Euro“.

Mit der Volksaktie, also der von der SPD favorisierten stimmrechtslosen Vorzugsaktie, dürfte diese Expansion nicht möglich sein. Das findet auch der FDP- Verkehrsfachmann Horst Friedrich. „Die Volksaktie passt nicht zur gegenwärtigen Unternehmensstrategie“, ist er sich sicher. Ein Unternehmen, das von der Politik kontrolliert werde, könne sich nicht mit privat finanzierten Logistikkonzernen auf der ganzen Welt messen. In der Branche herrsche scharfer Wettbewerb, daher könne die Bahn bei ihrer globalen Expansion viel Geld verlieren oder im Extremfall sogar pleite gehen. „Der Bund, die Steuerzahler, gehen hier in ein gewaltiges Risikogeschäft“, warnte Friedrich und nannte als Beispiel einen „Fehlschlag à la Chrysler“.

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