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Wirtschaft: Mehdorns letzte Chance

Der Börsengang soll die Amtszeit des Bahn-Chefs krönen. Sein Unternehmen braucht dringend Geld

Für Hartmut Mehdorn tickt die Uhr. Einer der bekanntesten Manager der Republik wird im Juli 64 Jahre alt. Nur bei der Bahn kann er noch beweisen, dass er ein wirklich großer Konzernlenker ist – 2008 läuft sein Vertrag als Vorstandschef aus, eine Verlängerung wird es auf keinen Fall geben. Bevor er zur Bahn kam, musste er in seiner Karriere meist mit Posten oder Firmen in der zweiten Reihe vorlieb nehmen. Als sich 1999 die Chance auf den Chefposten beim Staatskonzern bot, griff der gebürtige Berliner zu. Die Vorgabe seines Duzfreunds Gerhard Schröder: Die Bahn muss fit werden für die Privatisierung. Hartmut Mehdorn, der sich selbst für ein „pfiffiges Kerlchen“ hält, legte los.

Seither ist die Sanierung seine Mission. Seine Ansichten boxt er durch, gelegentlich auch auf die harte Tour. Damit hat er sich nicht nur Freunde gemacht – Politiker und, wie er sagt, „angebliche Experten“, die ihm die Konzernpolitik vorschreiben wollen, müssen mit harschen Attacken rechnen. Umso größer ist die Schadenfreude, wenn sich Mehdorn mit seiner forschen Art vergaloppiert. Das war so beim gescheiterten Preissystem 2003, das er zähneknirschend weitgehend zurücknehmen musste. Und das war wieder so beim angestrebten Einstieg in die Hamburger Unternehmen HHLA und Hochbahn, als die Bahnzentrale im Gegenzug nach Hamburg sollte und die Bundesregierung bremste. So mancher hatte da mit seinem Rücktritt gerechnet. „Ich bin kein Handtuchwerfer“, sagt Mehdorn dann. Dass er Fehler macht, räumt der gelernte Ingenieur ohnehin nicht ein.

Tatsächlich hat der Bahnchef die ehemalige Behörde in den vergangenen Jahren tiefgreifend verändert. Mehdorn geht nach dem gleichen Muster vor wie früher als Chef des Maschinenbauers Heidelberger Druck: sanieren, internationalisieren, expandieren. Sein Job sei „nichts für Schlaffmänner“, bekannte Mehdorn einmal. Er ließ altes Zugmaterial verschrotten, verrottete Bahnhöfe renovieren, die Mitarbeiter zu besserem Service verdonnern. Beim Personal fuhr er zudem einen harten Sparkurs, pro Jahr fielen rund 10 000 Stellen weg. Zwischen 1994, als die Bahnreform begann, und 1999 stieg der Umsatz lediglich um 5,7 Prozent auf 15,6 Milliarden Euro. Seit Mehdorns Amtsantritt ging es indes steil nach oben: 2006 dürften bereits deutlich mehr als 26 Milliarden Euro in den Kassen der Bahn gelandet sein – das ist eine Steigerung um fast zwei Drittel. Und die Produktivität der Bahner hat sich seit Beginn der Reform beinahe verdoppelt.

Allerdings sind die Deutschen in Mehdorns Amtszeit nicht zu einem Volk leidenschaftlicher Bahnfahrer geworden. Der Bahn-Chef hat Milliarden in Zukäufe gesteckt, vor allem in Logistikunternehmen. Der größte Brocken war die Stinnes AG mit der weltweit agierenden Spedition Schenker. Im Spätsommer 2002 legte die Bahn rund 2,5 Milliarden Euro für den Konzern auf den Tisch. Und im November 2005 machte Mehdorn noch den Kauf des US-Logistikers Bax Global perfekt, der mehr als zwei Milliarden Euro zum Konzernumsatz beisteuern wird.

Die Vision nennt Mehdorn in seinem Managersprech einen „internationalen Mobilitäts- und Logistikkonzern“. Er weiß: Mit dem Schienengeschäft allein wird kein Unternehmen reich – im Nahverkehr ist die Bahn auf die Zuschüsse der Bundesländer angewiesen, im Fernverkehr ist sie froh, wenn sie keine Verluste einfährt. Und die defizitäre Gütersparte ist ohnehin das Sorgenkind des Unternehmens. Die Logistik mit Schiffen, Flugzeugen und Lastwagen dagegen bringt gutes Geld, 2005 soll sie schon für mehr als die Hälfte des Konzerngewinns von über 400 Millionen Euro gesorgt haben. Die Globalisierung verspricht weiteres Wachstum in der Zukunft. Ohne die Logistik, fürchten Kenner des Konzerns, sei eine erfolgreiche Börsenstory der Finanzwelt kaum vermittelbar.

Den Weg der Internationalisierung sind bereits andere einst bundeseigene Unternehmen wie die Telekom und die Post gegangen. Allerdings hat die Bahn ein ähnliches Problem wie die Telekom: Die Expansion kostet viel Geld, gerade in der kapitalintensiven Transportbranche. Die Verbindlichkeiten liegen aber heute schon bei gut 25 Milliarden Euro, davon sind 5,7 Milliarden zinslose Darlehen des bisherigen Alleineigentümers Bund. Neue Schulden kann die Bahn kaum noch aufnehmen, obwohl sie wegen der Staatsnähe an den Finanzmärkten ein gern gesehener Schuldner ist. Auch deshalb muss der Börsengang bald kommen – sonst gibt es kein frisches Geld. Klappt die Privatisierung nicht, ist nicht nur Mehdorn gescheitert. Auch das Unternehmen hätte ein Problem.

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