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Wirtschaft: Mehr Leistung, weniger Besitzstände

Wie das Tarifsystem vereinfacht werden soll

Das Tarifsystem im öffentlichen Dienst ist nur für praktizierende Tarifpolitiker durchschaubar. Alles in allem gibt es rund 600 Tarifverträge, allein die wichtigsten davon füllen schon 3000 Seiten. Wie jemand bezahlt wird, hängt von der Einstufung in den so genannten Entgelttabellen ab, gegenwärtig gibt es dafür 17000 Eingruppierungsmerkmale, mit denen zum Beispiel die Bezahlung eines Orchideenzuchtmeisters geregelt wird. Dieser Wust gilt als nicht mehr zeitgemäß – vor allem weil der öffentliche Dienst zunehmend vom Wettbewerb geprägt wird. Deshalb gibt es für Bereiche wie Entsorgung oder öffentlichen Nahverkehr bereits Spartentarifverträge, die sich an den Arbeitsbedingungen privater Unternehmen orientieren.

Künftige Bezahlung

Statt sieben Entgelttabellen soll es nur noch eine mit 15 Engeltgruppen geben; die Einordnung in den Gruppen hängt von der Qualifikation ab. Beispielsweise kommen in Gruppe fünf die Personen mit einer dreijährigen Ausbildung, in Gruppe neun Fachhochschulabsolventen und in Gruppe 13 Bedienstete mit einem Uniabschluss. In den ersten vier Gruppen finden sich Ungelernte wieder. Die niedrigste Entgeltgruppe beginnt künftig bereits bei 1286 Euro, das sind gut 300 Euro weniger als bislang und entspricht einem Stundenlohn von 7,86 Euro. Verdi hat sich auf dieses Zugeständnis eingelassen, um mit dem neuen Niedriglohn den Trend zum Outsourcen und Privatisieren zu stoppen. Einkommenserhöhungen allein auf Grund des Alters gibt es künftig nicht mehr. Ebenso entfällt der Zuschlag für Verheiratete und für Kinder. Grundsätzlich sollen die Beschäftigten also stärker danach bezahlt werden, was sie tatsächlich tun und wie sie es tun.

Bezahlung nach Leistung

Im Jahr 2006 werden zwei Prozent der Lohn- und Gehaltssumme eines öffentlichen Arbeitgebers nach Leistung gezahlt. Wenn eine Kommune Personalkosten von einer Million Euro im Jahr hat, so muss sie also 20000 Euro als Leistungsprämie an ihre Beschäftigten ausgeben. Wie sie das tut, regeln die Betriebsparteien. Langfristig soll der leistungsbezogene Anteil am Entgelt von zwei auf acht Prozent steigen – das würde dann immerhin einem Monatsgehalt entsprechen.

Wie wird die Leistung gemessen?

Das bisherige Beurteilungssystem im öffentlichen Dienst lehnt Verdi ab, da es willkürlich sei. Denkbar sind stattdessen Zielvereinbarungen, die Anzahl von Vorgängen je Mitarbeiter, der Erfolg des Betriebs, Projektarbeit oder die Anzahl der Vermittlungen bei den Agenturen für Arbeit. Den genauen Katalog der Leistungskriterien wollen die Tarifparteien im Verlauf des kommenden Jahres festlegen.

Kostenneutralität

Um die Reform kostenneutral zu halten, gibt es zwei Varianten: Die Arbeitgeber präferieren die Anrechnung der Zuschläge und des Weihnachts- und Urlaubsgelds. Verdi möchte die Einkommenserhöhungen der nächsten Jahre verrechnen. Dabei setzt die Gewerkschaft auch auf einen demografischen Faktor: Die Hälfte der öffentlich Bediensteten ist älter als 50 Jahre, altersbedingt scheiden 30 Prozent der Beschäftigten bis 2010 aus. Die Besitzstände fallen dann also weg mit entsprechenden Einspareffekten für die Arbeitgeber. Verdi beziffert diesen Effekt ab 2006 jährlich auf 0,5 Prozent der Personalkosten.

Arbeitszeit

Die tarifliche Arbeitszeit liegt im Westen derzeit bei 38,5 Stunden und im Osten bei 40 Stunden. Eine Arbeitszeitverlängerung kommt für Verdi nicht in Frage. Stattdessen wird die Zeit über das Instrument von Korridoren und Konten flexibler und kostengünstiger eingesetzt. So kann künftig 45 Stunden die Woche ohne Überstundenzuschläge gearbeitet werden. In Bereichen, die im Wettbewerb mit Privaten stehen, zum Beispiel Flughäfen, sind bis zu 48 Stunden möglich. Die Arbeitgeber sparen also Geld und können das Personal zielgenauer einsetzen. In Freibädern kann etwa im Sommer länger gearbeitet werden oder in Kfz-Zulassungsstellen im Frühjahr. Binnen eines Jahres müssen die Arbeitszeitkonten ausgeglichen werden.

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