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Mein ERSTES Geld (94): Eine Metapher ohne Belang

Das erste Geld, welches ich verdienen durfte, war ein Hühnerei. Ich erhielt es als Vierjähriger dafür, dass ich der Nachbarin in ihrem Garten beim Jauchen „half“.

Das erste Geld, welches ich verdienen durfte, war ein Hühnerei. Ich erhielt es als Vierjähriger dafür, dass ich der Nachbarin in ihrem Garten beim Jauchen „half“. Meine Begeisterung war groß, die meiner Mutter eher durch Zurückhaltung gekennzeichnet, zumal das „verdiente“ Hühnerei in der stolz verkrampften Hand zerbrochen war und in langen Fäden den Arm hinunterlief, als ich es meiner Mutter überreichen wollte. Wie gewonnen so zerronnen.

Dabei hatte ich schon Geld verloren, ich erfuhr es erst später: Die Währungsreform hatte Geburts-, Tauf- und sonstige Geldgeschenke auf dem eigens für den neuen Weltbürger angelegten Sparbuch bereits zunichte gemacht. Mit seinen Ungültigkeitslöchern liegt es als Menetekel noch in meinem Privatarchiv. Was Geld betrifft, verlass’ dich nicht auf den Staat. Der nimmt es dir irgendwann weg.

Dritte Erfahrung: Spardose. Mit fünf Jahren besaß ich 7,50 – D-Mark, versteht sich. An einem winterlichen Spielabend auf dem Fußboden verlud ich Kieselsteine auf meinen Holzlaster mit einer Vorlegegabel aus zu weichem, weil wohl wertvollem Metall. Ein Zinken abgebrochen. Logische Bestrafung durch die Mutter: Schadenersatzzahlung für das Löten beim Juwelier. Kosten: 7,50 D-Mark. Spare zur Zeit, dann hast du in der Not?

Als Zehnjähriger betätigte ich mich (unfreiwillig) als „Agent“ bei der Wiederbeschaffung eines gestohlenen Fahrzeuges. Dem Nachbarn war ein Kleintransporter abhanden gekommen. Ich fand ihn bei einem „Streifengang“ im Quartier. Finderlohn: 50 D-Mark. Nicht schlecht, aber nicht die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Prozent des Objektwerts. Aus Schaden gelernt. Unverzüglich Rollschuhe gekauft. Einmal getragen, blaue Flecke überall, weitergegeben an einen sportlicheren Freund. Nicht jeder erfüllte Wunsch beglückt.

Lessons learned:

Erstens: Mühe mag sich lohnen, aber die Arithmetik der Gegengabe, ob Hühnerei oder Geld, reicht nicht als Motiv.

Zweitens: Geld, das man ausgegeben hat, kann einem niemand nehmen, Mütter nicht und auch nicht der Staat.

Drittens: Ausgegebenes Geld kann schmerzen, nicht wegen des Verlustes, sondern wegen des Gewinns, blaue Flecke für 50 D-Mark.

Was ist also Geld? Eine belanglose Metapher in einer Welt, der andere Ausdrücke der Wertschätzung hingegebener Lebenszeit, vulgo: Arbeit, abhanden gekommen sind. Nicht erst 2009.

Dieter Lenzen (61), Professor für Erziehungswissenschaft,

stammt aus Münster und ist seit 2003 Präsident der Freien Universität. Unter seiner Führung verbesserte sich das Ansehen der Hochschule erheblich. Für einen Eklat sorgt Lenzens Wahl zum Präsidenten der Hamburger Universität am vergangenen Freitag. Die Berliner Politik streitet nun, ob Lenzen nicht hätte gehalten werden müssen.

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