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Vollzeitjob? Oder befristet und nur 20 Stunden die Woche? Im Aufschwung haben die prekären Beschäftigungsverhältnisse deutlich zugelegt.

© dpa

Minijobber und Leiharbeiter: Neue Jobs sind meistens prekär

Die weitaus meisten zusätzlichen Arbeitsplätze im Aufschwung sind unsicher und oft schlecht bezahlt. Rund drei Viertel der 2010 geschaffenen Stellen sind "atypisch", wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte.

Berlin - Die meisten zusätzlichen Arbeitsplätze im Aufschwung sind unsicher und oft schlecht bezahlt. Rund drei Viertel der 2010 geschaffenen Stellen werden als „atypisch“ qualifiziert, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit. Atypisch bedeutet, dass die Stellen befristet sind, schlecht bezahlt werden, als Teilzeitjobs weniger als 20 Stunden die Wochen vorsehen oder zur Zeitarbeit gehören. Besonders stark legte die Zeit- oder Leiharbeit zu, hier gab es im vergangenen Jahr einen Anstieg um 182 000 auf 742 000 Stellen und damit „einen neuen Höchststand“, wie das Statistische Bundesamt schreibt. Das starke Wachstum dieser Beschäftigungsform ärgert die Gewerkschaften, die den Arbeitgebern vorwerfen, billige Leiharbeitnehmer dauerhaft in den Betrieben einzusetzen und nicht nur, um konjunkturelle Spitzen abzubauen. Die IG Metall will deshalb das Thema in den Mittelpunkt der nächsten Tarifrunde stellen.

„Wenn Arbeit zur Ramschware wird, hat die Politik eindeutig versagt“, kommentierte IG-Metall-Chef Berthold Huber die jüngsten Zahlen der Statistiker. Alles in allem arbeiteten im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik gut 7,8 Millionen Menschen geringfügig oder prekär, das waren 243 000 mehr als im Krisenjahr 2009. Die Zahl der abhängig Beschäftigten insgesamt stieg im gleichen Zeitraum um gut 320 000 auf knapp 31 Millionen. „Vor allem Zeitarbeit und befristete Beschäftigung wurden von den Unternehmen als Mittel genutzt, um flexibel auf die konjunkturellen Veränderungen zu reagieren“, resümierte das Statistische Bundesamt und stellte sich mit dieser Interpretation gegen die Gewerkschaften. Metallerchef Huber dagegen reklamierte „eine faire Ordnung auf dem Arbeitsmarkt“. Wenn sieben Millionen Menschen in Minijobs arbeiteten, „hat die Politik die Reformschraube überdreht“, meinte Huber und plädierte für gleichen Lohn für gleiche Arbeit in der Leiharbeit und flächendeckende Mindestlöhne.

Trotz des Stellenabbaus im Krisenjahr 2009, der damals vor allem Leiharbeiter traf, „hat die Zeitarbeit zwischen 2008 und 2010 im Saldo aber um 21,2 Prozent zugenommen“, schreibt das Statistische Bundesamt. Immerhin, so haben die Statistiker weiter berechnet, befanden sich zuletzt mit mehr als 500 000 Zeitarbeitnehmern „gut zwei Drittel in einer unbefristeten, sozialversicherungspflichtigen Anstellung und arbeiteten mindestens 21 Stunden die Woche“. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass diese Gruppe vermutlich vom Arbeitslohn leben kann.

Die geringfügige Beschäftigung hat in den vergangenen Jahren ganz maßgeblich zum Druck auf die Löhne beigetragen. Das gilt für die Arbeitnehmerzulassung, die die Leiharbeit regelt, ebenso wie für die Hartz-Gesetzgebung und die Ausweitung von 400-Euro-Jobs. Bereits die rot-grüne Bundesregierung hatte mit diversen Maßnahmen zu einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und der Ausweitung des Niedriglohnsektors beigetragen. Wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung jetzt ermittelte, sind auch deshalb die realen Einkommen in den vergangenen zehn Jahren gesunken. Und zwar nach einem einfachen Muster: Je geringer das Gehalt, desto größer die Einbuße über die gesamte Dekade.

Zum Thema „Lohndrückerei“ äußerte sich am Dienstag die DGB-Vorsitzende von Berlin und Brandenburg, Doro Zinke. Wenn, wie berichtet, die Hälfte der Fachhochschulabsolventen die Stadt verlassen, um andernorts zu arbeiten, hängt das nach ihrer Einschätzung auch mit dem Geld zusammen. In Berlin liegen Zinke zufolge die Gehälter um 20 bis 25 Prozent unter dem Niveau in Westdeutschland. Dabei müsse in Berlin als „Stadt der Wissenschaft auf das Einkommen mehr Wert gelegt werden“.

IG-Metall-Chef Huber wies darauf hin, dass Mindestlöhne und gleicher Lohn für Leiharbeiter den Steuerzahler „keinen einzigen Cent“ kosten würden. Doch sowohl die Binnenkonjunktur als auch die Sozialsystem würden profitieren. In der Metallindustrie liege der Unterschied zwischen dem niedrigsten Tarif und dem Lohn von Leiharbeitern inzwischen bei 776 Euro im Monat.

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