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Wirtschaft: Mobilcom-Gründer pokert gegen sich selbst

Gerhard Schmid hat ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut – jetzt überspannt er den Bogen

Berlin. Was andere denken, wie andere ihre Geschäfte betreiben, das interessiert Gerhard Schmid wenig. Er hat seinen eigenen Kopf, geht seine eigenen – meist unkonventionellen Wege. Das war seine Stärke. Mit seinen Ideen hat er Mobilcom zu einem der erfolgreichsten und am schnellsten wachsenden Unternehmen gemacht. Nicht zuletzt seine Mitarbeiter haben ihn dafür bewundert. Die Begeisterung für den früheren Chef ist längst umgeschlagen. Jetzt haben sie Angst – um die Existenz von Mobilcom und um ihre Jobs. „Herr Schmid hat längst die Beziehung zur Realität verloren“, sagen sie.

Die Realität sieht für die Mitarbeiter so aus: Bei Mobilcom steht der rote Insolvenz- Ordner schon seit einigen Wochen griffbereit im Schrank. Für ein paar Tage reicht das Geld noch. Doch wenn nicht bald frisches Kapital von den Banken kommt, dann ist Schluss. Dann stehen mehr als 5000 Mitarbeiter auf der Straße. Das einzige, was im Moment zur Rettung fehlt, ist Schmids Unterschrift unter einen Treuhandvertrag.

Aber Schmid weigert sich. Seit Wochen streitet er mit dem Bundeswirtschaftsministerium um die Bedingungen, zu denen er sein Aktienpaket auf einen Treuhänder übertragen soll. Solange Schmid als Großaktionär noch Einfluss auf das Unternehmen nehmen kann, wollen die Banken kein Geld geben und der ehemalige Partner France Télécom Mobilcom die Schulden nicht erlassen. Schmid pokert. Sein Einsatz ist hoch. „Schmid hat immer durch gute Ideen Vorteile für sich herausgeschlagen, in Verhandlungen hat er immer besser abgeschnitten als andere“, sagen Mitarbeiter. Früher haben sie davon profitiert, heute könnte sie das ihren Job kosten. „Schmid versucht auch jetzt wieder, das Maximale für sich zu erreichen. Das ist purer Eigennutz“, klagt ein Mitarbeiter. Er und seine Kollegen sehen das so: „Wir haben ihm geholfen, Mobilcom groß zu machen. Jetzt verlangen wir, dass er uns hilft.“

In den Augen der Mitarbeiter geht es Schmid nur noch um eines: um sein Geld. Aber auch das setzt er aufs Spiel, wenn er sich nicht mit dem Wirtschaftsministerium einigt. In den Boom-Zeiten im Frühjahr 2000 erreichte die Mobilcom-Aktie ihren Höchststand bei rund 200 Euro. Das Unternehmen war 13 Milliarden Euro wert, 5,2 Milliarden davon gehörten Schmid. Heute sind es immerhin noch etwa 130 Millionen Euro. Bald könnte der Wert der Aktien auf null schrumpfen: wenn Mobilcom pleite geht.

Bis Ende des vergangenen Jahres kannte die Karriere Gerhard Schmids nur eine Richtung. „Alles was er angefasst hat, hat geklappt“, sagt ein Mitarbeiter. Vor 51 Jahren im fränkischen Selb als Sohn eines Maurers geboren, war Schmid die Unternehmerkarriere nicht gerade vorbestimmt. Doch er hat sich rasch hochgearbeitet, zunächst beim Porzellanhersteller Hutschenreuther, später bei der Autovermietung Sixt. In seinem Berufsleben seien ihm die Fähigkeiten, die er als Eishockeyprofi erworben hat, zugute gekommen, sagen Beobachter: Niederlagen einstecken, trotzdem weitermachen und nicht zimperlich sein.

Hemdsärmelig und zupackend, so wird der bullig-wirkende Schmid oft beschrieben. Aber was die, die mit ihm zusammengearbeitet haben, besonders loben, ist seine Fähigkeit, schnell zu denken und seine Ideen sofort umzusetzen. Auch ungewöhnliche Ideen. Es wird nicht lange debattiert, Schmid trifft seine Entscheidungen schnell. Bei den Medien kommt seine oft provokante Art gut an, und er weiß die Medien auch für sich zu nutzen. Er scheut sich nicht, die Telekom und andere Konkurrenten lautstark anzugreifen. Mit den Schlagzeilen, die er 1998 liefert, als der deutsche Telefonmarkt liberalisiert wurde, sparte er dem Unternehmen Werbeausgaben von 40 Millionen Mark im Jahr, heißt es bei Mobilcom. Wenn er die Telekom mal wieder frech herausforderte, haben die Mitarbeiter ihn bejubelt. Eine richtige Kampfstimmung habe geherrscht, sagt einer, der seit acht Jahren bei Mobilcom ist. Alle hätten hinter Schmid gestanden.

Unter den Chefs der deutschen Telekommunikationsbranche ist Schmid ein Außenseiter. Die anderen sind Manager, er ist Unternehmer. Schmid ist Mobilcom – jedenfalls bis Mitte 2000. Da geht er die Partnerschaft mit France Télécom ein. Eine für die ganze Branche überraschende Allianz: der französische Staatskonzern lässt sich mit dem Self-made-Unternehmer Schmid ein. Der will mit der Mobilcom, die zunächst mit dem Vermarkten von Mobilfunkverträgen für andere Netzbetreiber groß wurde und später unter der Vorwahl 01019 mit dem Angebot günstiger Festnetztelefonate über die Leitungen der Telekom erfolgreich war, zu einem Netzbetreiber aufsteigen. Bei der neuen Mobilfunktechnik UMTS sollte Mobilcom ganz vorne mit dabei sein. Ohne den Partner France Télécom hätte Schmid den UMTS-Traum nicht finanzieren können.

Zu spät erkannte Schmid, dass der Traum längst geplatzt ist, dass auch der vermeintlich starke Partner France Télécom keine Kuh ist, die sich melken lässt, im Gegenteil. Die Franzosen haben selbst Schulden von 70 Milliarden Euro und unzufriedene Aktionäre. Schmid hat den Bogen überspannt, immer weiter Forderungen gestellt und den Blick für die Realität verloren. Und er pokert immer noch.

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