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Die Zähmung. Am Aktienmarkt steht der Bär für fallende Kurse. Der Grund: Im Kampf reißt er die Pranke herunter.

© imago/Ikon Images

Nach den Börsenturbulenzen: Keine Angst vorm Bärenmarkt

Vielen Kleinanlegern bereitet der jüngste Kurssturz Sorgen. Hier ein paar Tipps für einen ruhigeren Schlaf. Denn nach dem Crash ist vor dem Crash.

Der jüngste Kurssturz hat viele Anleger geschockt. In den USA sackte der Leitindex Dow Jones seit seinem letzten Allzeithoch binnen weniger Tage um neun Prozent ab, der Dax gab 8,4 Prozent nach. Viele Anleger fragen sich daher nun: Ist das eine Trendwende oder nur eine Korrektur der zuvor stark überhitzten Märkte?

DIE EINORDNUNG

Der Kursrutsch Anfang der Woche war heftig – trotzdem ist, wer vor zwei Jahren investiert hat, noch immer kräftig im Plus. So hat allein der Dow  Jones in den letzten zwei Jahren bis zum Allzeithoch am 26. Januar um knapp 11.000 Punkte zugelegt, das war ein Plus von knapp 70 Prozent. Im Dax liegt das Zweijahres-Plus bei 55 Prozent. Große Sorgen seien daher nicht angebracht, meinen Experten. „Fundamental hat sich nichts verändert“, sagt Tom Friess, Deutschland-Geschäftsführer des VZ Vermögenszentrums, das Anlegergelder in Höhe von 17 Milliarden Euro verwaltet. Die jüngste Korrektur zeige vielmehr, dass „der Markt sehr gesund ist“. Wer an den Aktienmärkten investiert sein wolle, müsse „akzeptieren, dass zehn- bis 15-prozentige Korrekturen zu den normalen Rahmenbedingungen gehören“.

Einen Risikoabbau durch Verkäufe hält Friess nicht für nötig, auch nicht in den USA. Allerdings empfiehlt er Anlegern eine erhöhte Aufmerksamkeit, denn diese Einschätzung sei an drei Bedingungen geknüpft: Die Märkte dürften weiter nicht überhitzen, also nicht rasant steigen, die Lage an den Zinsmärkten dürfe sich nicht unerwartet schnell verändern und exogene Schocks müssten ausbleiben.

DIE ENTWICKLUNG DER ZINSEN

Die Sorge vor einer schnellen Folge weiterer Zinsschritte in den USA war neben automatischen Handelsprogrammen einer der Hauptgründe für die jüngsten Kursverluste. In der Tat zeigen die Zinskurven weltweit nach oben. In den USA haben sich die Zinsen für Tagesgeld binnen eines Jahres auf 1,45 Prozent verdoppelt – zehnjährige Anleihen, die im vergangenen Herbst noch gut zwei Prozent abwarfen, rentieren nun mit 2,7 bis 2,8 Prozent. In Deutschland sind es nur 0,7 Prozent, was allerdings nach 0,29 Prozent im Dezember ebenfalls klar auf steigende Renditen hindeutet.

Für den Anleger heißt das Zweierlei: Die Kurse alter Anleihen geben massiv nach. Eine Faustregel etwa besagt, dass sich der Kurs bei zehnjährigen Papieren etwa sieben mal stärker bewegt als der Zins. Eine Zinserhöhung um einen vollen Prozentpunkt hieße, dass der Kurs um sieben Prozent sinkt. „Für uns heißt das schon länger, dass Anleihen mit Laufzeiten von über zwei Jahren tabu sind“, sagt Friess.

Für die Aktienmärkte sei eine sanft steigende Zinskurve eigentlich gesund und wirke stützend. Umgekehrt führten neue Anleihen zu höheren Zinsen, argumentieren andere, aber auch dazu, dass Anleger peu à peu wieder mehr Alternativen zu Aktienmärkten haben. Erst kürzlich etwa sind die Renditen langfristiger Anleihen in den USA wieder über die durchschnittlichen Dividendenrenditen geklettert. Sie errechnen sich aus dem Kurs und der Ausschüttung und sind wegen der langen Phase steigender Kurse auf im Schnitt zwei Prozent gefallen. Damit sind die höheren Renditen von Anleihen wieder attraktiver geworden. Allerdings rechnen nun, nach dem Rücksetzer an den Aktienmärkten, deutlich weniger Investoren noch mit drei schnellen Zinsschritten – vor allem, weil der neue Notenbankchef in den USA seine Amtszeit kaum mit Querschüssen gegen die Anleger beginnen werde.

Auch Henning Gebhardt, Leiter des „Wealth und Asset Managements“ bei Berenberg, glaubt weder an eine schnelle Zinsfolge noch an ein Ende des Bullenmarkts. Kurseinbrüche, die nur mechanisch bedingt seien, böten dem Anleger vielmehr eine gute Möglichkeit zum Nachkaufen. Allerdings müsse man sich wohl auf eine höhere Volatilität einstellen, also auf stärkere Kursschwankungen.

DIE ABSICHERUNG

Wer sich gegen Abstürze sichern will, muss dies berücksichtigen. Denn höhere Schwankungen bedeuten, dass Aktien kurzfristig schnell auf Tiefpunkte zurückfallen können, um sich dann ebenso schnell wieder zu erholen. Der Anleger mit einem allzu knappen Stoppkurs, an dem zur Sicherung automatisch verkauft wird, würde damit ausgestoppt und müsste womöglich auf höherem Niveau wieder einsteigen. Wer nach den Zuwächsen der vergangenen Jahre bereits auf guten Gewinnen sitzt, kann sich auch ein lockeres Limit zur Sicherung von Gewinnen gut erlauben. Wer erst vor Kurzem in der Nähe der Hochs eingestiegen ist, muss entscheiden, ob er kurzfristig denkt oder langfristig investiert bleiben will.

DER KAUF VON GOLD

Alternativ eignet sich als Absicherung auch Gold. Dass das Edelmetall, anders als in fundamentalen Krisen der Vergangenheit, nicht vom jüngsten Absturz profitiert hat, zeigt, dass bisher in Anlegerkreisen keine echte Angst vorhanden ist. Die Feinunze ist zwar seit der letzten Dezemberwoche von 1242 auf 1356 Dollar im Januar geklettert, nun jedoch wieder auf 1324 zurückgefallen. Negativ wiegt beim Gold, dass es keine regelmäßigen Renditen abwirft, zudem in Dollar gehandelt wird und dadurch nicht nur ein Kursrisiko, sondern auch ein Währungsrisiko zu tragen ist. Sollte sich die gegenwärtige Schwäche des Dollar gegenüber dem Euro fortsetzen, würde dies die Rendite für Goldkäufer aus der Euro-Zone deckeln.

UMSCHICHTUNG IN SUBSTANZWERTE

Das Bankhaus Berenberg empfiehlt zur Absicherung künftig möglicher Kursrutscher eine andere Strategie. Man könne in Aktien investiert bleiben, aber durch Umschichtung in sogenannte Value-Titel, also Substanzpapiere, das Risiko reduzieren. Value-Aktien wie Pharma- oder Energiewerte, hätten zuletzt nicht mit den Kursgewinnen bei Wachstumswerten (wie Techkonzernen) Schritt halten können. Gebhardt wiederum sieht nun vor allem jene Aktien als Kaufposition, die im Rücksetzer vom Wochenbeginn auch stark verloren haben, zum Beispiel Halbleiterwerte.

DIE AUSSICHTEN

Auch die deutsche Asset Management, Fondstochter der deutschen Bank, hält trotz der jüngsten Korrektur an ihren Kurszielen für das Jahr 2018 fest. Danach könne der Dax in Regionen über 14 000 Punkte steigen, der Anleger müsse sich aber auf eine ruppige Reise einstellen. Ungewöhnlich sei nicht der jüngste Rücksetzer, sondern eher die Tatsache, dass es einen solchen zuvor seit 400 Tagen nicht mehr gegeben habe. Vor Augen halten müsse sich der Anleger auch, dass der potenzielle Anlass für den Absturz, höhere Zinsen, nicht durch pessimistischere, sondern durch optimistischere Ausblicke zustande komme. Auch gegen eine potenziell steigende Inflation seien Aktien – als Sachwerte – eine sinnvolle Sache.

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