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Wirtschaft: Neue Klage gegen Lebensversicherer

Nachzahlung für Kunden durch Verjährung in Gefahr

Berlin - Der Streit um millionenschwere Nachzahlungen von Lebensversicherern an Versicherungskunden geht in die nächste Runde. Nach Tagesspiegel-Informationen will der Bund der Versicherten mit einer neuen Klage vor Gericht klären lassen, ob sich die Versicherer auf Verjährung berufen und so um eine Nachzahlung herumkommen können. Die Klage soll noch in diesem Jahr eingereicht werden, hieß es auf Anfrage bei der mit dem Verfahren betrauten Kanzlei Tilp und Partner.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Oktober vergangenen Jahres Klauseln für unwirksam erklärt, die in Versicherungsverträgen enthalten waren, welche zwischen 1994 und 2001 abgeschlossenen wurden. Die Unternehmen hatten darin festgelegt, dass bei einer vorzeitigen Vertragskündigung der Rückkaufwert, den die Kunden erhalten, mit den Vertragskosten verrechnet werden darf. Praktisch gingen viele Kunden leer aus, weil die Versicherer aus den Beiträgen der ersten Jahre die Vermittlungsprovisionen ihrer Vertreter finanzieren. Der BGH hatte entschieden, dass die Ausschüttungen einen „Mindestbetrag" nicht unterschreiten dürfen.

Streit gibt es jedoch bei der Frage, ob die Ansprüche der Versicherten inzwischen verjährt sein könnten. Nach dem Versicherungsrecht beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Das hieße: Kunden, die ihre Versicherung im Jahr 2001 oder früher gekündigt haben, müssten befürchten, dass ihre Forderungen am Jahresende verjähren oder inzwischen bereits verjährt sind. Allein bei den Ansprüchen, die Ende 2006 verjähren, „geht es um mehrere Hundert Millionen Euro“, warnt der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Bluhm.

Verbraucherschützer meinen jedoch, dass die Verjährungsfrist erst mit der Urteilsverkündung im vergangenen Herbst zu laufen begann. „Die Kunden konnten doch vorher von ihren Ansprüchen gar nichts wissen“, sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Die Forderungen der Kunden auf eine Rückzahlung würden seiner Meinung nach erst 2010 verjähren, auch wenn die Versicherten ihren Vertrag vor 2005 gekündigt haben.

Sollten sich die Verbraucherschützer durchsetzen, könnte die Sache für die Versicherer teuer werden. Nach Berechnungen der Verbraucherzentrale Hamburg sind von den BGH-Urteilen rund sieben Millionen Verträge betroffen, insgesamt geht es um Nachforderungen von rund 3,5 Milliarden Euro. Bisher hätten jedoch nur wenige tausend Kunden einen Nachschlag gefordert und bekommen, räumt die Verbraucherzentrale ein.

Viele der Kunden, die Nachforderungen stellen, werden mit Hinweis auf die vermeintliche Verjährung abgespeist. Daher soll die Frage jetzt in einem neuen Grundsatzverfahren geklärt werden. Um die Verjährung zu hemmen, sollten betroffene Kunden ihren Nachzahlungsanspruch beim Versicherer anmelden, empfiehlt Anwalt Bluhm. So lange der Versicherer nicht antwortet, ist die Verjährung gehemmt. Zudem kann der Kunde den Versicherungsombudsmann anrufen und dadurch Zeit gewinnen (beschwerde@versicherungsombudsmann.de). Erklärt der Ombudsmann jedoch, dass er das Verfahren nicht annimmt, weil es sich dabei um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, läuft die Verjährung weiter. Dauerhaft kann die Verjährung nur dadurch gehemmt werden, dass Klage erhoben wird.

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