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Wirtschaft: Nur Inflationsausgleich für Rentner

BONN (sm/gof/HB). Im Deutschen Bundestag ist es am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde zu einem Schlagabtausch zwischen Opposition und Regierung über vermutete Sparpläne von Arbeitsminister Walter Riester (SPD) für die Renten gekommen.

BONN (sm/gof/HB). Im Deutschen Bundestag ist es am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde zu einem Schlagabtausch zwischen Opposition und Regierung über vermutete Sparpläne von Arbeitsminister Walter Riester (SPD) für die Renten gekommen. Nach Informationen des "Handelsblatts" will Riester die Netto-Anpassungsformel, nach der die Renten entsprechend den durchschnittlichen Lohnsteigerungen des Vorjahres aufgestockt werden, in den Jahren 2000 und 2001 aussetzen. In diesen beiden Jahren sollen die Rentner lediglich einen deutlich geringeren Inflationsausgleich erhalten. Auf diese Weise will Riester verhindern, daß Steigerungen der Nettolöhne aufgrund von Steuersenkungen und Verbesserungen für Familien an die Rentner weitergegeben werden. Statt einer Rentenerhöhung von drei bis vier Prozent, wie sie nach der bisherigen Formel für das Jahr 2000 erwartet wird, werden die Renten nach Riesters Plan aufgrund der geringen Preissteigerungen voraussichtlich um deutlich weniger als ein Prozent steigen.

Riester mochte die Pläne im Bundestag weder bestätigen noch dementieren und verwies darauf, daß das Kabinett erst am 30. Juni eine Entscheidung treffen werde. Die Opposition sprach von "Rentenwillkür" und "Wählerbetrug". Der Arbeitsminister warf der Opposition vor, Ängste bei den Rentnern zu schüren.

Durch eine um etwa drei Prozentpunkte geringere Rentensteigerung kann die Rentenversicherung gut zehn Mrd. DM im Jahr einsparen. Da die Rentenanpassung am 1. Juli in Kraft tritt, ergeben sich für das zweite Halbjahr 2000 Minderausgaben von etwa fünf Mrd. DM. Bei ähnlicher Entwicklung könnten 2001 sogar 15 und in den Folgejahren jeweils 20 Mrd. DM eingespart werden. Dadurch würden die Beitragszahler und der Bund deutlich entlastet.

Durch die Abkoppelung von der Nettolohnentwicklung wird das Nettorentenniveau von derzeit knapp 70 Prozent innerhalb von zwei Jahren auf rund 65 Prozent gesenkt. Den Rentnern werden auf diese Weise die Steuersenkungen im Jahr 1999 und die vom Verfassungsgericht verordneten Verbesserungen der Familienleistungen, die 2000 in Kraft treten müssen, vorenthalten. Von 2002 an sollen die Renten wieder entsprechend der Nettolohnentwicklung des Vorjahres angehoben werden. Um die Absenkung des Rentenniveaus "sozial ausgewogen zu gestalten" (Riester), soll eine neue Mindestrente geschaffen werden. Dabei könnten die Renten von Versicherten, die eine bestimmte Zahl von Beitragsjahren erreicht haben, auf einen Mindestbetrag aufgestockt werden. Eine Alternative ist die "bedarfsorientierte Mindestrente", auf die neben den Renten auch andere Alterseinkünfte angerechnet würden. Dies würde nach früheren Berechnungen der SPD zu Mehrausgaben von 3,8 Mrd. DM in Westdeutschland führen. Dem stünden Einsparungen bei der Sozialhilfe von 2,3 Mrd. DM gegenüber. Da Finanzminister Hans Eichel (SPD) nicht bereit ist, die Mehrausgaben zu tragen, sollen sie im Rahmen der Rentenversicherung finanziert werden. Langfristig sollen Ausgaben für die Mindestrente durch Einsparungen bei den Hinterbliebenenrenten ausgeglichen werden. Über Ausgestaltung und Zeitplan für die Reformstufen wollen die Sozialexperten der Koalition beraten.

Auf Kürzungen muß sich auch der öffentliche Dienst einstellen. Der von der alten Bundesregierung eingeführte Eigenanteil der Beamten zur Sicherung ihrer Pensionen in Höhe von 0,2 Prozent der Bezüge soll deutlich aufgestockt werden. Im Gespräch ist ferner eine verzögerte Anpassung der Besoldung sowie die Streichung von Zulagen. Auch die Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst müssen mit Kürzungen bei der Zusatzversorgung rechnen.

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