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Wirtschaft: "Oder Valley": Der Aufschwung Ost - teuer erkauft

Das Hallo war groß in Potsdam an dem Tag, als die Landesregierung die frohe Kunde über ihren Coup in Frankfurt (Oder) verbreitete. Ein hochmoderndes Chipwerk solle in der strukturschwachen Grenzstadt entstehen, das ab 2003 Arbeit für 1500 Menschen im Werk direkt biete und noch einmal für bis zu 2500 Menschen in den Zulieferbetrieben, hieß es.

Das Hallo war groß in Potsdam an dem Tag, als die Landesregierung die frohe Kunde über ihren Coup in Frankfurt (Oder) verbreitete. Ein hochmoderndes Chipwerk solle in der strukturschwachen Grenzstadt entstehen, das ab 2003 Arbeit für 1500 Menschen im Werk direkt biete und noch einmal für bis zu 2500 Menschen in den Zulieferbetrieben, hieß es. Der weltweit führende US-Chiphersteller Intel, das Emirat Dubai und das Frankfurter Institut für Halbleitertechnik (IHP) wollen dort hochmoderne Mikroprozessoren bauen. Ein mehr als drei Milliarden Mark schweres industrielles Großprojekt habe man damit an Land gezogen, brüstete sich Manfred Stolpes Große Koalition, vergleichbar nur der Erdöl-Raffinierie in Leuna oder dem Infineon-Werk in Dresden. Sein Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU) sah sein Land Brandenburg gar schon bald in der "Weltliga der Hochtechnologie" spielen. Doch der Traum vom Oder Valley, ähnlich dem Silicon Valley in Kalifornien, scheint teuer erkauft, womöglich zu teuer für ein finanziell klammes Land wie Brandenburg. Und schon gar nicht kann dieser Fall ein Vorbild sein dafür, wie der Aufbau Ost zu bewerkstelligen wäre und die neuen Bundesländer endlich Anschluss an den wirtschaftlich immer mehr enteilenden Westen fänden.

Natürlich wäre das Chipwerk für die Menschen in Frankfurt ein Meilenstein. Nicht nur fänden viele ehemalige Beschäftigte des einstigen DDR-Halbleiterwerks einen neuen Brötchengeber. Auch hätte die Ansiedlung Signalcharakter für eine vom Kapitalismus in der Vergangenheit nicht eben verwöhnte Region. Der Preis, den die Landesregierung dafür zahlen will, ist freilich hoch. Mögliche Bürgschaften nicht eingerechnet, könnte das Projekt Bund und Land eine Milliarde Mark und mehr an Subventionen kosten - noch steht die Finanzierung nicht. Dabei scheint auch das Risiko zwischen privatem Investor und öffentlicher Hand ungleich verteilt. Sollte das Projekt scheitern - was im sehr zyklenabhängigen Halbleitergeschäft keine Überraschung wäre - kann Intel trotzdem die ausgeklügelte, weltweit einmalige Technik des IHP-Instituts mitnehmen und anderweitig vermarkten - ohne eine Mark in die Forschung gesteckt zu haben. Das mag das Interesse der Amerikaner zum Teil erklären.

Doch auch wenn die Geschichte gut ausgeht, eines zeigt sie ganz gewiss: Wenn Investoren sich nur nach Ostdeutschland wagen, wenn sie vom Staat mit Millionen und Milliarden dorthin gelockt werden und einen Gutteil der Investition praktisch geschenkt bekommen, ist etwas faul. Weder der Bund noch die Länder in Ostdeutschland können jeden Tag mit prallen Spendierhosen umherziehen und Firmen mit üppigen Geldgeschenken ködern. Dazu stehen sie zu Tief in der Kreide und können auf keine Mark leichtfertig verzichten.

Subventionen im großen Stil aber wären nötig, um die neuen Bundesländer auch nur annähernd auf den Stand der alten Länder zu bringen. Jedes wirtschaftliche Engagement ist aber naturgemäß mit dem Risiko des Scheiterns behaftet - die Möglichkeit, dass Steuerzahlers Subventionsmillionen in den Sand gesetzt werden, besteht also immer, wie in der Vergangenheit mehrfach zu besichtigen war. Dies wäre ein Spiel mit hohem Einsatz und ebenso hohem Risiko.

Geschehen muss freilich etwas. Die Zahlen sind alarmierend: Beim Wachstum fällt der Osten immer weiter zurück. Im Jahr 2000 legte der Westen um 3,4 Prozent zu, der Osten hingegen nur um magere 1,3 Prozent. Doch wie bewegt man die Unternehmen dazu, von allein den Osten zu entdecken? Indem man die Fessel der Tarifverträge lockert und die Zahlung solcher Löhne zulässt, die der Produktivität der Arbeitnehmer in den Betrieben entsprechen. Und indem man den Ländern erlaubt, die Höhe einiger Steuersätze selbst zu bestimmen und so den Wettbewerb befördert. All das sind Vorteile, die nicht unbedingt Milliarden kosten, auf lange Sicht aber weitaus wirkungsvoller sein können. Zehn Jahren nach der Einheit benötigt das Projekt "Aufschwung Ost" dringend neue Ideen, wie die Wirtschaft angekurbelt werden könnte - denn die alten sind nachweislich gescheitert.

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