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Glückliche Hühner. Um Öko-Eier zu legen, dürfen die Tiere keine künstlichen Futtermittelzusätze bekommen.

© dapd

Dioxin-Skandal: Öko-Hennen gesucht

Die Verbraucher greifen wegen des Dioxin-Skandals auf Bio-Lebensmittel zurück. Doch auch dort gibt es Unterschiede.

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Berlin - Der Dioxinskandal verunsichert die deutschen Verbraucher. Kein Wunder: Mehr als ein Viertel der untersuchten Eier sind mit Dioxin belastet. Und womöglich steckt das Gift auch in Geflügel- oder Schweinefleisch. In Niedersachsen wurden wegen Dioxinverdachts erneut 934 Tiermast- und Legehennenbetriebe gesperrt, wie das Bundesverbraucherministerium am Samstag mitteilte.

Immer mehr Menschen greifen daher zu Bio-Produkten. So liegt die Nachfrage nach Bio-Eiern derzeit um das Drei- bis Vierfache höher als normal, berichten die Erzeuger, die dem ökologischen Anbauverband Naturland angeschlossen sind. „Hätten wir mehr Öko-Hennen, könnten wir sehr viel mehr Bio-Eier ausliefern“, sagt Naturland-Sprecher Carsten Veller. Wer abends in den Supermarkt ginge, könne derzeit Pech haben und keine BioEier mehr bekommen. „Die BioBranche profitiert stark vom Dioxin-Skandal“, bestätigt auch Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg. Angesichts des Dioxin-Skandals dächten die Menschen mehr darüber nach, was sie konsumierten. Vom aktuellen Futtermittelskandal sind Bioeier nach bisherigen Erkenntnissen nicht betroffen, da Bio-Betriebe keine chemisch verarbeiteten Stoffe verfüttern dürfen.

Doch dass Verbraucher mit Bio-Produkten immer auf der sicheren Seite sind, ist ein Trugschluss. Im Mai 2010 wurde Dioxin nicht etwa in konventionellen, sondern in Bio-Eiern gefunden. Futterlieferanten hatten damals mit Dioxin belasteten Bio-Mais aus der Ukraine eingekauft. Betroffen waren unter anderem Höfe des Anbauverbands Naturland. „Als Folge des Skandals haben wir die Verträge mit einer Futtermühle gekündigt“, sagt Carsten Veller. Außerdem müssten die angeschlossenen Futtermühlen nun jährlich Rechenschaft darüber ablegen, woher das von ihnen verarbeitete Getreide stamme. Dem Erfolg hat der Skandal keinen Abbruch getan. 2010 stieg der Umsatz der Bio-Branche in Deutschland geschätzt um fünf Prozent auf 5,8 Milliarden Euro.

Doch „Bio“ ist ein dehnbarer Begriff. Die Hürden, die Unternehmen überwinden müssen, um sich mit dem seit Juli 2010 eingeführten EU-Bio-Siegel schmücken zu können, seien insgesamt sehr hoch, „was wir natürlich begrüßen“, sagt Renée Herrnkind vom Bio-Verein Demeter e.V. Das Gütesiegel sei jedoch nur ein Mindestmaß. Denn wo Bio draufsteht, darf nach den EU-Richtlinien auch anderes drin sein: 95 Prozent der Zutaten müssen aus dem ökologischen Landbau stammen, die restlichen fünf Prozent können auch aus der konventionellen Landwirtschaft kommen.

Zudem müssen Bio-Lebensmittel unter dem EU-Siegel nicht frei von Zusatzstoffen sein. „Von den gut 300 Zusätzen, die auch in der herkömmlichen Lebensmittelproduktion verwendet werden dürfen, können immerhin knapp 50 in Bio-Lebensmitteln verarbeitet werden“, sagt Martin Rücker von der Organisation Foodwatch. Darunter befänden sich auch problematische Substanzen wie etwa das umstrittene, aus Rotalgen gewonnene Verdickungsmittel Carrageen (E 407), das in Tierversuchen zu Geschwüren und Veränderungen im Immunsystem führte. Problematisch sei auch die Verwendung von Nitritpökelsalz. Daraus können sich unter Umständen im menschlichen Magen krebserregende Nitrosamine bilden. Gerade Hersteller, die ihre Lebensmittel im großen Stil industriell herstellen, greifen aus produktionstechnischen oder ästhetischen Gründen auf Zusatzstoffe zurück. In den Regalen der Supermärkte sind die Produkte kaum noch von anderen Lebensmitteln zu unterscheiden.

„Insgesamt stellen wir fest, dass immer mehr Bio-Lebensmittel, die mittlerweile in Deutschland angeboten werden, ein Abbild der konventionellen Lebensmittel sind“, sagt Rücker. Dies führe dazu, dass die Produkte zwar nach den EU-Richtlinien als ökologisch gelten, „mit echter Nachhaltigkeit oder Gesundheitsbewusstsein hat das aber wenig zu tun.“ Diese Meinung teilt auch Renée Herrnkind von Demeter. Zudem sieht sie das Problem, dass die industriellen Strukturen der Bio-Lebensmittelhersteller mehr Potenzial für Betrüger böten. Auch wenn die Regularien in der Bio-Landwirtschaft strenger seien, „wer betrügen will, wird es in solchen Strukturen auch schaffen.“

Bei Demeter gelten, wie auch bei Natur- oder Bioland, darum weit strengere Auflagen. So müssen Demeter-Betriebe anders als in den EU-Richtlinien, die auch Teilumstellungen erlauben, komplett auf Bio umgestellt sein. Und zwar nicht nur, weil die Teilumstellung Abgrenzung und Kontrolle erschwert, sondern aus Überzeugung. Auch das Futter ist zu 100 Prozent Bio, mindestens die Hälfte stammt aus eigener Herstellung. Stoffe wie Nitritpökelsalz und natürliche Aromen sind verboten.

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