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Wirtschaft: Ostdeutschland im Vorteil

Eine Studie zeigt: Die neuen Länder sind viel besser als ihr Ruf – und als osteuropäische Konkurrenten

Berlin - Der Ruf ostdeutscher Städte bei internationalen Investoren ist verheerend. Unflexibel und zu teuer sind die Arbeitnehmer. Da geht man doch lieber direkt nach Osteuropa. „Gegen das Klischee kommen wir kaum an“, sagt Birgit Monßen von der Dresdner Wirtschaftsförderung. „Aber kommt ein Investor erst einmal in die Stadt, heißt es: Das hab ich mir ja alles ganz anders vorgestellt.“ Auch Wolfgang Tiefensee (SPD), Bundesverkehrsminister und außerdem Beauftragter der Regierung für die neuen Länder, stellt den meisten ostdeutschen Städten ein gutes Zeugnis aus. Bewegliche Behörden gebe es hier mittlerweile – sowie flexible, günstige und gut ausgebildete Arbeitskräfte. „Noch“, schränkte Tiefensee allerdings am Mittwoch bei der Vorstellung einer Studie ein. Bisher würden die Vorteile des Standorts Ostdeutschland häufig nicht wahrgenommen.

Um die Stärken sichtbar zu machen, haben zehn ostdeutsche Städte (Berlin, Potsdam, Rostock, Greifswald, Halle, Leipzig, Dresden, Erfurt, Jena und Gera) eine Studie bei den Wirtschaftsberatern von KPMG in Auftrag gegeben. Darin werden die Standorte nach 15 Kriterien mit zehn osteuropäischen Städten, die in den vergangenen Jahren erfolgreich bei der Anwerbung von Investoren waren, verglichen (Pilsen, Brünn, Wroclaw, Warschau, Krakau, Bratislava, Kosice, Szekesfehervar, Riga und Tallinn). „Ostdeutschland schneidet bei fast allen Kriterien sehr gut ab“, sagte Andreas Dressler, KPMG-Fachmann für Standortfragen. Vor allem habe man auf die Voraussetzungen geschaut, die hochwertige Produzenten nachfragen würden, erklärte Dressler. Deshalb habe bei der Studie der Faktor Arbeitskosten keine Rolle gespielt, weil er bei diesen Unternehmen weniger ins Gewicht falle. Im Vordergrund standen Infrastruktur, Qualifizierung der Arbeitnehmer, Lebensqualität sowie die Aktivitäten bei Forschung und Entwicklung.

Hervorragend schneiden die ostdeutschen Städte ab zum Beispiel bei den Forschungsausgaben und den angemeldeten Patenten, die einen Hinweis darauf geben, wie effizient Forschungsmittel eingesetzt werden (siehe Grafik). Außerdem machen sich die Milliardeninvestitionen in ein gut verzweigtes Autobahnnetz, in die Schiene und die Flughäfen – wie Leipzig/Halle – deutlich bemerkbar. Die Transportkosten für eine Standardlieferung von einer osteuropäischen Stadt zum Kunden liegen im Mittel um 55 Prozent über dem, was ein Produzent zahlen muss, der in einer der ostdeutschen Städte sitzt. Da würden Lohnkostenvorteile der osteuropäischen Standorte schnell wieder aufgezehrt, sagte KPMG-Experte Dressler.

Doch auch die Lohnkosten könnten sich sehen lassen, sagte Jenoptik-Chef Alexander von Witzleben. Die Beschäftigten am Standort Jena verdienten 40 bis 50 Prozent weniger als die Kollegen in Baden-Württemberg. „Das ist auch richtig so“, sagte von Witzleben. „Jena ist so konkurrenzfähig wie noch nie.“

In ihrer Studie beschränkt sich KPMG allerdings auf den Vergleich von Durchschnittszahlen der ostdeutschen Städte mit der osteuropäischen Konkurrenz, für die auch jeweils die Einzelergebnisse ausgewiesen werden. Für Ostdeutschland habe man auf die Detaildarstellung verzichtet, um keine Rangliste zu machen, die nur vom Vergleich mit Osteuropa ablenken würde, erklärte Dressler.

Minister Tiefensee kündigte an, den Standort Deutschland besser international vermarkten zu wollen. Im kommenden Jahr sei die Fusion der Marketingagentur „Invest in Germany“ und des „Industrial Investment Council“, das sich um die Anwerbung von Investoren für Ostdeutschland kümmert, abgeschlossen. Gleichzeitig werde der Etat auf 16 Millionen Euro aufgestockt. Tiefensees Ministerium steuert fünf Millionen Euro zusätzlich bei – und zwar für den Standort Ostdeutschland. „Wir sind hier noch nicht gut genug“, sagte der Minister.

Die Studie im Internet:

http://www.rostock-business.com/download/Standort-Ostd-091006.pdf

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