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Alles Kommerz. Der Osterhase reiht sich ein in eine Riege illustrer Schokoweihnachtsmänner und -frauen. Foto: p-a/dpa/dpaweb

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Oster-Geschäft: Ei du fröhliche

Ostern ist das neue Weihnachten. Der Handel inszeniert das Fest immer größer, um das Geschenkegeschäft anzukurbeln.

Berlin - Die Geschichte der Hohlfigur klingt ein wenig zu süß, um wahr zu sein. Es soll sich im Frühling 1952 zugetragen haben, dass ein Hase durch den Garten eines Schokoladenarbeiters in der Schweiz hoppelte und dessen kleinen Sohn in Verzückung versetzte. Bis sich das Tierchen wieder trollte – und das Kind in Tränen aufgelöst zurückließ. Um es zu trösten, soll sein Vater, der Schokoladenfachmann, ein Ebenbild des Hasen in Kakaomasse entworfen haben.

Ein halbes Jahrhundert später ist daraus ein riesiges Geschäft geworden. 100 Millionen Goldhasen aus Schokolade verkauft der Schweizer Süßwarenkonzern Lindt & Sprüngli jedes Jahr. Doch an Ostern allein Naschwerk und ein paar bunte Eier unter die Leute zu bringen, reicht dem Handel heute längst nicht mehr. Die Konsummaschine hat das wichtigste Fest der Christen längst vereinnahmt und beutet es für ihre Zwecke aus. „Das Osterfest ist der zweitwichtigste Geschenkeanlass des Jahres geworden, ein bisschen wie ein kleines Weihnachten“, sagt eine Sprecherin des Einzelhandelsverbandes HDE.

Seit Wochen schon läuft die Werbung auf Hochtouren, legen Dekorateure Überstunden ein. Mannshohe Ostereier sollen etwa am Potsdamer Platz die Kunden zum Kauf treiben. „Ostern ist für den Handel bedeutender als noch vor ein paar Jahren“, sagt Harald Boll, Manager beim Einkaufscenter-Betreiber ECE. Er ist auch für sieben Berliner Häuser verantwortlich, etwa das Gesundbrunnen-Center. „Die Leute kommen vor allem unmittelbar vor dem Fest, wie in der Weihnachtszeit auch.“ In diesem Jahr habe das schöne Wetter den Trend noch verstärkt.

Wurden zu Ostern noch vor ein paar Jahren allenfalls Eier und Süßes verschenkt, sind die Ansprüche mittlerweile gestiegen, und die Geschenke werden teurer: Lego-Baukästen für bis zu 100 Euro, Fußballtore, Lernbücher und teure Spielzeugautos ordern schenkwillige Eltern am liebsten, ergab eine Erhebung des Kaufportals shopping.de. Die Erwachsenen sind nicht minder anspruchsvoll: Sie verschenken Parfum, Bücher oder DVDs. Schon ein Fünftel der Bürger, ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov, ist bereit, mehr als 25 Euro für ein Ostergeschenk auszugeben. Selbst Schmuck läuft gut. „In der Osterwoche liegt unser Umsatz um 40 Prozent höher als in einer normalen Woche“, sagt Johannes Kick, Vertriebschef der Juwelierkette Christ. „Bis zu 100 Euro für ein Geschenk sind heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr, darauf richten wir uns ein.“

Seit Jahren beobachten Handelsexperten, wie die Branche einzelne Feste und Anlässe immer intensiver pflegt und bewirbt: neben Weihnachten das Osterfest, den Valentins- und den Muttertag sowie Halloween, den Import aus Amerika. „Wegen des scharfen Wettbewerbs im Einzelhandel versuchen die Geschäfte, sich Events zu schaffen und so die Konsumlust zu steigern“, sagt Thomas Harms, Einzelhandelsexperte der Beratungsfirma Ernst & Young. Auch die Konkurrenz durch das Internet mache Händlern Sorge, vor allem in den Bereichen Elektronik und Bekleidung. „Viele empfinden das Netz als Bedrohung, da kommen ihnen Sonderanlässe gerade recht, um mehr Geschäft zu machen“, hat Harms beobachtet.

Schon sinniert der traditionell margenschwache Handel darüber, sich weitere Events zu schaffen, um das Geschenkegeschäft anzukurbeln. „Beim Weltkindertag kann man analog zum Mutter- und Vatertag noch einiges machen“, findet Willy Fischel, Geschäftsführer beim Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels. „Das hat im Fokus der Eltern und Großeltern als Schenkanlass noch nicht die richtige Bedeutung.“ Andere haben den Schulanfang nach den Sommerferien im Blick. „Das wird in den USA richtig groß gefeiert“, weiß Berater Harms. „Bei uns ist man da noch zurückhaltend.“

Dass die Maschen des Handels verfangen, liegt auch an der wachsenden Sucht der Verbraucher nach Unterhaltung, Glamour und Events. Das Normale, der Alltag werden kaum mehr wahrgenommen, Außergewöhnliches muss her. Zumal die religiöse Bedeutung von Ostern schwindet – für sechs von zehn Deutschen spielt sie keine Rolle mehr. In der durchökonomisierten Gesellschaft ist das Fest nur noch ein leeres Symbol. Shopping füllt diese Hülle, wird zum Selbstzweck und Identitätsstifter. Nicht alle finden das gut. „Der Mensch wird nur noch als Konsument gesehen. Dabei geht es gerade beim Osterfest doch um viel mehr, nicht nur in religiöser Hinsicht“, bemängelt die Attac-Aktivistin Jutta Sundermann. Doch eine echte Gegenbewegung zum Konsumrausch gibt es nicht. Der in vielen Ländern begangene „Kauf-nix-Tag“, an dem Globalisierungs- und Konsumkritiker zum Verzicht auf Einkäufe aufrufen, findet hierzulande kaum Beachtung.

Einen Schritt zu weit ging die Buchhandelskette Thalia. Sie warb ein paar Tage lang für ihre Angebote zum „Hasenfest“ – von Ostern war gar keine Rede mehr. Der Kirche missfiel das – der Bonner Geistliche Wilfried Schumacher etwa sah darin einen Beweis für die „zunehmende Ent- Christianisierung des Landes“ und rief die Bürger zum Protest auf. Thalia zog die Kampagne zurück – und warb fortan wieder für „Ostern“. „Wir werden in den nächsten Jahren sensibler mit dem Thema umgehen“, versicherte eine Sprecherin.

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