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Hoch hinaus. Der Burj Khalifa ist das höchste Haus der Welt – und zugleich Sinnbild für Dubais rastloses Streben nach Superlativen.

© Reuters

Persischer Golf: Dubais Reise in die Zukunft

Durch die Krise schien der Glanz der arabischen Metropole verblasst, die Stadt am Ende. Nun erfindet sie sich neu – und gewinnt dem Crash sogar Gutes ab.

Dubai - Pleite! Ende! Alles auf Sand gebaut! Das sind Schlagzeilen zu Dubai seit zwei Jahren. Und jetzt kommt es noch dicker: Arabien brennt, Aufstand gegen die Herrscher im Mittleren Osten! Aber wie geht es Dubai wirklich? Schauen wir es uns einmal an – am besten von der höchsten Aussichtsplattform der Welt im 124. Stock des Burj Khalifa.

Es ist Nachmittag, die Sonne lässt die Fassade des 828 Meter hohen Turmes spektakulär glitzern. Wir fahren einen durstigen Geländewagen (ein Liter Super kostet 30 Cent), die siebenspurige Schnellstraße zum Burj ist voll: mit noch schwereren Geländewagen; Bussen mit Bauarbeitern von der Schicht; Bussen mit Touristen unterwegs zum Sonnenuntergang in der Wüste; Limousinen, Motorrädern. Auf dieser arabischen Straße wird keine Revolution gemacht, hier will jeder nur schnell und heil ans Ziel kommen.

Der Eingang für Touristen ins höchste Bauwerk der Erde ist im Untergeschoss der Dubai Mall, dem weltgrößten Einkaufszentrum. Oben, in den kilometerlangen Gängen mit Geschäften aller großer Marken der Welt, ist es rammelvoll mit Menschen. Hier steht ein Querschnitt der typischen Dubai-Reisenden Schlange: die sechsköpfige Familie aus Bombay. Ein junges Paar aus Afrika in grellbunter Tracht. Vier Frauen mit vollverschleierten Gesichtern und einem männlichen Aufpasser, wie zu Hause in Saudi-Arabien. Deutsche Kreuzfahrer: „Landgang von der ,MS Deutschland’, morgen geht es in den Oman“, sagt eine ältere Dame.

Mehr als sieben Millionen Touristen sind 2010 nach Dubai gereist. In dem Jahr, in dem auf der ganzen Welt über Dubais Ende spekuliert wurde, war das ein Wachstum von sechs Prozent. Jetzt tobt die Hochsaison sich noch ein bisschen aus. Air Berlin fliegt seit Herbst direkt hierher, kaum ein Platz in den Jets bleibt leer. Und als vor Wochen auf Kairos Straßen die Menschen ihren Präsidenten aus dem Amt jagten, gab es kein freies Hotelzimmer mehr in der Stadt. Viele wohlhabende Ägypter nutzten Dubai als Rückzugsraum, bis sich zu Hause der Staub gelegt hatte.

Vom Ticket-Schalter zu den Fahrstühlen hängen überall Fotos und Videos vom Bau des Burj Khalifa. Die Vision von Scheich Mohammed Bin Rashid Al Maktoum, dem Herrscher von Dubai, war einfach: „Baut den höchsten Turm der Welt, damit alle Welt von Dubai spricht.“

Es sind – natürlich – die schnellsten Fahrstühle der Welt. Unser Lift rast mit 64 Stundenkilometern nach oben, es knackt in den Ohren. Es ist ein klarer Tag, der einen weiten Blick erlaubt. Hinter meterhohen Glaswänden liegt Dubai uns zu Füßen: 200 000 Dubaiis leben hier und nochmal 1,5 Millionen Zugereiste. Keiner von ihnen käme auf die Idee, Scheich Mohammed zu verjagen. Dazu geht es allen zu gut. Selbst den Bauarbeitern, die von ihrem Lohn jeden Monat halbe Dörfer in Indien oder Bangladesch ernähren.

Ganz im Süden, 30 Kilometer entfernt, kratzen die Kräne von Jebel Ali am Horizont. 30 Jahre sind Hafen und Freihandelszone jung. Stetig kletterte Dubai auf der Rangliste der Containerhäfen nach oben. Zur Zeit liegt es auf Platz sieben, vor sich nur noch sechs fernöstliche Mega-Häfen. Hier fand der Urknall des Booms statt, Jebel Ali ist der Schlüssel zu Dubais Erfolg: Drehscheibe zwischen Ost und West, Tor ins reiche Saudi Arabien, Zwischenlager für Afrika, Asien, Indien. Vor kurzem eröffnete das nördliche Königreich Bahrain eine „Logistic Zone", ganz nach dem Modell Jebel Ali gestrickt. Aber seit auch dort Aufstand in der Luft liegt, werden sich die Logistik-Firmen dreimal überlegen, ihre Lagerhäuser nach Bahrain zu verlegen.

Als der Finanzcrash Dubai vor zwei Jahren erwischte, drehten die Visionen gerade völlig frei: eine Hotelmeile größer als Las Vegas, der höchste Eiffelturm der Welt (!) waren geplant. Einen Wolkenkratzer mit 1,4 Kilometern Höhe gab es schon als Modell. Warum auch nicht? Gaben die Banken weltweit doch willig Kredite, gierig, am Erfolg teilzuhaben.

Gleich neben dem Hafen sehen wir eine der geplatzten Visionen: die „Palme Jebel Ali“. Mit Milliarden von Dollar aufgeschüttet, die Villen und Hochhäuser vom Reißbrett verkauft. Die Baumaschinen sind längst abgezogen, hier wohnt niemand. Doch nur ein paar Kilometer weiter die Küste entlang die Erfolgsstorys: die Siedlung „Dubai Marina“ direkt am Strand. Mit Hotels und Cafés und Flaniermeile und Eisdielen und Boutiquen und bis zu 50-stöckigen Hochhäusern. Die Marina ist das Miami Beach des Mittleren Ostens. Auf der einspurigen Straße am Strand blubbern die Sportwagen und Harleys jeden Abend im Schritttempo entlang. Und wir hören wieder Baulärm: neue Hotels, neue Appartements!

Der Blick schweift weiter vom Burj über die Stadt: Da ist die berühmte „Palm Jumeirah“, die erste und bis heute einzige künstliche Insel, die lebt. Die meisten Wedel sind jetzt bebaut, gerade haben zwei neue Luxus-Resorts eröffnet. Gegenüber liegt die Media-City. Viele Büros sind nach der Krise freigeworden und die Mieten um 30 Prozent gesunken, aber die Media City bleibt Arbeitsplatz für Zigtausende in Werbung, TV und Verlagen und damit das Medienzentrum der arabischen Welt. Hier werden die Werbespots der Nachrichtensender verkauft, die über Tote in Syrien und im Jemen berichten.

Dann gehen wir zur Nordseite der Burj-Plattform. Hier gucken wir hundert Wolkenkratzern auf die Dächer, viele von ihnen gehören zum „Dubai Financial Center". Kaum eine Investmentbank, die dort nicht lizenziert ist. Am Horizont steigen im Minutentakt die Jets vom Dubai International Airport auf, 47,2 Millionen Passagiere sind hier 2010 an- und abgeflogen – wieder 15 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Sind die leeren, künstlichen Inseln denn die einzigen Narben von der Krise? Nein, im Osten, in der Wüste, weit hinter dem Palast des Scheiches, sehen wir Bauruinen der Megaprojekte langsam versanden. Und die Büroraumkapazitäten, die der Boom erschaffen hat, werden auf Jahre die Preise drücken.

Der Nachbar Abu Dhabi bewahrte Dubai mit Milliarden vor dem Bankrott. Aber als das Geld noch für Visionen floss, hat Dubai seine Chance genutzt und die modernste, lebendigste, liberalste und leistungsstärkste Stadt Arabiens geschaffen. Ein Magnet für Geld und Leute, die es haben. Standort für globale Schlüsselindustrien und sicherer Treffpunkt von Diplomaten, Geheimdienstlern und Militärs. Von hier lassen sich die Unruhen in den anderen Ländern so gut beobachten wie man Dubai von der Aussichtsplattform des Burj Khalifa sehen kann.

An der Autobahn nach Abu Dhabi steht ein Symbol für Dubais Situation im Frühjahr 2011: Es ist eine dieser gigantischen Werbewände, einen halben Kilometer lang. Vor zwei Jahren wurde auf ihr das Bauprojekt „Dubai Waterfront“ angepriesen: „Größer als Hongkong“. Heute redet keiner mehr davon. Einen Bruchteil der Werbetafel hat sich jetzt die Polizei gemietet und warnt in großen Lettern alle Autofahrer: „Hohe Geschwindigkeit tötet!“

Die irre Geschwindigkeit von Dubais Entwicklung ist rapide abgebremst. Die Reise in die Zukunft wird jetzt sicherer.

Tewe Pannier betreibt in Dubai eine Medienfirma. Er ist Autor des Buches „1001 Deal – Ein Blick hinter die Kulissen der Glitzerwelt am Golf“, einem Sammelband mit Tagesspiegel-Kolumnen.

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