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Ein Polster. Die Firmen haben noch volle Auftragsbücher. Aber der Aufschwung verlangsamt sich sehr deutlich. Foto: ddp

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Wirtschaft: Pessimismus ist ansteckend

Ifo-Geschäftsklima fällt stärker als erwartet: Firmenchefs schätzen Lage und Aussichten schlechter ein

Berlin - Nach dem Absturz der Aktienmärkte steckt der Pessimismus der Anleger nun auch die Firmenchefs an. Sie rechnen als Folge der Schuldenkrisen und der Finanzmarktturbulenzen mit einer merklichen Abkühlung der Konjunktur. Das ergab die jüngste Umfrage des Münchener Ifo-Instituts bei 7000 deutschen Managern. Der monatlich veröffentlichte Ifo-Geschäftsklimaindex fiel demnach im August von 112,9 auf 108,7 Punkte im Vormonat. Das war ein deutlich stärkeres Minus als Experten erwartet hatten. „Die deutsche Wirtschaft kann sich den weltweiten Turbulenzen nicht entziehen“, sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn am Mittwoch.

Bereits am Dienstag war der ZEW-Index, der die Stimmung bei professionellen Anlegern einfängt, massiv eingebrochen. Der Index notiert nun auf dem tiefsten Stand seit Dezember 2008. Der Deutsche Aktienindex reagierte gleichwohl nicht auf die Umfragewerte – er stieg am Mittwoch im Gegenteil deutlich um 2,7 Prozent auf 5681 Punkte. „Der Markt ist erleichtert, dass die Zahlen nicht noch schlechter ausgefallen sind“, erklärte ein Börsianer. Der Euro, der im Vergleich zum Dollar deutlich nachgab, erholte sich im Tagesverlauf wieder. Am Abend kostete er aber wieder etwas weniger als am Vortag: 1,4395 Dollar. Deutlich preiswerter war die Feinunze Gold. Der Preis sackte auf 1768 Dollar ab. Am Dienstag hatte er noch bei mehr als 1900 Dollar gelegen.

Die befragten deutschen Manager schätzten sowohl die Aussichten für die kommenden sechs Monate als auch die Geschäftslage schlechter ein als im Vormonat. Das Barometer für die Konjunkturerwartungen fiel von 105,0 auf 100,1 Punkte. Auch hier hatten Analysten einen höheren Wert vorausgesagt. Ebenso bei der Frage, wie die Vorstände und Geschäftsführer die aktuelle Lage ihres Unternehmens einschätzen. Der Lage-Index fiel von 121,4 auf 118,1 Punkte zurück.

Ähnlich wie die Bundesbank und die Bundesregierung erwartet das Ifo-Institut eine Abschwächung des Wachstums, aber keine Rezession. „Davon würde ich im Moment noch nicht sprechen“, sagte Ifo-Experte Klaus Abberger. „Die Firmen haben schon noch Auftragspolster. Und nicht jede Abkühlung mündet in einer Rezession. Aber der Aufschwung verlangsamt sich sehr deutlich.“

In der Eurozone sind die Auftragseingänge der Industrie derweil im Juni überraschend gesunken. Auf Monatssicht seien die Aufträge um 0,7 Prozent zurückgefallen, teilte die Europäische Statistikbehörde Eurostat am Mittwoch mit. Ökonomen hatten zuvor mit einem Anstieg um 0,4 Prozent gerechnet. Für den Mai hatte die Behörde noch ein Auftragsplus von 3,6 Prozent gemeldet. Im Jahresvergleich kletterten die Aufträge im Juni mit 11,1 Prozent ebenfalls schwächer als von Volkswirten prognostiziert.

„Dass sich die Konjunktur zwei Jahre nach Ende der Rezession verlangsamt, ist normal“, kommentierte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, die Ifo-Zahlen. „Nachdenklich macht uns dagegen, dass die Unternehmen ihre tatsächliche Geschäftslage im August bei weitem nicht mehr so gut einschätzen wie im Vormonat.“ Vieles hänge vom Ausgang der Schuldenkrise in Europa ab, aber auch von der konjunkturellen Entwicklung in den USA.

Die schleppende Erholung der US- Wirtschaft bereitet den Unternehmen aber offenbar große Sorgen. „Das steckt nun auch die deutsche Wirtschaft an“, sagte Ifo-Experte Klaus Abberger. „Die Daten sind bemerkenswert schlecht“, kommentierte Gerd Hassel von der BHF Bank den Ifo-Index.

Für die kommenden Monate sagen Volkswirte nun eine schrittweise Verschlechterung der Stimmungsindikatoren voraus. „Bei den Erwartungen haben wir sicher noch nicht den Tiefpunkt gesehen, die werden in den nächsten Monaten sicher noch weiter nach unten gehen“, sagte Jörg Lüschow von der WestLB. „Die Ifo-Daten sind jetzt eher ein Alarmsignal für 2012, dass sich der Superaufschwung dem Ende nähert. Ein Stück weit ist das eine Normalisierung nach einer Phase außergewöhnlich hohen Wachstums.“ mit dpa, rtr

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