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Wirtschaft: Pharma-Aktien: Wie lange können die guten Zeiten noch weitergehen?

Wie lange können die guten Zeiten noch weitergehen, lautet derzeit die entscheidende Frage für Pharmainvestoren. Eine Antwort darauf wird ihnen vor allem die weitere Entwicklung des US-Pharmamarktes geben.

Wie lange können die guten Zeiten noch weitergehen, lautet derzeit die entscheidende Frage für Pharmainvestoren. Eine Antwort darauf wird ihnen vor allem die weitere Entwicklung des US-Pharmamarktes geben. Seit Jahren bereits eine Wachstumslokomotive für die gesamte Branche, steht er womöglich vor einer leichten Atempause. Immerhin rechnen Skeptiker damit, dass die Expansionsrate des US-Marktes von derzeit etwa 15 Prozent auf unter zehn Prozent zurückgeht und damit das Wachstum des Weltmarktes um zwei bis drei Prozentpunkte dämpft.

Aus den Geschäftsdaten der Branche ist davon bisher noch wenig herauszulesen. Nachdem der Weltmarkt 1999 nach Angaben des Marktforschungsinstituts IMS um zwölf Prozent zulegte, hat sich die Entwicklung im laufenden Jahr noch beschleunigt. Die Mehrzahl der US-Hersteller verbuchte auch im zweiten Quartal deutlich zweistellige Umsatzsteigerungen und hat die Gewinnschätzungen vielfach übertroffen. Gleiches dürfte etlichen europäischen Pharmakonzernen gelingen, wie die Halbjahreszahlen von Schering und Glaxo zeigen.

Von der Börse wurde die starke Performance der Branche überwiegend vorweggenommen: Nachdem Pharmaaktien 1999 eine ungewohnte Durststrecke zurücklegen mussten, gehörten sie mit Kurssteigerungen von durchschnittlich fast 50 Prozent seit März zu den Spitzenreitern am Kapitalmarkt. Damit jedoch sind sie aus Sicht vieler Analysten bewertungstechnisch wieder am oberen Ende angelangt, zumal in den USA ein verschärfter Preiswettbewerb droht. "Nach der starken Performance im ersten Halbjahr ist der Sektor nicht mehr billig", urteilten jüngst etwa die Analysten von Salomon Smith Barney. Insgesamt überwiegt derzeit offenbar die Neigung, die Perspektiven des Sektors eher nach unten als nach oben zu korrigieren, wobei erstmals seit langem europäische Pharmahersteller in einer etwas komfortableren Situation gesehen werden als ihre US-Konkurrenten. Der Grund dafür besteht vor allem in ihrer geringeren Abhängigkeit vom US-Markt und der Aufwertung des US-Dollars.

Ein erstes Signal für den Stimmungsumschwung setzten im Juni die Experten von CSFB, die den Pharmasektor von "Übergewichten" auf "Neutral" abstuften. Dem Beispiel sind inzwischen eine Reihe weiterer Brokerhäuser gefolgt. Hinter der Skepsis steht zum einen die Furcht vor einer neuen Branchenrotation. Der jüngste Kursaufschwung, so die Überlegung, resultierte nicht zuletzt aus der Rolle des Pharmasektors als "sicherer Hafen" der Wachstumsinvestoren. Nachdem sich die Zinssorgen wieder gelegt haben und Technologieaktien Vertrauen zurückgewinnen, könnte es nun zu einer Umschichtung in umgekehrter Richtung kommen. Gefahren schlummern allerdings auch in der amerikanischen Gesundheitspolitik, die weiterhin eine Ausweitung des Medicare Programms auf die Medikamentenversorgung diskutiert. Damit würde zwar ein größerer Personenkreis in den Genuss staatlicher Zahlungen für Medikamente kommen, zugleich aber die Gefahr administrativer Preiskontrollen wachsen. Druck in diese Richtung entfaltet auch die wachsende Kritik am aggressiven Marketing der Pharmariesen.

Ob sich die pessimistischen Prognosen bewahrheiten, bleibt abzuwarten. Doch allein die politische Unsicherheit und der bevorstehende Wahlkampf in den USA wird nach Ansicht vieler Branchenexperten ausreichen, dem Sektor ein unruhiges zweites Halbjahr zu bescheren. Als Belastungsfaktor gilt ferner die Tatsache, dass in näherer Zukunft eine Reihe wichtiger Patente auslaufen. Der damit einhergehende Wettbewerb durch Produzenten von Nachahmerprodukten (Generika) könnte sowohl die Wachstumsraten als auch die Margen unter Druck setzen. Bedroht sind in den kommenden drei Jahren Umsätze von etwa 25 Milliarden Dollar.

Andererseits bleibt festzuhalten, dass weder die Patentsituation noch politische Diskussionen die fundamentalen Rahmendaten der Branche ernsthaft in Frage stellen. Sie werden geprägt von einer alternden Bevölkerung und neuen therapeutischen Möglichkeiten durch die "Genomics-Revolution", die inzwischen viele neue Wirkstoffkandidaten beschert hat. Es könnte sich vor diesem Hintergrund wiederholen, was bereits in den vergangenen zehn Jahren zu beobachten war: Das Marktwachstum wurde in dieser Phase von den Experten fast kontinuierlich unterschätzt. Denn ähnlich wie andere Technologiesektoren verfügt auch die Pharmabranche über erhebliche Möglichkeiten, ihren Markt durch Neuentwicklungen auszuweiten.

Längerfristig orientierte Investoren zeigen sich daher von der jüngsten Unruhe wenig beeindruckt. "Wir beurteilen den Sektor auf längere Sicht absolut positiv", betont zum Beispiel DWS-Fondsmanager Michael Sieghart. Er sieht im Gegensatz zu vielen Analysten die US-Firmen weiter in der besseren Position. Aber auch Sieghart räumt ein, dass in näherer Zukunft die größeren Chancen womöglich im Biotech-Bereich schlummern. Dort verbergen sich zwar auch die größeren Einzelrisiken. Aber die Forschungs-und-Entwicklungs-Pipeline des Biotech-Sektors gilt gegenüber dem Pharmabereich als unterbewertet.

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