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Wirtschaft: Piëch lässt Pischetsrieder fallen

VW-Aufsichtsratschef: Der Vorstandsvorsitzende hat keine Mehrheit im Aufsichtsrat / Audi-Chef Winterkorn möglicher Nachfolger

Berlin - Die Krise beim größten deutschen Autobauer VW hat jetzt auch die Chefetage des Konzerns erreicht. So wird der Vertrag von VW-Chef Bernd Pischetsrieder womöglich nicht verlängert. Ferdinand Piëch, Vorsitzender des Aufsichtsrats, sprach am Mittwoch von einer „offenen Angelegenheit“. Im Aufsichtsrat sei die Stimmung ausgewogen: Er habe im Augenblick das Gefühl, zehn Aufsichtsräte seien für und zehn gegen Pischetsrieder. Aber, so Piëch gegenüber dem „Wall Street Journal Europe“: „Ich kenne kein Unternehmen in Deutschland, wo jemand mit zehn Gegenstimmen von der Arbeitnehmerseite überleben kann.“ Damit hat Piëch erstmals öffentlich Zweifel an Pischetsrieder geäußert. In Aufsichtsratskreisen zeigte man sich am Mittwoch überrascht über die Äußerung. Von einer Pattsituation 10:10 könne keine Rede sein. Vielmehr gebe es auf beiden Seiten Gegner und Anhänger von Pischetsrieder. Piëch selbst sagte, er werde der Kapitalseite „folgen“, also für Pischetsrieder stimmen. Der Vertrag von Pischetsrieder, der 2002 Piëch als Vorstandsvorsitzender abgelöst hatte, endet im März nächsten Jahres und sollte eigentlich in diesem Frühjahr vorzeitig verlängert werden.

Zuletzt hatte der Aufsichtsrat am vergangenen Freitag getagt. Dabei soll es auch Kritik von Vertretern der Kapitalseite an Pischetsrieder gegeben haben. Unter anderem von Porsche-Chef Wendeling Wiedeking, der erstmals an einer Aufsichtsratssitzung teilnahm. „Die Baustellen sind seit anderthalb Jahren allen bekannt, aber es tut sich nichts“, sagte ein Aufsichtsratsmitglied dem Tagesspiegel über die Stimmung in dem Gremium. VW ist in China stark zurückgefallen, macht Milliardenverluste in den USA, ist zu unproduktiv und zu teuer und deckt mit der Modellpalette noch immer große Teile des Marktes nicht ab.

Vor drei Wochen hatte VW ein Restrukturierungsprogramm angekündigt, von dem „in den nächsten drei Jahren bis zu 20 000 Mitarbeiter im direkten und indirekten Bereich der Marke Volkswagen betroffen sein könnten“. Mit dem Programm sollen Produktivitätsdefizite aufgeholt, die Werke besser ausgelastet, Arbeitskosten gedrückt und die Komponentenfertigung neu organisiert werden. Betriebsbedingte Kündigungen sind laut Tarifvertrag bis 2011 ausgeschlossen.

Querelen und Machtkämpfe an der Konzernspitze schienen ausgestanden, als sich die Beteiligten um Porsche-Chef Wiedeking, Niedersachsens Ministerpräsident Mathias Wulff, Piëch und Pischetsrieder vor wenigen Wochen auf die künftige Zusammensetzung der Aufsichtsratsspitze verständigt hatten. Nun reißen die alten Konflikte wieder auf: Wulff möchte den Vertrag von Pischetsrieder verlängern, kann sich aber damit womöglich weder gegen die Arbeitnehmervertreter noch gegen Piëch und Wiedeking durchsetzen. Piëch und Peters hatten bereits im vergangenen Herbst Pischetsrieder angeschossen, als es um die Nachfolge des wegen der Sex-and-Crime-Affäre zurückgetretenen Personalvorstands Peter Hartz ging. Gegen den Willen von Pischetsrieder wurde der frühere Audi-Personalchef Horst Neumann durchgesetzt. Im Verlauf der damaligen Auseinandersetzung soll Pischetsrieder sogar mit Rücktritt gedroht haben. Für den Fall, so hieß es damals, hätten Piëch und Peters sogar schon einen Nachfolger parat gehabt. Als Favorit gilt Audi-Chef Martin Winterkorn, ein treuer Weggefährte von Piëch.

„Das ist ein guter Mann“, hieß es am Mittwoch in Aufsichtsratskreisen über Winterkorn, „das sieht man ja an den Zahlen“. Anders als die Kernmarke VW fährt Audi Gewinne ein. „Ich bleibe bei Audi“, hatte Winterkorn aber noch am Dienstag in Genf gesagt. Er habe bei Audi viel angestoßen und wolle nun in den nächsten Jahren die Erfolge ernten.

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