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Plagiate: Höhere Margen als im Drogenhandel

Der Negativpreis "Plagiarius" geht an eine chinesische Firma. Experten appellieren an die Verbraucher, keine Fälschungen zu kaufen.

Frankfurt am Main – Der Bestseller „Axolotl Roadkill“ der jungen Autorin Helene Hegemann war natürlich nicht nominiert. Denn noch weiter verbreitet als in der Literatur sind Plagiate in der modernen Warenwelt. Der diesjährige „Plagiarius“ würdigt die chinesische Firma Shanghai Yuhao Household für einen Eiswürfelbehälter, der einem Tupperware- Modell bis ins Detail gleicht.

Seit mehr als 30 Jahren vergibt der Ulmer Designer Rido Busse, der als Honorarprofessor an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee lehrt, seinen Negativpreis für besonders dreiste Produktfälschungen. 1977 hatte er die Kopie einer von ihm designten Waage entdeckt. Beispiele gibt es auch in diesem Jahr genug, wie die Preisverleihung am Freitag auf der Konsumgütermesse Ambiente in Frankfurt am Main zeigte.

So vertreibt die Friboss Handelsgesellschaft aus Heilbronn einen Multimediasessel, der dem Easychair aus Blomberg entspricht. Die Paul GmbH aus Gießen verkauft einen Glasschneider, der dem von der Firma Bohle gleicht. Auch ein Spielzeugmähdrescher, eine Handbrause, eine abhängbare Decke für Messestände und sogar Liebeskugeln – im Original von der Bremer Fun Factory, gefälscht von einer Luxemburger Firma – stehen auf der „Plagiarius“-Liste.

Im Jahr 2008 beschlagnahmte der Zoll an den Außengrenzen der Europäischen Union mehr als 178 Millionen Plagiate, eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr. Die Margen in dem Geschäft sind so groß, dass längst die organisierte Kriminalität mitmischt. Seit Jahren klagen Plagiatsbekämpfer wie Rido Busse, das Risiko einer Strafverfolgung sei zu gering.

Der Schaden lässt sich schwer beziffern. Auch Frank A. Dassler, Chefsyndikus bei Adidas, spricht nur von immensen Verlusten. „Auch bei uns ist nichts vor Plagiatoren sicher“, sagte er am Rande der Preisverleihung. „Aber die Margen sind weitaus höher als im Drogenhandel.“ Das Problem sei nicht nur das gefälschte Produkt an sich. „Es gehen nicht nur Umsätze verloren. Durch die Trittbrettfahrer werden auch spezifische Investitionen hinfällig. Fälscher kopieren schließlich das Endprodukt einer Entwicklungskette.“

Die Experten beklagen, dass viele Verbraucher darüber nicht nachdenken. „Erschreckenderweise sind Fälschungen im 21. Jahrhundert gesellschaftsfähig geworden“, sagt Busse. „Verbraucher sind zugleich Marken- und Schnäppchenjäger.“

Der hohe Preis des Originals sei keine Willkür und kein Wucher, sondern Resultat von Entwicklung, Investition und Leistung, sagt Dassler. Abgesehen davon, dass Plagiate in vielen Fällen von schlechterer Qualität seien, Schadstoffe enthielten und in der Handhabung gefährlich seien, sollten auch Sozial- und Umweltaspekte eine Rolle spielen. „Schließlich akzeptieren die Kunden zu Recht bei unseren Produkten keine Kinderarbeit oder schlechte Arbeitsbedingungen.“ Bei Plagiaten aber spiele das auf einmal keine Rolle mehr. „Die Käufer messen mit zweierlei Maß und fragen nicht nach den Produktionsbedingungen bei Produktfälschern.“ Damit seien auch die Fabrikarbeiter in den Entwicklungsländern die Leidtragenden.Rolf Obertreis

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