zum Hauptinhalt

Schuldnerberatung: Pleite leicht gemacht

Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, der bei entsprechender Rechtslage auf juristische Insolvenzverfahren bei Privatpersonen verzichtet. Die Verfahrenskosten für Verbraucher sinken so um ein Drittel. Auch der Staat spart sich Kosten: Bis zu 150 Millionen Euro jährlich.

Das Verfahren für Verbraucherinsolvenzen soll vereinfacht werden. Das Bundeskabinett verabschiedete am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf. Man erhoffe sich Einsparungen von jährlich rund 150 Millionen Euro für die Länder, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). In Zukunft soll auf das gerichtliche Insolvenzverfahren verzichtet werden. Durch das vereinfachte Entschuldungsverfahren können die Verfahrenskosten bei Verbrauchern um rund ein Drittel auf 750 Euro reduziert werden, sagte die Justizministerin.

Seit 1999 besteht für Verbraucher die Möglichkeit Insolvenz anzumelden und nach einer Frist von sechs Jahren von der Schuldenlast befreit zu sein. Ließen sich 1999 nur rund 3000 Bürger für zahlungsunfähig erklären, stieg die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2006 auf rund 92 000. Das Statistische Bundesamt schätzt, dass in diesem Jahr rund 110 000 Verbraucher Insolvenz anmelden werden. Während der sechsjährigen Frist darf der Besitz des Schuldners nicht gepfändet werden.

Laut Gesetzentwurf müssen sich die Betroffenen als Gegenleistung an den Verfahrenskosten beteiligen. Während der sechs Jahre sollen künftig monatlich 13 Euro und zur Eröffnung des Insolvenzsverfahrens einmalig 25 Euro gezahlt werden.

Bislang musste zu Beginn der Entschuldung immer ein förmliches und kostenintensives Insolvenzverfahren eröffnet werden. Eine größtenteils nutzlose Prozedur, denn in rund 80 Prozent der Fälle sind die Schuldner „masselos“, das heißt es gibt nichts, was sich pfänden und zu Geld machen lässt.

Bis 2001 mussten die Gerichtskosten von durchschnittlich rund 2300 Euro noch komplett von den Betroffenen getragen werden, erst eine Novellierung räumte den klammen Bürgern eine Stundungsmöglichkeit ein. „Über 80 Prozent der Verbraucher haben davon Gebrauch gemacht“, sagte Helga Springeneer, Schulden- und Insolvenzexpertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Diese Änderung hatte zur Folge, dass die Bundesländer auf einem Großteil der Verfahrenskosten sitzen bleiben.

Zu den Geschädigten zählen neben dem Einzelhandel hauptsächlich Banken, die vergebens auf Kreditrückzahlungen der Schuldener warten. In 95 Prozent der Fälle gehen die Gläubiger leer aus. Trotzdem begrüßt der Bundesverband deutscher Banken (BdB) die Reform. „Wir bewerten die Entbürokratisierung positiv“, sagte BdB-Sprecherin Tanja Beller. Trotz Geldeinbußen garantiere das Verbraucherinsolvenzgesetz ein geordnetes Verfahren. „Außerdem biete die Regelung den Schuldnern eine Chance für einen Neubeginn“, sagte Beller. Es gebe viele Gründe, warum sich Verbraucher verschulden, doch auffällig sei, dass viele Betroffene bei Krediten und Versicherungen den Überblick verlören und so in die Schuldenfalle tappten, sagte Verbraucherschützerin Springeneer. „Viele Schüler können nicht mal einen Kontoauszug lesen, hier sind die Schulen gefordert“, sagte Springeneer.

„Das ist wie mit dem Zahnarzt. Man geht immer erst hin, wenn es zu spät ist“, sagte Peter Zwegat, Leiter der Berliner Schuldnerberatung Dilab. Seit diesem Jahr redet der 57-Jährige als Schuldenmentor Pleitegeiern in einer RTL-Show ins Gewissen. „Sie kommen früher, als noch vor ein paar Jahren, aber immer noch zu spät“, stellte Zwegat fest.

Christoph Giesen, Karoline Kohler

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false