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Ratingagenturen: Eine Einschätzung von Wert

In der Finanzkrise wächst die Kritik an den Ratingagenturen. Ihnen wird vorgeworfen, mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit von Griechenland und Portugal zur Misere der Euro-Länder beizutragen. Stimmt das?

Ratingagenturen haben Macht. Das weiß man nicht erst, seit die Herabstufung Griechenlands durch Standard & Poor’s die Zinsen für griechische Anleihen in die Höhe getrieben und einen Kursrutsch an den Börsen ausgelöst hat. Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Wertpapieren – und Staaten. Anhand der Noten, die sie vergeben, entscheiden Anleger, wo sie ihr Geld investieren. Für besonders sichere Anlagen gibt es ein AAA, zahlungsunfähige Länder oder Unternehmen bekommen ein D. Die Bonität Portugals wurde am Dienstag um zwei Stufen von A+ auf A- herabgestuft; am Mittwochabend verringerte die Agentur die Einstufung Spaniens um eine Note von AA+ auf AA. Spanien hatte vor der Krise noch die Bestnote AAA erhalten.

Diese Ratings sind wichtig. Banken sind per Gesetz dazu verpflichtet, Kredite oder Anlagen entsprechend dieser Noten mit Eigenkapital zu unterlegen. Die Europäische Zentralbank akzeptiert Staatsanleihen als Sicherheit, wenn sie Geld an Banken verleiht – wie sicher die Anleihen sind, das macht sie vom Rating abhängig.

Es gibt drei große Ratingagenturen, die weltweit Vertrauen genießen, Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch. Alle drei sind US-amerikanischen Ursprungs, sie haben aber auch Büros in London oder Frankfurt am Main.

Die Agenturen veröffentlichen ihre Bewertungen kostenlos. Geld bekommen sie von den Unternehmen, die sie bewerten. „Ein Erstrating kostet zwischen 50 000 und 100 000 Euro“, schätzt Martin Faust, Professor an der Frankfurt School of Finance. Für jedes weitere könnten die Agenturen 20 000 bis 50 000 Euro verlangen. Und die Kreditwürdigkeit wird regelmäßig auf Grundlage neuer Zahlen bewertet. Staaten müssen nicht für ihre Noten bezahlen. Wie die Bewerter zu ihren Noten kommen, weiß niemand so genau. Das ist ein Betriebsgeheimnis. Ratingagenturen sind privatwirtschaftliche Unternehmen, der Staat hat kaum Einfluss.

Die Agenturen selbst wiederum haben großen Einfluss. Bevor sie ein Unternehmen oder ein Wertpapier herabstufen, kündigen sie dies in der Regel an. Sie sagen ihren Kunden auch, wie diese ihre Kreditwürdigkeit verbessern können. „Dadurch nehmen sie Einfluss auf die Geschäftspolitik von Unternehmen oder Banken“, sagt Faust. In der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass es dabei zu schweren Interessenkonflikten kommen kann. Mitarbeiter von Ratingagenturen haben Banken dabei beraten, wie sie verbriefte Kredite so verpacken, dass die Papiere gute Noten bekommen.

Theoretisch haben die Agenturen ein Interesse daran, ehrliche Noten zu vergeben. Die Zuverlässigkeit ihrer Vorhersagen ist schließlich ihr Kapital. Da es in der Branche nur wenig Konkurrenz gibt, ist diese marktwirtschaftliche Kontrolle jedoch begrenzt. Die EU-Kommission hat darum eine neue Richtlinie verabschiedet, die Ende 2010 in Kraft tritt. Agenturen, die in der EU tätig sein wollen, müssen den nationalen Finanzaufsichten dann ihre Modelle, Methoden und Annahmen offenlegen, auf die sie ihre Ratings stützen. Sie müssen nachweisen, dass sie die Bewertung auf Grundlage aller verfügbaren Informationen und aus verlässlichen Quellen vorgenommen haben. Sie müssen zudem einen jährlichen Transparenzbericht veröffentlichen. So müssen sie die Kunden nennen, die mehr als fünf Prozent des Einkommens einer Agentur ausmachen. Kritiker fordern immer wieder die Einrichtung staatlicher Ratingagenturen. Bisher ist das am fehlenden politischen Willen gescheitert. mit HB

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