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Wirtschaft: Reform der Mitbestimmung nicht in Sicht

Arbeitgeber und Arbeitnehmer finden in der Biedenkopf-Kommission nicht zusammen / Merkel spricht auf Festakt

Berlin- Die Biedenkopf-Kommission zur Reform der deutschen Mitbestimmung wird vermutlich scheitern. Aus Kommissionskreisen erfuhr der Tagesspiegel am Sonntag, dass eine einvernehmliche Empfehlung der Kommission (siehe Kasten) an den Gesetzgeber so gut wie ausgeschlossen ist, da die Vorstellungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern viel zu weit auseinander liegen. „Die Arbeitgeber wollen die Kommission nutzen, um die Mitbestimmung plattzumachen“, sagte ein Arbeitnehmervertreter. Auf Arbeitgeberseite hieß es, „eine Einigung ist unwahrscheinlich“.

Am kommenden Mittwoch gibt es in Berlin eine Jubiläumsveranstaltung zum 30. Geburtstag des Mitbestimmungsgesetzes, auf der Bundeskanzlerin Angela Merkel die Festrede hält. Merkel wird sich bei ihren Ausführungen an der Koalitionsvereinbarung orientieren, in der vom „Erfolgsmodell der deutschen Mitbestimmung“ die Rede ist, das aber „mit globalen und europäischen Herausforderungen Schritt halten muss“. Die Regierungskommission unter Vorsitz des CDU-Politikers Kurt Biedenkopf soll „Vorschläge für eine europataugliche Weiterentwicklung der deutschen Unternehmensmitbestimmung erarbeiten“. Die Regierung will dann die „einvernehmlich erzielten Ergebnisse der Kommission aufgreifen“ und falls erforderlich und geboten, „Anpassungen der nationalen Unternehmensmitbestimmung vornehmen“.

Doch zumindest mit der Einvernehmlichkeit wird es nichts werden. Biedenkopf will auf der nächsten Sitzung der Kommission am 19. September einen ersten Vorschlag machen, der aber kaum in Deckung zu bringen ist mit Arbeitgebern und Gewerkschaftern. Kommissionsmitglied Manfred Gentz, früher Vorstandsmitglied bei Daimler-Chrysler, will zum Beispiel „das Gewicht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat verkleinern“ und den Arbeitnehmervertretern nur noch ein Drittel der Aufsichtsratssitze einräumen. Für die Gewerkschaften ist das inakzeptabel. Dasselbe gilt umgekehrt für die Entmachtung des Aufsichtsratsvorsitzenden, der von der Kapitalseite bestimmt wird und bei Stimmengleichheit im Aufsichtsrat eine entscheidende zweite Stimme hat. „Wir sind für die Abschaffung des Doppelstimmrechts der Anteilseignerseite“, heißt es bei den Gewerkschaften. Vor knapp zwei Jahren war die Mitbestimmung ins Gerede geraten, als der damalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, von einem „Irrtum der Geschichte“ sprach. Kurz darauf legte der BDI gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) einen Bericht zur Modernisierung der Mitbestimmung vor. Ziel der Studie: „Deutschland als Standort attraktiver machen.“ Das entscheidende Instrument dazu: Unternehmen und Arbeitnehmervertreter sollten Art und Umfang der Mitbestimmung innerhalb eines gesetzlichen Rahmens frei vereinbaren können. Für den DGB führt das zur Abschaffung der paritätischen Mitbestimmung. „Unter dem Deckmantel von Reformen betreiben BDA und BDI die Demontage sowohl der betrieblichen Mitbestimmung wie auch der Unternehmensmitbestimmung und sogar der Tarifautonomie“, hieß es im Herbst 2004.

Wenig später berief Bundeskanzler Gerhard Schröder Biedenkopf zum Leiter der Mitbestimmungskommission. Biedenkopf befasste sich bereits Ende der 60er Jahre im Auftrag des damaligen Bundeskanzlers Kurt-Georg Kiesinger mit dem Thema. Von seiner Expertise floss einiges in das Mitbestimmungsgesetz von 1976 ein, das bis heute die Parität im Aufsichtsrat zwischen Vertretern der Kapital- und der Arbeitnehmerseite regelt. In 776 Kapitalgesellschaften wird das Gesetz angewendet – zum Nachteil des Standorts, wie etwa FDP-Chef Guido Westerwelle meint, „weil ausländische Investoren auch deshalb einen Bogen um Deutschland machen“.

Wolfgang Streeck, Direktor des MaxPlanck-Instituts in Köln und Mitglied der Biedenkopf-Kommission, bewertet die mögliche Einschränkung der Mitbestimmung als Botschaft an die Beschäftigten, dass man ihnen und ihren gewählten Vertretern nicht zutraut, kompetent über das Schicksal ihres Unternehmens mitzuentscheiden. „In einer Zeit, in der es mehr denn je darauf ankommt, dass Belegschaften sich mit ihrem Unternehmen identifizieren, könnte ein solche Botschaft fatale Folgen haben“, sagte er schon vor Jahren.

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