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Medien: RTL will weg von der Werbung

Die RTL Group diversifiziert sich zusehends. Trotz steigender Einnahmen aus dem Werbegeschäft will der Luxemburger Medienkonzern auf vielen Hochzeiten tanzen und sich so vor neuen Krisen schützen.

London - Wenn die Fußballer von Girondins Bordeaux in der Champions League Tore schießen, dann verdient die Bertelsmann-Tochter RTL Group (Luxemburg) mit. Der französische Erstliga-Club gehört über den französischen Kanal M 6 zu Europas größtem Fernsehkonzern. Der Fußballverein hat im vergangenen Jahr vergleichsweise bescheidene sechs Millionen zum RTL-Ergebnis von 851 Millionen Euro beigetragen. Es macht aber deutlich, wie weit die Diversifizierungs-Strategie von Unternehmenschef Gerhard Zeiler geht.

Mit dem Ziel, sich unabhängiger von den immer heftiger schwankenden Werbemärkten zu machen, verkauft die RTL-Gruppe inzwischen von Töpfen bis zu Handyverträgen, von Programminhalten bis zu Fanartikeln fast alles. 39 Prozent macht inzwischen der Anteil am Gesamtumsatz in Höhe von 5,6 Milliarden Euro aus, der nicht mehr mit klassischer Werbung erzielt wird. Und es soll weiter gehen. Ein 50:50-Verhältnis hält Zeiler für ideal. "Ich habe einmal den Fehler gemacht, dies als Ziel zu nennen", sagt der Manager. "Glücklicherweise habe ich keine Jahreszahl genannt."

Dass es auch für den erfolgsverwöhnten Marktführer im Fernsehgeschäft nicht immer nur steil bergauf geht, zeigt auch das Beispiel Sportübertragungen. Im deutschen Programm steht RTL fast mit leeren Händen da. Vom Skispringen verabschiedet sich der Sender wegen Misserfolgen der deutschen Athleten, Boxen ist ohnehin nur noch ein Event-Markt. Die Zukunft der Formel 1 ist nach dem Rücktritt von Superstar Michael Schumacher mehr als ungewiss.

Kanal Five schwächelt

Auch in Großbritannien hakt es. Auf der Insel dümpelt die RTL-Group mit ihrem Kanal Five auf Rang drei der Privatsender, die staatliche BBC gar nicht mitgerechnet. Vom konzernintern selbst gesteckten Ziel, Nummer eins oder zwei zu werden, ist Five meilenweit entfernt. Im vergangenen Jahr musste die Luxemburger Zentrale die Reißleine ziehen und die Programmdirektion auswechseln. Trotzdem steht ein knappes Minus und der Verlust an Anteilen auf dem Zuschauermarkt in den Büchern.

Mit neuen digitalen Kanälen, dem Aufbau einer Senderfamilie also, soll jetzt in die Wende kommen. Die Strategie ist längst erprobt. In Deutschland ist der Zweitsender Vox inzwischen profitabler als die Premiummarke RTL. In Frankreich soll W 9, nach M 6 als zweites Standbein auf den Markt gebracht, dem deutschen Vorreiter folgen. Auch in Deutschland hat RTL neue digitale Sender an den Start gebracht. Die Gruppe will das digitale Zeitalter mitgestalten. "Die neuen technischen Herausforderungen verstehe ich als Chance und als neue Wege der Distribution", sagt Zeiler.

Vorsicht bei Online-Videos

Einer dieser Wege sind Onlineplattformen, wie RTL sie jüngst unter dem Namen Clipfish selbst herausgebracht hat und nun europaweit verschiedene Marktmodelle testet. Der Verkauf von Videos floriert vor allem auf der US-Plattform Youtube. Doch Zeiler rät zur Vorsicht. "Alle diese Plattformen haben die Frage der Urheberrechte noch nicht geklärt." Für ihn eine entscheidende Frage. Zu nahe ist ihm das Beispiel der Bertelsmann-Konzernschwester Sony BMG, die viel Geld und Kraft in Urheberstreitigkeiten stecken musste. "Den Fehler der Musikindustrie werden wir nicht noch einmal machen", sagte er.

Bei der Zurückhaltung bei neuen Technologien überwiegt die kaufmännische Vorsicht. Bei dem als Ziel erklärten Zukauf neuer Sender etwa in Ost- und Südeuropa kommt RTL dagegen schlicht kaum zum Zuge. Lediglich eine Minderheitsbeteiligung in Russland steht derzeit zu Buche. Die in Richtung Tschechien, Polen, Türkei oder Serbien ausgestreckten Fühler musste die Bertelsmann-Tochter inzwischen aus unterschiedlichen Gründen wieder einziehen. Auch bei der möglicherweise bevorstehenden Auktion für 75 Prozent der Anteile an der Produktionsfirma Endemol lautet das Urteil schon im Vorfeld: "Finanziell derzeit nicht sinnvoll." Der Markt in Osteuropa leert und verteuert sich zusehendes, Engagements werden immer schwieriger, räumt Zeiler ein und sagt: "Regionales Wachstum ist nicht aus sich selbst heraus ein Ziel." (Von Michael Donhauser, dpa)

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