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© ITAR-TASS

Russland: Schalwa Tschigirinskij - ein Oligarch auf der Flucht

Steuerhinterziehung, Schulden, schmutzige Geschäfte – der russische Unternehmer Tschigirinskij hat sich nach England abgesetzt. In seine Machenschaften soll auch die Frau des Moskauer Bürgermeisters verstrickt sein.

Für kein Geld der Welt möchte man dieser Tage in der Haut von Schalwa Tschigirinskij stecken. Dem laut „Forbes“-Magazin 2,3 Milliarden Dollar schweren Freund des Moskauer Bürgermeisters Jurij Luschkow, der sich unter anderem durch gigantische Bauprojekte wie den Russlandturm im neuen Businessviertel Moskwa City einen Namen machte, werden gleich mehrere Rechtsverstöße zur Last gelegt. Mitte Juli lud ihn die Moskauer Abteilung für Innere Angelegenheiten wegen Steuerhinterziehung von knapp 20 Millionen Dollar bei der Moskauer Öl- und Gasgesellschaft zum Verhör. Bis vor drei Monaten war Tschigirinskij Präsident des Unternehmens.

Auch Sibir Energy, eine russische Öl- und Immobiliengesellschaft mit Sitz in London, hat ihre Ansprüche angemeldet – laut Medienberichten geht es um 328 Millionen Dollar. Diesen Betrag soll sich Tschigirinskij, bis vor kurzem größter Aktionär und Direktor der Gesellschaft, ausgezahlt haben. Im Zuge eines umstrittenen Geschäfts übereignete er Immobilien aus seinem eigenen Portfolio an Sibir Energy. Schon Anfang Juli beschlagnahmten Vollzugsbeamte Unterlagen im Moskauer Büro von Sibir Energy. Den umtriebigen Geschäftsmann trafen die Fahnder nicht mehr an. Er hatte sich im Frühjahr nach Großbritannien abgesetzt. Wohin genau, ist nicht bekannt.

In London aber verteidigt sein Rechtsbeistand gerade Tschigirinskijs verbliebenen 23,5-prozentigen Anteil an Sibir Energy. Und, um den Fall noch komplizierter zu machen, kommt an dieser Stelle die Frau des Moskauer Bürgermeisters ins Spiel – Elena Baturina, selbst Bauunternehmerin und eine der reichsten und einflussreichsten Frauen Russlands.

Ende Juli brachten Tschigirinskijs Anwälte Dokumente vor den Londoner Obersten Gerichtshof, die belegen sollen, dass Baturina über zwei Firmen auf den British Virgin Islands heimlich 50 Prozent an Sibir Energy halte. Schon 1999 will Tschigirinskij eine Partnerschaft mit Baturina eingegangen sein, in deren Folge 2003 dieser Deal entstand. Gewinne und Verluste seien halbe-halbe aufgeteilt worden. Schriftlich teilte der Oligarch mit, ihm sei es zugefallen, das Geld für Investitionen aufzutreiben, und sie habe sich um die „bürokratischen Angelegenheiten“ gekümmert. Von der Verbindung versprach sich Tschigirinskij auch einen positiven Effekt für seine Moskauer Bauvorhaben. Die Frau des Bürgermeisters verwahrt sich gegen die Vorwürfe. Tschigirinskij erfinde diese Lügen lediglich, weil er einen von Baturina gewährten Kredit nicht zurückzahlen könne, sagten ihre Sprecher.

Das Geld dürfte dem 60-jährigen Geschäftsmann georgischer Abstammung tatsächlich nicht mehr so locker sitzen. Anfang Juli war ein Teil von Tschigirinskijs Vermögenswerten nach einem verlorenen Prozess gegen die russische staatliche Bank WTB eingefroren worden. 100 Millionen Dollar schuldet seine Immobilienfirma der Bank. Die Firma CT Development, die auch Tschigirinskij gehört, wird der Steuerhinterziehung verdächtigt. Alles in allem gehen die russischen Strafverfolger davon aus, dass auch diese Streitsache den Geschäftsmann in seinem Entschluss bekräftigt, Russland erst mal fern zu bleiben. Von der Moskauer Stadtregierung jedenfalls dürfte der Flüchtige bei einer Rückkehr keinen Schutz zu erwarten haben.

Anne Wäschle

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