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Schädliches Spielzeug: Alarm im Kinderzimmer

Spielzeug ist oft mit Schadstoffen belastet. Die politischen Bemühungen, daran etwas zu ändern, ziehen sich hin. Die Stiftung Warentest rät zur Selbsthilfe.

Wenn ein Kunde in der Spielwarenabteilung an den Armen einer Puppe zieht, versucht, dem Teddy die Augen auszupulen oder an Gummienten riecht, ist er womöglich verrückt. Vielleicht hält er sich aber auch nur an das, was Verbraucherschützer raten. Weil die Kontrollen des Staates nicht recht funktionieren und die rechtlichen Vorschriften lückenhaft sind, rät die Stiftung Warentest zur Selbsthilfe. „Setzen Sie Ihre Sinne ein“, sagt Test-Redakteurin Nicole Merbach.

Was skurril klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Bei ihrem jüngsten Spielzeugtest hatten die Tester herausgefunden, dass über 80 Prozent der Produkte – darunter auch teure Markenware von Haba, Selecta und Brio – mit Schadstoffen belastet sind. Oder andere Gefahren bergen wie der Sigikid-Affe, der nach kurzem Kontakt mit Feuer lichterloh in Flammen stand.

Für Eltern, Großeltern oder Freunde, die den Kleinen zu Weihnachten eine Puppe oder Bauklötze unter den Baum legen wollen, sind das Hiobsbotschaften. Umso mehr als schnelle Abhilfe nicht in Sicht ist. Denn viele der von der Stiftung Warentest angeprangerten Produkte würden die staatliche Kontrolle unbeschadet überstehen, weil sie dem entsprechen, was das Gesetz vorschreibt. Abgesehen davon, dass eine Kontrolle vor Ort wegen Personalmangels in den Behörden ohnehin so gut wie nicht stattfindet.

Spielzeughersteller können sich deshalb leicht an Recht und Gesetz halten, weil die maßgebliche EU-Spielzeugrichtlinie löchrig wie ein Schweizer Käse ist. Nickel darf in Spielzeug beliebig verwendet werden, obwohl es lebenslange Allergien auslösen kann. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs), die im Verdacht stehen, Krebs zu erregen, sind bis zu 100 Milligramm (mg) pro Kilogramm erlaubt, obwohl Wissenschaftler nur 0,2 mg für angemessen halten. Schlimmer noch: Die laxen Grenzwerte sollen weiter gelockert werden. Die kürzlich reformierte EU-Spielzeugrichtlinie erlaubt ab 2013 für PAKs bis zu 1000 mg. Und auch für gefährliche Schwermetalle wie Blei, Arsen oder Quecksilber wird das Schutzniveau gesenkt.

Die Bundesregierung versucht, das Ruder noch einmal herumzureißen. Auf EU-Ebene kämpfen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Kabinettskollegin Ilse Aigner (CSU) für eine Reform der Reform. Eine Arbeitsgruppe mit deutscher Beteiligung hat im November erstmals getagt, Ende Januar trifft man sich wieder. Bereits im Frühjahr sollen die Experten Vorschläge für schärfere Grenzwerte bei Blei und Arsen vorlegen, heißt es im Wirtschaftsministerium, zudem will sich die Regierung auch für eine Beschränkung von Duftstoffen einsetzen, die Allergien auslösen können.

Den Grünen dauert das alles viel zu lang. Ihre verbraucherpolitische Sprecherin Nicole Maisch fordert „nationale Maßnahmen“ – und das möglichst sofort. Doch die Regierung will erst einmal die Verhandlungen auf EU-Ebene abwarten. „Falls Europa bis 2013 nicht handelt, müssen wir im Alleingang handeln“, sagte Verbraucherministerin Aigner dem Tagesspiegel. „Die Schutzklausel bleibt für mich die notwendige Folge, wenn sich in Brüssel bis 2013 nichts nachbessern lässt“, betont die Ministerin. Und beteuert: „Für die Bundesregierung hat der Schutz der Kinder höchste Priorität.“ Auch das Wirtschaftsministerium droht damit, notfalls die Schutzklausel zu ziehen und strengere, nationale Grenzwerte im Alleingang festzulegen, falls die notwendigen Verbesserungen auf EU-Ebene nicht schnell genug erreicht werden.

Doch kein Spielzeugproduzent muss auf die EU warten, um besser zu werden. Schon heute prüfen einige Hersteller ihre Produkte deutlich intensiver als sie müssten. Dazu zählen beispielsweise Lego, Steiff und Playmobil. PAKs und PVC setze man schon seit Jahren nicht mehr ein, heißt es bei Playmobil. „Wir haben nicht auf Verbote gewartet“, sagt Sprecherin Judith Scheinitz. Die Verbraucher wissen das zu schätzen: Im Weihnachtsgeschäft laufen Lego und Playmobil besonders gut. Etwa der motorisierte Raupenbagger von Lego. „Der dürfte bald ausverkauft sein“, berichtet Sprecherin Helena Seppelfricke. Untersuchen kann man das Elektrospielzeug im Laden jedoch nicht: Die Teile sind fest verpackt.

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