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Wirtschaft: Schlechte Noten für SPD-Wahlprogramm

Mehr Wachstum und weniger Arbeitslose bringt das Manifest nicht, kritisieren Wirtschaft und Ökonomen

Berlin - Das SPD-Wahlmanifest ist bei Wirtschaft und Ökonomen auf Kritik gestoßen. „Einen Wachstumsschub wird es durch dieses Wahlprogramm sicher nicht geben“, sagte Eckhardt Wohlers, Konjunkturchef des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA), dem Tagesspiegel am Dienstag. Auch die Unternehmen zeigten sich skeptisch. „Wir vermissen eine fundierte Auseinandersetzung mit den Ursachen der deutschen Wachstumsschwäche“, sagte Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

Das am Dienstag von dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering und Bundeskanzler Gerhard Schröder vorgestellte Wahlmanifest mit dem Titel „Vertrauen in Deutschland“ setzt im Kern auf eine Fortschreibung der bisherigen Arbeitsmarktpolitik, zudem sollen Bezieher hoher Einkommen stärker zur Kasse gebeten werden (siehe Kasten). Wirtschaftsexperten geht das Vorhaben der SPD aber nicht weit genug. „Es wird nicht klappen, bei der Lösung unserer Haushalts- und Arbeitsmarktprobleme allein auf ein Anspringen der Konjunktur zu setzen“, kritisierte HWWA-Fachmann Wohlers. Vor allem die Finanzierung der Pläne für ein Elterngeld oder für großzügigere Zahlungen an Arbeitslose sei kritisch. „Die so genannte Reichensteuer wird auf keinen Fall genug Geld einbringen, um all dies zu bezahlen. Deshalb auf eine noch höhere Neuverschuldung zu setzen, wäre aber der völlig falsche Reflex“, befand Wohlers.

Ulrich Hombrecher, Chefökonom der WestLB, sieht überdies falsche Schwerpunkte in dem SPD-Plan. „Das ist keine Fortschreibung der Agenda 2010, sondern ein Rückschritt.“ Mit höheren Sozialleistungen wolle die Partei noch mehr Volkseinkommen umverteilen und in die Wirtschaft eingreifen. Um die Beschäftigung zu erhöhen, sei eine Verringerung der Lasten auf dem Faktor Arbeit notwendig. „Es fehlt eine Verlagerung der Kosten vom Sozial- in das Steuersystem. Nur so lassen sich die in der Zukunft steigenden Lasten in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung finanzieren.“

Die Wirtschaft kritisiert insbesondere die Festlegung der SPD auf die Bürgerversicherung, bei der Selbstständige, Beamte und Freiberufler in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen werden sollen. „Die Gesundheitsprämie ist in jedem Fall das bessere Modell“, sagte DIHK-Experte Dercks. Ohnehin sei das Manifest „nur ein Wahlkampfpapier, aber kein Regierungsprogramm“. Dazu enthalte es zu viele nicht finanzierbare Vorhaben. Die Staatsfinanzen ließen sich auf diese Weise nicht sanieren.

In puncto Arbeitsmarkt verlangt der DIHK eine Weiterentwicklung der Hartz-Reformen und die Einrichtung eines Niedriglohnsektors. Auch in der Rentenversicherung müsse es weitere Umbauten geben. „In der jetzigen Struktur überlebt die Rente das kommende Jahr nicht – das ist absehbar und müsste sich auch in einem solchen Wahlprogramm niederschlagen“, empfahl Dercks. Hier drückten sich derzeit alle Parteien vor der Wahrheit, auch die Union.

Unterstützung bekam die SPD indes vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). „Ein gesetzlicher Mindestlohn kann einen weiteren Verfall der Verdienste verhindern und so für mehr Binnennachfrage sorgen“, sagte Gustav Horn, der Chef des Instituts. Auch sei es gut, dass die SPD angesichts der gesamtwirtschaftlichen Nachfrageschwäche der vergangenen Jahre keine weiteren Sparprogramme anstrebe. Allerdings müssten bei einem Aufschwung ab 1,5 Prozent Wachstum zusätzliche Steuereinnahmen dazu genutzt werden, den Haushalt zu konsolidieren. Auch Horn kritisierte indes, dass es zu wenige Ansätze für eine Steuerfinanzierung der Sozialsysteme gebe. Über Instrumente wie Midi- und Minijobs hätten die Unternehmen noch viele Möglichkeiten, das Sozialsystem zu verlassen. „Dieses Problem bekommt man nur mit einer Umfinanzierung in den Griff. Hier verschenkt die SPD Beschäftigungspotenziale.“

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