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Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat am 15. 1. 2015 die Eurobindung des Franken überraschend aufgehoben.

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Schweizer Franken: Aufhebung der Eurobindung - ein Beleg für EZB-Anleihekäufe?

Nach der Aufhebung der Eurobindung des Frankens durch die Schweizer Nationalbank werden Euro und Franken jetzt fast 1:1 gehandelt. Der Schritt könnte ein Beleg dafür sein, dass die Nationalbank weiß, dass die EZB am 22. Januar Staatsanleihekäufe verkünden wird.

Von Andreas Oswald

Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat den seit mehr als drei Jahren geltenden Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro überraschend am Donnerstag aufgegeben. Daraufhin brach die europäische Gemeinschaftswährung um 13 Prozent auf Kurse um 1,04 Franken ein. Damit herrscht zwischen dem Franken und dem Euro fast Parität. Einen solchen Finanztsunami hat es noch nie gegeben. Der Euro brach gegenüber dem Dollar auf ein Elf-Jahres-Tief ein. Die schweizerische Börse fiel zwischenzeitlich um 14 Prozent. Auch andere Börsen reagierten mit Schreck.

Die Maßnahme der SNB könnte ein Beleg dafür sein, dass sie fest damit rechnet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am 22. Januar umfangreiche Staatsanleihekäufe in der Eurozone verkünden wird, die den Euro weiter schwächen würden.

Nachdem des Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am Vortag erklärt hatte, die EZB dürfe Staatsanleihen kaufen, stehen diesem Schritt keine rechtlichen Hürden mehr im Weg, obwohl das endgültige Urteil nicht gefällt ist.

Offenbar hat die SNB nur auf ein Zeichen vom EuGH gewartet

Offenbar hat die Schweizer Nationalbank nur auf dieses Zeichen gewartet. Anders ist der Zeitpunkt ihrer Maßnahme nicht zu erklären. Gleichzeitig ergibt die Maßnahme nur einen Sinn, wenn die SNB davon ausgeht, dass der Euro weiter fallen wird. Dies wäre bei Anleihekäufen der EZB definitiv der Fall.

Viele Währungstrader, Hedge-Fonds und Spekulanten stehen seit Wochen für diesen Fall bereit und haben sich entsprechend in den Märkten positioniert. Trader, die am Donnerstag vor dem Schritt der SNB noch nicht positioniert waren, hatte das Nachsehen.

Der überraschende Schritt ließ die Börsen taumeln. Zudem wird es für Deutsche noch teurer, die Schweiz zu besuchen, wo die Preise schon zuvor für Deutsche astronomisch wirkten.

Deutsche Steuerhinterzieher dagegen, die in der Schweiz ein Konto in Frankenwährung haben, können sich freuen, weil sich ihr Vermögen von einer Sekunde zur anderen um ein Fünftel vermehr hat.

Das Nachsehen hat die stark exportorientierte schweizerische Wirtschaft. Deren Einnahmen aus dem Export in die Eurozone, dem wichtigsten Handelspartner, werden schlagartig um ein Fünftel gesenkt. Dementsprechend knickten schweizerische Aktien ein. Der Aktienindex SMI sank vorübergehend um mehr als zehn Prozent.

“Der Mindestkurs wurde in einer Zeit der massiven Überbewertung des Frankens und größter Verunsicherung an den Finanzmärkten eingeführt“, erklärten die Währungshüter. “Der Franken bleibt zwar hoch bewertet, aber die Überbewertung hat sich seit Einführung des Mindestkurses insgesamt reduziert.“ Die SNB hatte die Euro-Kursuntergrenze im September 2011 zum Schutz der exportorientierten Industrie des Landes festgesetzt und ihn zeitweise mit Devisenkäufen in Milliardenhöhe verteidigt. SNB-Präsident Thomas Jordan hatte erst Anfang Januar den Mindestkurs als unverzichtbar bezeichnet. “Der Mindestkurs ist absolut zentral um eben adäquate, richtige monetäre Bedingungen für die Schweiz aufrechtzuerhalten“, sagte Jordan am 5. Januar in einem Interview des Schweizer Fernsehens.

Risiko einer Rezession in der Schweiz nimmt zu

Das Risiko für eine Rezession in der Schweiz nehme durch den Schritt der SNB nun schlagartig zu, erklärte UBS-Volkswirt Daniel Kalt.

Analysten fanden drastische Worte, sie sprachen von einem „Schocker“, gar von einer „Kapitulation“ der Notenbank. Der Schweizer Franken gilt auf den globalen Währungsmärkten als wichtiger Stabilitätsanker und sichere Geldanlage in Krisenzeiten. Seit 2011 hat die SNB die exportlastige Wirtschaft des Landes vor den Folgen eines zu starken Franken geschützt. Durch den hohen Franken verteuerten sich die Ausfuhren Schweizer Unternehmen auf dem hart umkämpfen Weltmarkt. Der Franken bleibe zwar hoch bewertet, aber die Überbewertung habe sich seit Einführung des Mindestkurses insgesamt reduziert, erklärte die Nationalbank. „Die Wirtschaft konnte diese Phase nutzen, um sich auf die neue Situation einzustellen“, so sagten die Währungshüter. Hintergrund ist den Angaben zufolge auch die unterschiedliche Entwicklung der Geldpolitik im Euroraum und den USA. Während in den USA die erste Zinserhöhung seit der Finanzkrise ansteht, dürfte die Europäische Zentralbank am 22. Januar mit breit angelegten Anleihekäufen eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik beschließen. Das kann den Euro schwächen. Die SNB müsste dann noch mehr Euro kaufen, um das Mindestziel zu verteidigen. Ökonom Christian Schulz vom Bankhaus Berenberg sieht daher eine Kapitulation vor den geplanten gewaltigen Anleihenkäufen der EZB: „Die SNB ist nicht gewillt, der EZB Paroli zu bieten, um den Wechselkurs zu verteidigen.“ Mit anderen Worten: Die Eurokäufe würden zu teuer für die Schweizer Notenbank. „Die Entscheidung ist für die Finanzmärkte vollkommen überraschend gekommen“, sagte Ulrich Wortberg, Devisenexperte bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Die Notenbank gefährde ihre Glaubwürdigkeit, da sie sich immer zu dem Mindestkurs bekannt habe. Die SNB hatte stets versicherte, den Mindestkurs unter allen Umständen zu verteidigen und dazu unbegrenzt Euro anzukaufen. In der Zukunft würden die Märkte der SNB einen neuen Mindestkurs nicht abnehmen, sagte Experte Wortberg.

Die SNB kündigte zudem an, dass der Strafzins auf Einlagen von Banken bei der Zentralbank erhöht wird. Der Zins für Guthaben auf den Girokonten, die einen bestimmten Freibetrag übersteigen, wird um 0,5 Prozentpunkte auf minus 0,75 Prozent angehoben. Zudem verschiebt die SNB das Zielband für ihren Referenzzins Dreimonats-Libor tiefer in den negativen Bereich auf minus 1,25 bis minus 0,25 Prozent.

Die überraschende Abkehr der Schweizer Notenbank ließ den Euro zunächst auf ein Elf-Jahres-Tief von 1,15795 Dollar rutschen. Zur Schweizer Währung sackte er zeitweise um rund 28 Prozent auf ein Rekordtief von 0,8639 Franken ab. Dax und EuroStoxx rutschten 1,8 und 2,2 Prozent ins Minus, grenzten ihre Verluste bis zum Mittag aber wieder ein. Die Ankündigung der SNB habe die Märkte kalt erwischt, sagt Alexandre Baradez, Analyst bei IG France. “Das sorgte für Panik in allen Anlageklassen.“ Die Schweizer Währungshüter (SNB) hatten den Mindestkurs von 1,20 Franken vor mehr als drei Jahren im Zuge der Euro-Schuldenkrise eingeführt, um die heimische Exportwirtschaft zu entlasten. Die Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone hatte damals zu massiven Zuflüssen in den gern als sicheren Hafen angesteuerten Franken geführt. Die Notenbank reagierte mit dem Kauf von Devisen in zuvor unerreichtem Ausmaß. Am Donnerstag erklärte die SNB dann, der Mindestkurs werde aufgegeben, weil sich die Überbewertung des Franken inzwischen insgesamt reduziert habe. Zugleich senkte sie das Zielband für ihren Referenzzins Dreimonats-Libor weiter in den negativen Bereich auf minus 1,25 bis minus 0,25 Prozent. Der Schweizer Leitindex sackte um bis zu 8,7 Prozent ab und steuerte damit auf den größten Tagesverlust seit 1989 zu.

Drohender Glaubwürdigkeitsverlust für die Schweizerische Nationalbank

Aus der Sicht von Helaba-Analyst Ulrich Wortberg dürfte die Schweizer Notenbank mit ihrem Kurswechsel an Glaubwürdigkeit verlieren, da sie in den vergangenen Monaten stets die vehemente Verteidigung des Mindestkurses betont hatte. Der Euro-Franken-Kurs werde nun den Marktkräften überlassen und es dürften sich Kurse im Bereich der Parität einstellen, prognostiziert er. Am Mittag lag er bei 1,0347 Franken.
Experten gehen davon aus, dass sich die Talfahrt des Euro in den nächsten Wochen noch einmal beschleunigen dürfte - vor allem, wenn die EZB wie derzeit erwartet eine Ausweitung ihrer ultralockeren Geldpolitik beschließen wird. Viele Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Notenbanker schon auf ihrer nächsten geldpolitischen Sitzung am 22. Januar den Ankauf von Staatsanleihen ankündigen. (mit Reuters/und dpa)

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