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Skandal bei der UBS: Die Bank machte im vergangenen Jahr einen Verlust von 2,5 Milliarden Franken (2,1 Milliarden Euro). Dennoch schüttete die Großbank Boni in derselben Höhe an ihre Spitzenmanager aus. Bei der Schweizer Fastnacht sorgte das für Spott.

© IMAGO

Abzockerinitiative: Schweizer stimmen über Managergehälter ab

Mit einer Volksinitiative will die Schweiz hohe Abfindungen und Boni im Top-Management deckeln. Wirtschaftsverbände und die Regierung in Bern sehen die Initiative kritisch.

Als abgehoben galt Daniel Vasella schon lange. Der Ex-Boss des Schweizer Pharmakonzerns Novartis ließ sich täglich von seinem feudalen Anwesen im Steuerparadies Risch am Zugersee abholen und zu seinem Arbeitsort Basel bringen – per Helikopter. Seine üppigen Millionenbezüge pflegte Vasella mit launigen Kommentaren schönzureden: „Ich möchte ja sehen, wer aufsteht und sagt, dass er seinen Lohn nicht annimmt.“ Dann wurde ruchbar, dass der scheidende Verwaltungsratspräsident zum Abschied von Novartis 72 Millionen Franken (knapp 60 Millionen Euro) kassiert. Mit dem Riesenscheck wollte der Multi verhindern, dass der 59-Jährige sein Insiderwissen bei anderen Pharmafirmen versilbert. Im Prinzip sollte der Ex-Chef das Geld also fürs Nichtstun einstreichen.

Die Vasella- Bombe platzte genau in die heiße Phase des Abstimmungskampfes um die sogenannte „Abzockerinitiative“: An diesem Sonntag entscheiden die Schweizer darüber, ob in Zukunft exzessive Zahlungen an Topmanager wie Vasella vereitelt werden können. Im Fall Vasella zeigte die Initiative schon Wirkung, bevor sie überhaupt beschlossen worden ist: Der Manager verzichtete auf die 60 Millionen Euro.

Dennoch treibt der Vasella-Skandal viele Schweizer in das Lager der Abzockerinitiative. Umfragen zufolge könnten bis zu zwei Drittel der Eidgenossen für das Aus von Wahnsinnsgehältern stimmen. „Vasellas Schritt ist wie ein Eingeständnis, dass er falsch und die Abzockerinitiative richtig lag“, analysiert der Zürcher Politologe Michael Hermann. Befürworter der Abzockerinitiative wie der Genfer Soziologe und Firmenkritiker Jean Ziegler hoffen sogar auf ein „Signal“ für Europa.

Im Kern verlangt die Abzockerinitiative: Die Aktionäre börsennotierter Firmen sollen die Gehälter für die Bosse im obersten Entscheidungsorgan, dem Verwaltungsrat, und weiterer Topmanager bestimmen. Bislang schanzen sich die Verwaltungsräte nämlich gegenseitig riesige Saläre zu und versorgen auch das Topmanagement reichlich. Zudem soll die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat auf ein Jahr begrenzt sein und Abgangszahlungen wie im Fall Vasella sollen komplett verboten werden. Bei Verstößen gegen die Bestimmungen könnten bis zu drei Jahre Haft drohen.

Derzeit kassieren Schweizer Konzernlenker kräftig ab. Eine Liste über Vergütungen europäischer Verwaltungsrats- beziehungsweise Aufsichtsratsvorsitzender für das Jahr 2011, die die „Neue Zürcher Zeitung“ zusammengestellt hat, belegt: Auf dem Kontinent zahlten die vier Schweizer Aktiengesellschaften Novartis, Nestlé, Credit Suisse und Roche ihren Oberchefs das meiste Geld. Zudem kommen viele helvetische Bosse in den Genuss besonders üppiger Prämien. So freute sich der Chef der Großbank Credit Suisse, Brady Dougan, über eine kumulierte Ausschüttung von 71 Millionen Schweizer Franken. Die Bank UBS machte im vergangenen Jahr einen Verlust von 2,5 Milliarden Franken und schüttete in derselben Höhe Boni ans Topmanagement aus.

Die exorbitanten Überweisungen treiben seit Jahren vielen normal verdienenden Schweizern die Zornesröte ins Gesicht. Einer handelte. Thomas Minder wetterte so lange gegen „explodierende“ Managergehälter, sammelte so lange Unterschriften, bis die Abzockerinitiative zugelassen wurde. Die Selbstbereicherung einiger weniger Manager zerstöre langfristig die Glaubwürdigkeit der Marktwirtschaft und sei einfachen Bürgern nicht zumutbar, schimpft Minder. Der eigenwillige Geschäftsführer der familieneigenen Kosmetikfirma Trybol in Neuhausen am Rheinfall kann sich auf eine breite Allianz stützen: Politiker von den Grünen über die Sozialdemokraten bis hin ins bürgerliche Lager, Gewerkschaften, Sozialverbände und Kirchenvertreter pflichten Minder bei.

Gegen die Initiative streiten die Wirtschaftsverbände und die Regierung in Bern. Das Kabinett befürchtet, dass die Volksinitiative mit „Verboten und Strafbestimmungen das bewährte Prinzip des liberalen Aktienrechts über Bord wirft“. Allerdings erkannten auch Regierung und Parlament: Ein einfaches „Weiter so“ geht nicht. Deshalb erarbeiteten die Abgeordneten einen Gegenvorschlag zur Abzockerinitiative, der bei einem Nein des Volkes zur Initiative in Kraft tritt. Doch der Alternativplan bleibt recht zahm. „Das Parlament will mit seinem Vorschlag die Leute beruhigen“, erklärt Firmenkritiker Ziegler. „Wer die Abzocker in den Chefetagen wirklich treffen will, muss für die Abzockerinitiative stimmen.“

Jan Dirk Herbermann

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