zum Hauptinhalt
Immer hell und immer trocken. Vielerorts bestimmen Einkaufszentren mit standardisiertem Angebot die Innenstädte. Die Betreiber hätten angeblich gern mehr Traditionsgeschäfte und kleine Boutiquen.

© dapd

Shopping-Center-Verbandschef: "Wir sind nicht schuld am Untergang des Kaufhauses"

Stephan Jung kennt sich aus mit Shopping-Centern. Als Verbandschef spricht er mit dem Tagesspiegel über das Marken-Einerlei der Einkaufstempel und die Zukunft der Berliner Schloßstraße.

Herr Jung, in Deutschland gibt es 444 Shopping-Center. 14 Millionen Quadratmeter sind mit Einkaufs-Centern bebaut. Ist das Ende der Fahnenstange erreicht?

Nein, bis Ende 2014 werden 36 Shopping-Center hinzukommen, das ist aber ein moderates Wachstum.

Neue Center entstehen, dabei gammeln viele alte vor sich hin. Shopping-Center müssen doch alle zehn Jahre generalüberholt werden, oder?

Ja, immer mehr Shopping-Center kommen in die Jahre. Das erste Shopping-Center ist 1964 eröffnet worden, das war das Main-Taunus-Zentrum bei Frankfurt. Die Shopping-Center der ersten Generation haben schon ein paar Revitalisierungen durchlaufen, aber es gibt an die 200 Shopping-Center, die jetzt oder demnächst Bedarf haben für eine Revitalisierung, Repositionierung und den Austausch von Ankermietern. Das wird sich immer stärker zu einem Geschäftsfeld für die Developer entwickeln, die sich bisher mehr um Neubauten gekümmert haben.

Immobilien werden immer teurer, Immobilienfonds stecken in der Krise. Wer finanziert heute noch Shopping-Center?

Es gibt genug Investoren und Finanzierer, die gut laufende Shopping-Center suchen. Versicherungen steigen zunehmend ein, und ich habe auch mit Bankvorständen gesprochen, die 30 bis 40 Prozent ihrer Gewerbeimmobilienfinanzierung im Shopping-Center-Bereich sehen. Die Banken halten zum Teil über 100 deutsche Städte für attraktiv – nicht nur Berlin, Hamburg oder München, sondern auch kleinere Städte mit einer Einwohnerzahl um die 100 000 oder Kreisen mit großem Einzugsgebiet. Gleiches gilt für Revitalisierungen. Wenn Sie sicherstellen können, dass das Shopping-Center hinterher wieder gut läuft, bekommen Sie auch eine Finanzierung.

Was kostet eine solche Generalüberholung?

1000 bis 1500 Euro pro Quadratmeter kommen da leicht zusammen. Das sind dann schnell 20 oder 30 Millionen Euro. Die Investitionen müssen sich natürlich rechnen. Das heißt man muss den Mietertrag steigern – etwa neue Flächen schaffen, die Besucherzahl und den Durchschnittsbon erhöhen.

In den Shopping-Centern sind doch immer dieselben Marken. Wie lockt man neue Käufer an, wenn man immer dasselbe Einerlei anbietet?

Was wir sehen, ist das, was die Kunden wollen. Wenn Sie ein Shopping-Center ohne H&M, Zara oder Douglas haben, beschweren sich die Leute. Ohne diese Marken geht es nicht. Aber man versucht, die Shopping-Center anders und schöner zu bauen. Das alte klassische geschlossene System ist Vergangenheit, das Shopping-Center ist heute offener und verschmilzt mit der Innenstadt. Außerdem will man mehr Gastronomie in den Centern, dann bleiben die Besucher nämlich länger. Außerdem versucht man verstärkt, lokale Anbieter und lokale Marken in die Shopping-Center zu bekommen. Aber das ist oft gar nicht so leicht.

Im Boulevard Berlin ist ein Hollister-Shop, im Schloss-Straßen-Center ein Primark. Wie wichtig sind solche Marken für Shopping-Center?

Je schwieriger so ein Partner zu bekommen ist, desto mehr muss man als Shopping-Center-Developer investieren, aber das holt man auch wieder herein. Ein Hollister sorgt für eine hohe Attraktivität. In Ludwigshafen in der Rhein-Galerie gibt es einen solchen Laden. Da fahren jetzt auch die Mannheimer hin, die sonst nie einen Fuß über den Rhein setzen.

In Berlin gibt es 63 Shopping-Center. Allein in der Schloßstraße ballen sich auf 1,7 Kilometern fünf. Wie kann das gehen?

Ja, das ist schon eine ziemliche Ballung. Das ist aber eine Besonderheit der Schloßstraße, die schon immer eine starke Einkaufsstraße war. Die fünf Center müssen sich von einander unterscheiden – was Architektur, Mieter, Events und Kunden angeht. Wenn alle dasselbe machen, funktioniert das nicht.

Man kann einen Euro bekanntlich nur einmal ausgeben. Wen verdrängt das Shopping-Center? Die Kaufhäuser?

Die besseren Konzepte verdrängen wie immer die schlechten. Das Shopping-Center ist nicht schuld am Untergang des Kaufhauses. Die Warenhäuser haben das selber verursacht. Sie haben über viele Jahre ihre Kunden aus dem Fokus verloren. Es stimmt, jeder Euro wird nur einmal ausgegeben, obwohl der Handel im letzten Jahr 10,3 Milliarden Euro mehr umgesetzt hat. Aber die Verhältnisse ändern sich. Der Online-Handel wird wichtiger, Player kommen und gehen, alles ist im Fluss.

Zur Person: Stephan Jung

(47) ist Vorstandsvorsitzender des German Council of Shopping Centers (GCSC), dem Interessenverband der Handelsimmobilienwirtschaft. Zu den 700 Mitgliedsunternehmen des Verbands zählen Finanzierer, Centermanager, Architekten, Einzelhändler, Marketing-Spezialisten, Berater und Inhaber von Handelsimmobilien. An diesem Donnerstag und Freitag trifft sich die Branche zu ihrem German Council Congress in Berlin. Jung hat Immobilienfonds gemanagt und war Mitglied der Geschäftsführung in der HSH Real Estate. Seit dem vergangenem Jahr ist er bei dem Beratungsunternehmen Savills tätig.

Das Interview führte Heike Jahberg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false