zum Hauptinhalt

Spanien: Platzt die Immobilien-Blase?

In Spanien geht die Angst um. Jahrelang galt der Immobilien-Markt als sichere Bank. Jetzt droht ein massiver Preisverfall auf dem Markt.

Madrid - Enrique Bañuelos war bis vor kurzem kaum jemandem in Spanien ein Begriff. Das änderte sich, als die US-Fachzeitschrift "Forbes" ihn im März erstmals in ihrer Liste der reichsten Menschen der Welt aufnahm. Der 41-jährige Präsident der bei Valencia ansässigen Immobiliengruppe Astroc Mediterráneo belegte Platz 95, mit einem geschätzten Vermögen von umgerechnet 5,8 Milliarden Euro. Diese Platzierung dürfte er allerdings schon wieder verloren haben. Binnen weniger Wochen brachen die Aktien seines Unternehmens an der Madrider Börse um rund 60 Prozent ein, sein persönliches Vermögen soll dabei um mehr als eine Milliarde Euro geschrumpft sein.

Aktienkurs stieg um 1000 Prozent

Auslöser des Kurssturzes waren Berichte, Astroc habe seinen Nettogewinn 2006 durch Verkäufe innerhalb der eigenen Gruppe aufgebläht. Bañuelos wies dies entschieden zurück und erklärte, das junge Unternehmen sei grundsolide. Reich gemacht hat es ihn allemal. Seit dem Börsengang im vergangenen Jahr waren die Astroc-Aktien um sagenhafte 1000 Prozent in die Höhe geschossen. Wie andere "Ziegelsteinmilliardäre" profitierte Newcomer Bañuelos von dem enormen Bauboom in Spanien, neben dem Privatkonsum und dem Tourismus die tragende Säule des überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre. Allein 2006 wurden rund 850.000 Wohnungen gebaut, das sind etwa so viele wie in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen.

In Spanien, wo auch Tausende Deutsche, Briten und andere Europäer Wohnungen besitzen, geht nun die Angst um: War der Absturz von Astroc ein Anzeichen dafür, dass die Immobilien-Blase zu platzen droht? Der Fall der Astroc-Aktien riss nämlich nicht nur alle anderen notierten Immobilienwerte mit. Auch Baukonzerne und Banken wurden in Mitleidenschaft gezogen. Die Regierung sah sich gezwungen, in einer Erklärung vor Panikmache zu warnen. Es handele sich nur um eine Korrektur einiger Werte mit "übertriebenem Wachstum". Auch der Chef der Bank von Spanien, Miguel Ángel Fernández Ordóñez, mahnt zur Gelassenheit: "Wir erleben lediglich eine allmähliche Abkühlung des Immobiliensektors."

Immobilien galten als sichere Sache

Viele Bürger sind jedoch verunsichert. Rund 85 Prozent der Spanier sind Eigenheimbesitzer, Millionen Familien haben sich stark verschuldet, um sich den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen zu können. Jahrelang waren die Zinsen äußerst niedrig, sie lagen zeitweise sogar unterhalb der Inflationsrate. Parallel dazu haben sich die Wohnungspreise seit 1996 verdoppelt, mancherorts sogar verdreifacht. Der Kauf einer Immobilie galt deshalb als sichere Geldanlage.

Im Zuge der Leitzinserhöhungen in der Euro-Zone ist der in Spanien meist verbreitete Hypothekenzins, der Euribor, in den vergangenen 19 Monaten aber stetig gestiegen. Er liegt derzeit bei 4,1 Prozent. Das ist der höchste Stand seit sechs Jahren. Die Verschuldung der privaten Haushalte hat mit 830 Milliarden Euro ebenfalls einen Höchststand erreicht, die Immobilienfirmen wiederum stehen bei den Banken mit etwa 250 Milliarden Euro in der Kreide.

Verkäufe auf breiter Basis

Die Verunsicherung ist an den Häuserfassaden der großen Städte abzulesen: Immer mehr Schilder mit der Aufschrift "Se vende" (Zu verkaufen) sind dort zu sehen. "Vor einem Jahr haben wir monatlich im Schnitt ein halbes Dutzend Wohnungen verkauft. Nun sind wir froh, wenn wir pro Monat eine einzige loswerden", sagt die Besitzerin eines Maklerbüros in Madrid. "Die meisten Anrufe kommen inzwischen nicht mehr von Käufern, sondern von Eigentümern, die ihre Wohnung wieder abstoßen wollen." Die Statistik gibt ihr Recht: Die Nachfrage in Städten wie Madrid oder Barcelona ist um rund 25 Prozent gefallen. Und auch die Preise steigen nicht mehr wie früher. Nach 18 Prozent 2005 waren es im vergangenen Jahr nur noch sieben Prozent. Während manche Banken inzwischen Hypotheken mit Laufzeiten bis 50 Jahre anbieten, versuchen einige Immobilienfirmen, Käufer mit Geschenken wie Urlaubsreisen zu locken.

Astroc-Präsident Bañuelos gibt sich dennoch gelassen. "Dass es nach Jahren des Booms zu einer Abkühlung kommt, ist doch logisch." Experten warnen indes vor unabsehbaren Folgen für die spanische Wirtschaft, sollte der Immobiliensektor zusammenbrechen. (Von Jörg Vogelsänger, dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false